Lexikon der Biochemie: Kartierung
Kartierung, engl. mapping, Genkartierung, die Unterteilung eines Genoms, Gens oder DNA-Abschnitts in definierte, kleinere Abschnitte oder die Lokalisierung von RNA-Termini (Start- und Stoppstellen der Transcription sowie Prozessierungs-Stellen) auf dem Genom.
a) Nach der Anfärbung mit bestimmten Farbstoffen (gewöhnlich Mepacrin oder Giemsa) weist jedes Chromosom ein charakteristisches Muster an querverlaufenden, verschieden stark gefärbten Banden auf. Jede Bande stellt ungefähr 5-10 % der Chromosomenlänge dar und entspricht ungefähr 107 DNA-Basenpaaren. Färbt man die weniger kondensierte DNA der Prophase, können mehr Banden (bis zu 3.000) unterschieden werden. Nach Vorbehandlung (z.B. mit Trypsin) und anschließender Anfärbung mit Adenin/Thymin- (AT-) spezifischen oder Guanin/Cytosin- (GC-) spezifischen Farbstoffen, werden unterschiedliche Bandenmuster erhalten, die die Verteilung GC- und AT-reicher Regionen anzeigen.
b) Kopplungsanalysen. Um Genorte zu kartieren, wird schon seit längerer Zeit die Genverteilung in Familien, insbesondere die von Krankheitsgenen, untersucht. Hierzu wird die Genkopplung bestimmt, d.h. das Ausmaß, in dem Gene zusammen an die Nachkommen vererbt werden. Wenn die Gene auf einem Chromosom weit voneinander entfernt vorliegen oder auf unterschiedlichen Chromosomen lokalisiert sind, besteht eine Wahrscheinlichkeit von 50 %, dass sie zusammen vererbt werden; man sagt, diese Gene sind nicht gekoppelt. Je näher zwei Gene auf einem Chromosom beieinanderliegen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie während der Meiose durch Rekombination getrennt werden und desto häufiger treten sie zusammen bei Nachkommen auf, d.h. desto höher ist ihr Kopplungsgrad (Rekombinationskartierung). Die Auflösung von Karten, die auf Kopplungsanalysen basieren, ist relativ grob.
c) Klonierte oder durch andere Methoden unterscheidbare Gene können mit physikalischen Methoden kartiert werden. Zur physikalischen Kartierung von Humangenen werden oftmals Methoden der somatischen Zellgenetik eingesetzt. Dazu ist es notwendig, ein Heterokaryon zu konstruieren, das durch die Fusion der interessierenden (Human)zelle mit einer anderen Zelle (z.B. Maustumorzelle), der das in Frage kommende Gen fehlt, entsteht. Das Heterokaryon durchläuft die Mitose und produziert eine Hybridzelle (somatischer Zellhybrid), in der beide Chromosomensätze in einem einzigen großen Kern vorliegen. Die ursprünglichen Hybridzellen sind instabil und neigen dazu, auf zufällige Weise Chromosomen zu verlieren. Human-Maus-Hybride, die für die Humangenkartierung nützlich sind, enthalten alle Mauschromosomen und einen Teil der Humanchromosomen, einzelne Humanchromosomen oder Teile von Humanchromosomen. Diese Hybridzellen werden vermehrt und als Zelllinien erhalten. Unter der Voraussetzung, dass ein Humangen ein auf Zellniveau detektierbares Produkt aufweist, kann es so einem bestimmten Chromosom oder sogar einem Abschnitt des Chromosoms zugeordnet werden. Um zu bestimmen, welche Humanchromosomen oder Teile von Chromosomen in der Zelllinie vorhanden sind, wird die Hybridzell-DNA markiert (z.B. mit Biotin) oder mit normaler Humanmetaphasen-DNA hybridisiert (eine Technik, die als chromosome painting bekannt ist). Durch Hybridisierung in Southern-Blots kann ein Humangen in einem somatischen Zellhybrid auch detektiert und kartiert werden, ohne dass es in der Zelle exprimiert wird.
d) DNA-Sequenzunterschiede zwischen Individuen, d.h. Polymorphismusregionen (DNA-Fingerprinting) können genau charakterisiert werden, stellen nützliche Marker dar und werden ebenfalls auf Genkarten eingetragen. Solche Polymorphismusregionen haben ihre Ursache in: 1) Restriktionsfragmentlängenpolymorphismenund 2) einer variablen Anzahl von Tandem-Repeat-Sequenzen. Im Durchschnitt kommen polymorphe Regionen alle 300-500 Basenpaare vor.
e) cDNA-Karten zeigen die DNA-Positionen, die exprimiert werden, d.h. die in mRNA transcribiert werden. Um den Syntheseort einer mRNA auf einem Chromosom zu lokalisieren, wird im Labor synthetisierte cDNA als Gensonde verwendet. Wenn der Ort eines Krankheitsgens aufgrund der Kopplungsanalyse ungefähr bekannt ist, kann eine cDNA-Karte der korrespondierenden Region für weitere Untersuchungen über einen interessierenden Satz von Genen Aufschluss geben.
f) Die Kartierung eines Genoms bzw. Genomabschnitts kann auf molekularer Ebene durchgeführt werden. Dazu wird der betreffende DNA-Abschnitt mit verschiedenen Restriktionsenzymen in parallelen Experimenten so gespalten, dass die relative Anordnung der jeweils entstehenden Restriktionsfragmente ermittelt werden kann. Die DNA wird in Restriktionsfragmente (Restriktionskartierung, Restriktionsanalyse) unterteilt. Durch richtiges Zusammensetzen der Restriktionsfragmente erhält man eine physikalische Karte (Restriktionskarte) des DNA-Moleküls. Durch eine hochauflösende Kartierung kann entweder eine Makrorestriktionskarte (Top-Down-Kartierung) oder eine Contig-Karte (Bottom-Up-Kartierung) erstellt werden. Bei der Top-Down-Kartierung wird ein einzelnes Chromosom mit Hilfe von selten schneidenden Restriktionsenzymen in große Fragmente (bis zu mehrere Megabasen) gespalten. Die Fragmente werden durch Wechselfeldgelelektrophorese getrennt und die Gene kartiert. Hieraus ergibt sich die Makrorestriktionskarte, die die Anordnung von Schnittstellen der selten schneidenden Enzyme und die Abstände zwischen diesen zeigt. Solche Karten weisen mehr Kontinuität und weniger Lücken zwischen den Fragmenten auf als Contig-Karten, ihre Auflösung ist jedoch geringer. Bei der Bottom-Up-Kartierung wird die Chromosomen-DNA in kleine Stücke geschnitten, anschließend wird jedes Stück kloniert und in Cosmiden oder in künstlichen Hefechromosomen (YAC) isoliert. Überlappende Klone können anschließend in eine physikalische Karte oder ein Contig, das alle Gene der betreffenden Region einbezieht, eingeordnet werden.
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