News: Gefahrvolle Hoffnung
Diese Hoffnung ist nun wahrscheinlich zerstört. Denn David Beach vom Wolfson Institut for Biomedical Research am University College London und seine Mitarbeiter wiesen nun doch Anzeichen für Krebszellen in diesen Kulturen nach. In Zusammenarbeit mit Jing Wang von Genetica Inc. in Cambridge, Masachusetts und Gregory Hannon vom Cold Spring Harbour Laboratory fanden sie heraus, dass in Kulturen von menschlichen Brustepithelzellen die Expression von Telomerase ein Krebsgen, das so genannte c-myc-Onkogen, aktiviert. Normalerweise teilen sich die Zellen 50 bis 60 Mal, bevor sie das Wachstum einstellen oder überaltern. Um zu untersuchen, ob menschliche Brustepithelzellen nur dann über ihre normale Altersgrenze hinaus vermehrungsfähig sind, wenn Telomerase dauerhaft exprimiert wird, setzten Beach und seine Mitarbeiter ein Retrovirus mit einem Gen für menschliche Telomerase ein. Nachdem sich die Brustepithelkulturen 40 Mal verdoppelt hatten, schleusten sie das Virus in die Zellen ein. Da nun Telomerase exprimiert wurde, teilten sich die Zellen über ihre normale Altersgrenze hinaus. Um das weitere Wachsen der Zellkultur zu stoppen, eliminierten die Forscher jetzt das Telomerase-Gen des Retrovirus.
Zu ihrer Überraschung blieb die Telomerase-Aktivität hoch und die Zellen teilten sich noch mehr als 20 Mal. Offensichtlich hatte sich das zelleigene Telomerase-Gen unerwartet wieder eingeschaltet. Zuvor hatten die Wissenschaftler Hinweise dafür gefunden, dass das der Transkriptionsfaktor, der für dasc-myc-Onkogen codiert die Herstellung von Telomerase stimuliert. Hieraus schließen sie, dass sich die Zellen nach der Entfernung des Virus-Gens für Telomerase nur deshalb unerwartet weiter vermehren konnten, weil das c-myc-Onkogen aktiviert wurde. Tatsächlich beobachteten die Forscher eine zwei- bis dreimal höhere Expression des Krebs-Genes in Zellen, deren Teilungsfähigkeit durch das Retrovirus heraufgesetzt wurde. Die gesteigerte Aktivität des Onkogens war dabei mit derjenigen von Brustkrebszellkulturen vergleichbar, die sie als Kontrolle untersuchten. Obwohl die Brustepithelzellen sich in ihrem Experiment nicht vollständig zu Krebszellen umwandelten, halten die Forscher die gesteigerte Expression des c-myc-Onkogens für einen wichtigen Schritt einer Kaskade, die schließlich zu bösartigen Krebszellen führen kann.
Eine Änderung der Expressionsrate des Krebsgens c-myc wird in jährlich 70 000 tödlichen Krebsfällen in den USA beobachtet. Kultivierte menschliche Zellen, die aus Zelllinien mit künstlich erhöhter Telomerase-Expression gewonnen wurden, sollten nach Ansicht der Wissenschaftler deshalb zukünftig für therapeutische Eingriffe mit Vorsicht eingestzt werden.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 9.5.2000
"Neue Kenntnisse, neue Möglichkeiten"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 5.4.2000
"Gute Aussichten für Brustkrebspatientinnen"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 9.12.1999
"Das Ende der Unsterblichkeit"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 7.1.1999
"Gesunde Unsterblichkeit" - Spektrum der Wissenschaft 4/96, Seite 30
"Telomere, Telomerase und Krebs"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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