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Gute Nacht - die Kolumne für besseren Schlaf: Wie gesund sind Klarträume?

Wer Träume steuern kann, der fliegt nachts durch den Himmel, bricht aus quälenden Horrorvisionen aus, trainiert für den Sport und erfüllt sich geheime Wünsche. Klarträumen kann man lernen. Nur übertreiben sollte man es damit nicht.
Ein Kind tritt in einer düsteren Traumwelt durch eine hell erleuchtete Tür.
In einem verstörenden Traum die Kontrolle zurückzugewinnen, nimmt dem Nachtmahr oft seinen Schrecken.

Träume können gruselig sein, quälend, erschreckend. Aber sie können auch interessant sein, neugierig machen. Sie können uns Rätsel aufgeben – so sehr, dass wir davon wach werden. Sie können uns vorgaukeln, wir seien bereits wach: Für viele Menschen ist das ein besonders quälender Albtraum.

Und manchmal passiert irgendetwas dazwischen: Das Bewusstsein ist aktiv – der Traum aber auch noch. Klartraum oder auch luzides Träumen nennt sich dieser Zustand. Das Gehirn schickt einen Traum und das Bewusstsein kann aktiv mitgestalten. Die Schlafenden sind sich bewusst, dass sie träumen. Und sie können – manchmal, nicht immer – den Traum beeinflussen, über Städte fliegen oder Darts spielen.

Aktive Traumgestaltung ist besonders für Eltern ein spannendes Thema. Leiden Kinder an Albträumen, kann sie das sehr belasten. Manchmal entsteht eine Angst vor der Nacht – und natürlich vor dem Alleinsein. Es hilft, Träume umzuerzählen. Dabei wird ein wiederkehrender Albtraum zur Geschichte, aber mit einer freundlichen Umdeutung: Der Löwe schleicht ums Haus, ist riesengroß mit scharfen Zähnen, aber er hat Zahnweh und möchte lieb in den Arm genommen werden, damit er endlich maunzend einschlafen kann.

Das ist noch kein Klartraum, aber ein Schritt in die entscheidende Richtung: Wir sind unseren Träumen nicht ausgeliefert. Tatsächlich können wir lernen, sie aktiv zu beeinflussen.

Luzides Träumen lernen

Es gibt wissenschaftlich geprüfte Techniken, mit denen Menschen das luzide Träumen innerhalb weniger Tage lernen sollen. Sie alle basieren darauf, neue Gewohnheiten zu entwickeln, die sich dann auch im Traum zeigen.

Eine dieser Techniken ist die »Mnemonic Induction of Lucid Dreams« (MILD). Dabei setzen sich Menschen eine sehr gezielte Intention, die sie sich immer wieder deutlich machen. Zum Beispiel: »Wenn ich das nächste Mal träume, werde ich mir bewusst machen, dass ich träume.« Die Idee: Wenn dieser Satz so sehr zur Gewohnheit geworden ist, dass er auch aufpoppt, wenn Menschen mitten in der Nacht kurz aufwachen und danach weiterschlafen, könnte der nächste Traum ein luzider sein.

Beim Reality Testing (RT) sollen Menschen im Laufe ihres Tages immer wieder ihre Umgebung betrachten und dabei einen Test durchführen, der eindeutig belegt, dass sie nicht träumen. Sie schauen zum Beispiel in den Spiegel und prüfen, ob das Spiegelbild aussieht, wie es soll. Oder sie testen, ob sich bestimmte Objekte so verhalten, wie man es von ihnen erwarten würde – ob zum Beispiel ein festes Objekt nicht durch ein anderes festes Objekt geschoben werden kann. Derartige Tests könnten einen Traum offenbaren, weil das Gehirn im Schlaf Schwierigkeiten hat, Spiegelbilder wiederzugeben oder physikalische Gesetze richtig anzuwenden.

Die SSILD- oder »Senses Initiated Lucid Dream«-Technik setzt ebenfalls an, wenn Menschen mitten in der Nacht aufwachen. Dann sollen sie ihre Aufmerksamkeit zwischen visuellen, auditiven und körperlichen Reizen bewegen, bevor sie wieder einschlafen.

Schlafforschende bringen ihren Testpersonen diese Techniken auch bei, um luzide Träume zu untersuchen. Die Ergebnisse sind jedoch gemischt: Manchmal funktionierten die Techniken, manchmal nicht, und häufig entsprachen die Untersuchungen nicht den geltenden wissenschaftlichen Standards. Zusammenfassend könnten wir sagen: Wer fleißig übt, hat eine Chance. Nun gilt noch zu klären, ob und für wen das eine gute Idee ist.

