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Quantencomputer: Der Nachweis der Quantenüberlegenheit ist Zeitverschwendung

Google hat laut eigener Aussage erneut ein Problem gefunden, das Quantencomputer meistern, an dem aber die besten Supercomputer scheitern. Diese Forschung ist Zeitverschwendung, kommentiert Manon Bischoff.
Bild eines Quantencomputers beziehungsweise des Kryostats
Quantencomputer könnten künftig Probleme in vielen Bereichen lösen – von der Logistik über die Medizin bis hin zur Materialwissenschaft. Ein Nachweis eines Quantenvorteils spielt dabei keine Rolle.

Quantencomputer haben klassische Rechner nun endgültig eingeholt. So lautet zumindest die Botschaft einer heute in der Fachzeitschrift »Nature« erschienenen Arbeit des Google-Quantum-AI-Teams. Es ist nicht das erste Mal, dass eine Forschungsgruppe mit viel Aufwand nach einem Problem sucht, das heutige Quantencomputer deutlich schneller lösen können als die besten Supercomputer. Doch diese Forschungsarbeiten sind vor allem eins: Zeit- und Ressourcenverschwendung.

Bereits 2019 sorgte ein Team von Google Quantum AI für Schlagzeilen, als es verkündete, erstmals die Überlegenheit von Quantencomputern nachgewiesen zu haben. Ihr 54-Qubit-Quantenprozessor hatte eine Aufgabe innerhalb von 200 Sekunden gelöst, für das ein Supercomputer angeblich 10 000 Jahre benötigen würde. Doch kurz darauf dämpfte der konkurrierende Tech-Konzern IBM die Euphorie: Mit dem passenden Algorithmus brauche ein Supercomputer bloß 2,5 Tage. Damit löste sich der von Google prophezeite Quantenvorteil in Luft auf. Hinzu kommt: Das Problem, dem sich die Rechenmaschinen widmeten, hat keinerlei praktischen Nutzen. Es wurde extra konzipiert, um von einem Quantencomputer schnell gelöst werden zu können und herkömmlichen Prozessoren Schwierigkeiten zu bereiten.

In der neuen Studie widmet sich das Team von Google Quantum AI nun einer ähnlich sinnlosen Aufgabe, die es auf einem 67-Qubit-Chip löst. »Leider sind diese Probleme nicht besonders praxisrelevant«, sagt der Quantenphysiker Markus Heinrich von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. »Für solche Probleme gibt es bisher keine ansatzweise überzeugende Demonstration eines Quantenvorteils.« Die braucht es aber auch nicht.

Bereits heute greifen zahlreiche Unternehmen auf Quantencomputer zurück, um komplexe Probleme zu bewältigen. Zum Beispiel nutzt der französische Konzern Vinci Energies diese Maschinen, um die Belüftungs- und Heizungssysteme in Gebäuden zu planen. Mit Quantenalgorithmen erhalten die Firmen schneller teilweise bessere Lösungen als mit herkömmlichen Methoden. Da spielt es keine Rolle, ob ein klassischer Supercomputer mithalten kann – die Quantenlösung funktioniert in diesen konkreten Fällen schon jetzt besser.

Ein Problem ohne Relevanz

Und auch aus wissenschaftlicher Sicht spielt der Nachweis des Quantenvorteils eher keine Rolle. Dass Quantencomputer manche Aufgaben deutlich schneller lösen können als klassische Rechner, ist spätestens seit der bahnbrechenden Arbeit des Mathematikers Peter Shor im Jahr 1994 klar. Shor hatte einen Quantenalgorithmus vorgestellt, der auch extrem große Zahlen in ihre Primteiler zerlegen kann – was es Quantencomputern künftig eventuell ermöglicht, aktuelle Verschlüsselungssysteme zu knacken. Seither haben Fachleute weitere Quantenalgorithmen entwickelt, die beispielsweise die Wirkstoffentwicklung vereinfachen oder komplizierte Optimierungsprobleme erstaunlich gut bewältigen können.

Aus mathematischer Sicht fehlt hingegen bis heute ein eindeutiger Beweis, dass Quantencomputer tatsächlich Probleme knacken können, die gewöhnliche Rechner nicht knacken. Denn bisher ist nicht völlig ausgeschlossen, dass auch klassische Computer irgendwann derartige Aufgaben lösen – auch wenn in der Fachwelt kaum jemand daran glaubt. Entsprechend wäre ein solcher Beweis eine Sensation. Die Fragestellung hängt nämlich mit dem »heiligen Gral der Informatik« zusammen, dem so genannten P-NP-Problem. Es beschäftigt sich mit der grundlegenden Frage, wie effizient klassische Computer welche Arten von Aufgaben lösen können. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die klügsten Köpfe daran die Zähne ausgebissen – und bisher sind alle gescheitert.

Es wäre besser, die Bemühungen in die Entwicklung von Quantenalgorithmen zu stecken, die reale Probleme lösen

Doch diese Frage kann das Google-Quantum-AI-Team mit der neuen Arbeit nicht beantworten. Dort wird lediglich ein Problem vorgestellt, bei dessen Lösung aktuelle Supercomputer mit heute bekannten Algorithmen versagen. (Sie brauchen für die Berechnung lediglich sehr lange – das bedeutet nicht, dass sie es nicht lösen können.) Damit legen die Google-Forscher zwar dar, welche Arten von Berechnungen die noch nicht ausgereiften und fehleranfälligen Quantenmaschinen machen können. Doch es wäre besser, die Bemühungen in die Entwicklung von Quantenalgorithmen zu stecken, die reale Probleme lösen, etwa im Bereich der Medizin oder der Materialwissenschaft. Damit wäre der Menschheit definitiv mehr geholfen.

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