Verhaltensänderung: Wie lange dauert es, eine neue Gewohnheit zu entwickeln?
Eine verbreitete These besagt, dass es 21 Tage dauert, bis sich eine neue Gewohnheit verfestigt. Drei Wochen – das klingt machbar, vor allem mit Blick auf die guten Vorsätze an Neujahr. Denn zu Jahresbeginn sind die Menschen besonders motiviert, in ihrem Leben etwas zu verändern, sagt Colin Camerer, Verhaltensökonom am California Institute of Technology. Dennoch halten nur wenige Menschen bis zum 21. Januar durch. 80 Prozent der guten Vorsätze sind im Februar bereits vergessen, und bis Ende des Jahres bleiben nur neun Prozent dran, wie eine US-Umfrage 2023 ergab.
Der Ursprung der »Drei-Wochen-Theorie« hat eigentlich gar nichts mit dem Verhalten zu tun. Sie geht offenbar auf das 1960 erschienene Selbsthilfebuch »Psychokybernetik« zurück: Darin berichtete der plastische Chirurg Maxwell Maltz, dass seine Patienten ungefähr 21 Tage brauchten, um sich nach einer Operation an ihr neues Aussehen zu gewöhnen. Seine Beobachtung war zwar nicht wissenschaftlich belegt, aber das hielt ihn nicht davon ab, den Zeitraum von 21 Tagen auf andere Lebensbereiche zu übertragen, wie das Eingewöhnen in ein neues Zuhause oder das Verändern von Überzeugungen.
Auch ohne solide Forschung hat sich die Drei-Wochen-Theorie weithin verbreitet. Wahrscheinlich deshalb, weil diese Zeitspanne realistisch und zugleich erreichbar erscheint, erklärt Camerer. Es sollte fast ein halbes Jahrhundert dauern, bis Forschende den Mythos widerlegen konnten.
Wiederholung ist der Schlüssel zum Erfolg
Eine wegweisende Studie aus dem Jahr 2009 ergab, dass sich neue Gewohnheiten innerhalb von 18 bis 254 Tagen festigen (umgerechnet ungefähr 2,5 Wochen bis 8,5 Monate). Im Mittel benötigten die Versuchspersonen nach eigenen Angaben 66 Tage, also gut zwei Monate, um eine neue Tagesroutine aufzubauen, zum Beispiel zum Mittagessen eine Flasche Wasser zu trinken oder vor dem Abendessen 15 Minuten spazieren zu gehen. Das konsequente tägliche Wiederholen war entscheidend dafür, ob das Verhalten zur Routine wurde, berichtete die Erstautorin der Studie Phillippa Lally, Gesundheitspsychologin von der University of Surrey in England.
Doch jeder Mensch brauche unterschiedlich lange, bis eine neue Gewohnheit wirklich sitzt, sagt Lally. Auch die Art der Aktivität spielt dabei eine Rolle. Sich eine völlig neue Fähigkeit anzueignen, erfordert mehr Ausdauer, als daran zu denken, nach dem Aufstehen ein Glas Wasser zu trinken. Das bestätigte 2023 eine Studie von Camerer und seinen Kollegen: Demnach dauert es im Schnitt nur wenige Wochen, sich das regelmäßige Händewaschen anzugewöhnen, aber ein halbes Jahr, um Sport zur Gewohnheit werden zu lassen. Das Händewaschen, so lautete die Erklärung, ist einfacher umzusetzen als Sport, und im Alltag bieten sich zudem mehr Gelegenheiten dazu.
Laut Camerer wird es besonders dann schwierig, wenn die anfängliche Begeisterung nachlässt. Für das nötige Durchhaltevermögen sei ein konkreter Plan besser als ein vager Vorsatz. Wer etwa eine neue Fremdsprache lernen wolle, sollte genau festlegen, an welchen Tagen er wie lange lernt. Ein App-Tracker oder ein Freund könnten dabei helfen, den Fortschritt zu überwachen, und zum Weitermachen animieren.
Belohnungen wirken ebenfalls höchst motivierend – allerdings nur bei enger zeitlicher Verknüpfung. Lally zufolge ist eine Belohnung weitaus effektiver, wenn sie bereits während der Tätigkeit erfolgt. Im Rahmen eines Experiments hatten Versuchspersonen exklusiv im Fitnessstudio Zugang zu beliebten Hörbüchern. Daraufhin kamen sie für eine Weile häufiger ins Studio als die Kontrollgruppe, und mehr als 60 Prozent wollten nach Ablauf der Studie für einen »Gym-only«-Zugang zu Hörbüchern bezahlen.
Ein weiterer Tipp von Lally lautet, das gewünschte Verhalten mit einer Situation zu verknüpfen, die im Alltag regelmäßig auftritt. Wenn jemand beispielsweise stets zwei Tage pro Woche ins Büro und danach ins Fitnessstudio geht, entsteht in seinem Gehirn eine Assoziation. Und je häufiger Situation und Verhalten gekoppelt werden, desto stärker werden die neuronalen Verbindungen, die an der Gedächtnis- und Gewohnheitsbildung im Gehirn beteiligt sind.
Realistische Ziele setzen
Auch die direkte Umgebung kann dazu beitragen. Wer etwa mehr Obst essen will, schafft das eher, wenn er es zu Hause gut sichtbar aufbewahrt, sagt Lally. Umgekehrt gilt das ebenfalls für unerwünschte Gewohnheiten: Ein gut gefülltes Weinregal ist eine unnötige Versuchung für jemanden, der weniger trinken will.
Hin und wieder zu schwächeln, ist ganz normal und kein Grund, aufzugeben. Laut Lally erwarten viele, dass sie perfekt nach Plan funktionieren, selbst wenn sie die Latte zu hoch gelegt haben. Das Scheitern an unrealistischen Erwartungen kann dann dazu führen, dass sie es gar nicht mehr versuchen. Lally rät in so einem Fall, sich eine Pause zu gönnen und zu überlegen, warum es nicht geklappt hat und was die Chancen im nächsten Anlauf verbessern könnte.
Dazu zählt auf jeden Fall, sich realistische Ziele zu setzen. Das kann zum Beispiel bedeuten, erst einmal drei statt zehn Kilometer zu joggen. Und wenn das immer noch zu anstrengend ist: die Strecke weiter verkürzen und langsam steigern. Das mag zunächst nicht wie eine große Leistung erscheinen, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung – auch wenn das Ziel in drei Wochen noch nicht erreicht ist. Denn wer daran festhält und dranbleibt, wird besser – egal, wie lange es dauert.
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