Schlauer träumen, mehr Leistung

In der Behandlung von Albträumen ist das luzide Träumen tatsächlich ein interessanter Ansatz. Eine Übersichtsarbeit von 2019 fasst Fallstudien zusammen, in denen häufig Verbesserungen beobachtet wurden – die aber jeweils nur wenige Teilnehmende hatten. In der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTSD) zeigte sich das luzide Träumen als hilfreich, wenn es gelang, die Kontrolle über die Inhalte des Traums zu übernehmen.

Auch als Ergänzung zur Gestalttherapie bei Albträumen hat sich eine Schulung in luzidem Träumen bewährt. In einer kleinen Studie waren die Teilnehmenden über die Physiologie des Schlafs aufgeklärt worden, über Träume informiert und dann aufgefordert, ein Traumtagebuch zu führen. Sie bekamen außerdem Zugang zu verschiedenen Techniken, aus denen sie wählen konnten. 75 Prozent der Teilnehmenden, also 12 von 16 berichteten, das luzide Träumen erfolgreich erlernt zu haben.

In einer weiteren Untersuchung prüften Fachleute, ob es möglich ist, in luziden Träumen Bewegungsabläufe zu trainieren. Beim Darts hat das tatsächlich für einige Teilnehmende funktioniert.

Auch das Bewusstsein möchte irgendwann einmal schlafen

Diese Beispiele klingen aussichtsreich. Ihnen gemein ist jedoch die intensive Begleitung der Testpersonen: Sie erlernten das luzide Träumen im Rahmen einer Therapie oder wurden in kleinen Studien betreut.

Die Bewusstseinsforscherin Nirit Soffer-Dudek gibt dagegen zu bedenken, dass Schlafqualität und die Fähigkeit, zwischen Wachen und Träumen unterscheiden zu können, in der Debatte um luzide Träume bislang nicht ausreichend berücksichtigt würden: Luzides Träumen »ist ein hybrider Schlaf-wach-Status, mit gesteigerter Aktivität in frontalen Gehirnbereichen, die während des Schlafens normalerweise unterdrückt sind«, schreibt sie unter Bezug auf eine deutsche Untersuchung, bei der erfahrene luzide Träumer mit EEG und fMRI überwacht wurden.

Unter anderem waren die vier Testpersonen in der Lage, ihre Augen und Hände außerhalb der Traumwelt zu steuern, während sie träumten. Zusätzlich beobachteten die Schlafforschenden Aktivität, die auf das Arbeitsgedächtnis und Selbstwahrnehmung hindeuten. Das bedeutet: Bereiche des Gehirns, die bei Nacht und insbesondere im Traum nicht aktiv sein sollten, sind während des luziden Träumens aktiv.

Ob für das Lernen, die Laune oder die Gesundheit – guter Schlaf ist lebenswichtig. Doch leider klagen viele Menschen über Schlaflosigkeit oder Schlafprobleme. In der Kolumne »Gute Nacht – die Kolumne für besseren Schlaf« gehen wir regelmäßig auf Hintergründe zum Thema Schlaf ein und geben Tipps, wie Sie (wieder) besser ein- und durchschlafen.

Eine weitere Belastung für die Schlafqualität liege Soffer-Dudek zufolge darin, dass das luzide Träumen häufig ein nächtliches Erwachen voraussetze. In einer Untersuchung mit ihren Studierenden beobachtete sie, dass intensives luzides Träumen in Verbindung mit verringerter mentaler Gesundheit stand. Einen der Gründe sieht sie darin, dass schon der Versuch, die Träume zu steuern, den ebenfalls gut erforschten Ratschlägen zur Schlafhygiene widerspreche.

In der Konsequenz verwische die Grenze zwischen Wachen und Träumen, warnt die Psychologin. Schläfrigkeit am Tag und Erregung in Traumphasen brächten den Tag-Nacht-Rhythmus des Körpers durcheinander. So berichteten einige Klarträumende von Dissoziationen und Schizotypie – sie fühlten sich also von sich selbst und anderen entfernt, Zwischenmenschliches fiel ihnen schwerer.

Soffer-Dudek stellt die Frage, die sich bei vielen Eingriffen in den Schlaf stellt: »Ist es das wert?« Während wir diese Frage bei quälenden Albträumen eher bejahen können, sollten wir bei Traumausflügen als Hobby oder Partygag vielleicht lieber noch einmal nachdenken, ob sich das wirklich lohnt. Auch das Bewusstsein möchte irgendwann einmal schlafen.

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