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News: Gefahrvolle Hoffnung

Telomerase schien seit einigen Jahren ein ein wundersames Mittel zu sein, um menschliche Zellen für therapeutische Zwecke zu vermehren. Denn Kulturen mit erhöhter Telomerase-Expression lebten länger und teilten sich daher öfter als normale Zellen. Die Methode entpuppte sich jetzt jedoch als riskant, da Wissenschaftler herausfanden, dass in den langlebigen Zellen ein Krebsgen aktiviert ist. Sie beobachteten eine um das zwei- bis dreifache gesteigerte Expression des Onkogens in Zellen, die sie zur Langlebigkeit anregten. Eine vergleichbar hohe Rate fanden sie in kultivierten Brustkrebszellen.
1998 entdeckten Wissenschaftler, dass die Expression von Telomerase die Lebensspanne von menschlichen Zellen in Gewebekulturen deutlich erhöht. Das Enzym verhindert, dass sich die Enden der Chromosomen, die so genannten Telomere, bei jeder Zellteilung verkürzen. Es hält die Länge der Telomeren konstant, indem es auf charakteristische Weise einzelne Nukleotide an die Chromosomenenden anfügt. Denn wenn die Zellen registrieren, dass die Enden zu kurz sind, um die Intergrität ihrer Chromosomen aufrecht zu erhalten, stellen sie die Teilung ein. Seitdem erhoffen sich Forscher mit Hilfe der Telomerase die gestiegene Nachfrage an menschlichen Zellen für therapeutische Zwecke zu decken. Bisher bestätigten auch mehrere Laboratorien, dass die Expression von Telomerase die behandelten Zellen nicht in einen Zustand versetzt, in dem sie sich unkontrolliert teilen, was letztendlich zu Krebs führen könnte.

Diese Hoffnung ist nun wahrscheinlich zerstört. Denn David Beach vom Wolfson Institut for Biomedical Research am University College London und seine Mitarbeiter wiesen nun doch Anzeichen für Krebszellen in diesen Kulturen nach. In Zusammenarbeit mit Jing Wang von Genetica Inc. in Cambridge, Masachusetts und Gregory Hannon vom Cold Spring Harbour Laboratory fanden sie heraus, dass in Kulturen von menschlichen Brustepithelzellen die Expression von Telomerase ein Krebsgen, das so genannte c-myc-Onkogen, aktiviert. Normalerweise teilen sich die Zellen 50 bis 60 Mal, bevor sie das Wachstum einstellen oder überaltern. Um zu untersuchen, ob menschliche Brustepithelzellen nur dann über ihre normale Altersgrenze hinaus vermehrungsfähig sind, wenn Telomerase dauerhaft exprimiert wird, setzten Beach und seine Mitarbeiter ein Retrovirus mit einem Gen für menschliche Telomerase ein. Nachdem sich die Brustepithelkulturen 40 Mal verdoppelt hatten, schleusten sie das Virus in die Zellen ein. Da nun Telomerase exprimiert wurde, teilten sich die Zellen über ihre normale Altersgrenze hinaus. Um das weitere Wachsen der Zellkultur zu stoppen, eliminierten die Forscher jetzt das Telomerase-Gen des Retrovirus.

Zu ihrer Überraschung blieb die Telomerase-Aktivität hoch und die Zellen teilten sich noch mehr als 20 Mal. Offensichtlich hatte sich das zelleigene Telomerase-Gen unerwartet wieder eingeschaltet. Zuvor hatten die Wissenschaftler Hinweise dafür gefunden, dass das der Transkriptionsfaktor, der für dasc-myc-Onkogen codiert die Herstellung von Telomerase stimuliert. Hieraus schließen sie, dass sich die Zellen nach der Entfernung des Virus-Gens für Telomerase nur deshalb unerwartet weiter vermehren konnten, weil das c-myc-Onkogen aktiviert wurde. Tatsächlich beobachteten die Forscher eine zwei- bis dreimal höhere Expression des Krebs-Genes in Zellen, deren Teilungsfähigkeit durch das Retrovirus heraufgesetzt wurde. Die gesteigerte Aktivität des Onkogens war dabei mit derjenigen von Brustkrebszellkulturen vergleichbar, die sie als Kontrolle untersuchten. Obwohl die Brustepithelzellen sich in ihrem Experiment nicht vollständig zu Krebszellen umwandelten, halten die Forscher die gesteigerte Expression des c-myc-Onkogens für einen wichtigen Schritt einer Kaskade, die schließlich zu bösartigen Krebszellen führen kann.

Eine Änderung der Expressionsrate des Krebsgens c-myc wird in jährlich 70 000 tödlichen Krebsfällen in den USA beobachtet. Kultivierte menschliche Zellen, die aus Zelllinien mit künstlich erhöhter Telomerase-Expression gewonnen wurden, sollten nach Ansicht der Wissenschaftler deshalb zukünftig für therapeutische Eingriffe mit Vorsicht eingestzt werden.

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