Angemerkt!: Heiße Gefechte
Der Nationale Ethikrat hat sich kurz vor dem Ende seiner Amtszeit ein letztes Mal mit der Stammzellforschung befasst – und ein äußerst gespaltenes Votum abgegeben: 14 Mitglieder sind für eine massive Liberalisierung der Beschaffung von embryonalen Stammzellen aus dem Ausland, zehn sind dagegen. In Politik und Medien mehren sich die Beschwerden: Was soll man mit einem derart gespaltenen Votum anfangen?
Die Debatten im Nationalen Ethikrat zeigen, dass auch fünf Jahre nach der Verabschiedung des Stammzellgesetzes die Konflikte keineswegs ausgetragen sind. Es gibt schlicht und ergreifend ein Problem widerstreitender Rechte: das Recht auf Leben und Menschenwürde der Embryonen sowie das Recht der Forschungsfreiheit deutscher Wissenschaftler, die embryonale Stammzellen für Grundlagenstudien benötigen. Aus Deutschland können sie solche pluripotenten Zellen nicht bekommen, denn hier verbietet das Embryonenschutzgesetz von 1991 eine entsprechende Verwendung.
Stammzellgesetz ist veraltet
2002 versuchte der Gesetzgeber das Dilemma mit einer Stichtagsregelung zu lösen, die sicherstellte, dass deutsche Forscher embryonale Stammzelllinien aus dem Ausland erhalten, ohne mit ihrer Nachfrage zur Vernichtung weitere Embryonen beizutragen. Doch der damalige Kompromiss war von Anfang an nur eine Lösung auf Zeit. Heute zwingt er die deutschen Forscher, sich mit Stammzelllinien zu begnügen, die in Expertenkreisen als gänzlich veraltet und verunreinigt gelten. Die Mehrheit der ausländischen Wissenschaftler arbeitet mit neueren Linien, von denen es inzwischen über 500 gibt – Material, das deutschen Forschern verwehrt bleibt. Das kommt de facto einem Arbeitsverbot gleich. Schon allein darum muss das Gesetz geändert werden.
Eine Neugestaltung der Richtlinien könnte sich allerdings äußerst schwierig gestalten. Schon 2002 waren die Fronten der unterschiedlichen Lager verhärtet, eine Annäherung nahezu unmöglich. Moralische Positionen kennen eben keine Kompromisse. Die politische Lösung blieb letztlich ein Spagat, der unvereinbare Positionen zu verbinden sucht. Das konnte nicht zufrieden stellend gelingen, und so schwelt die Frustation in beiden Lagern im Stillen weiter.
Der Mehrheitsvorschlag des Ethikrats versucht dieser Stimmung nun Rechnung zu tragen. Er will den mühsam ausgehandelten Kompromiss retten, indem er beide Seiten berücksichtigt: den Forschern besseren Zugang zu embryonalen Stammzellen zu verschaffen und den Lebensschützern die Gewissheit zu geben, dass durch deutsche Veranlassung keine Embryonen geopfert werden – wohl wissend freilich: Deren Verbrauch ist in ihren Heimatländern völlig legal und gesellschaftlich akzeptiert.
Wider die Doppelmoral
Dieser Ansatz ist löblich. Aber er löst nicht das eigentliche Problem, das einige Beobachter zu Recht als Doppelmoral geißeln: Einerseits will sich Deutschland nicht am Verbrauch von Embryonen beteiligen, andererseits will es auch nicht daneben stehen, wenn andere die Früchte aus der Forschung an deren Zellen nutzen. In der verbrauchenden Embryonenforschung gibt es aber keine weißen Westen. Hier wird das Gut des embryonalen Lebens der Hoffnung auf die Gesundheit anderer geopfert: Die Langzeitziele der Stammzellforschung sind bekanntlich medizinische Therapien etwa bei der Parkinson-Krankheit oder bei Diabetes. Die Deutschen allerdings wollen Forschungs- und Heilerfolge, ohne sich an der zu Grunde liegenden Tötung die Hände schmutzig zu machen.
Genau gegen diese Doppelmoral zieht die Minderheit des Nationalen Ethikrats zu Felde, die sich gegen eine Novellierung des Stammzellgesetzes wendet. Sie warnt, dass die Richtlinie nicht angetastet werden könne, ohne sich endlich einmal auch dem Rattenschwanz an Folgeproblemen zu stellen: Wenn man liberalisieren will, so sagen sie, müsse man auch die entsprechenden Konsequenzen tragen – und sich fragen, ob das Verbot des Embryonenverbrauchs überhaupt aufrecht erhalten werden könne.
Heiße Debatten im Bundestag
Moralisch gesehen ist diese Haltung konsequent, und auf lange Sicht wird der Bundestag um eine weit gehende Liberalisierung der verbrauchenden Embryonenforschung nicht herumkommen. Angesichts der derzeitigen politischen Lager dürfte jedoch eine solche Kompromisslosigkeit aktuell nicht durchzusetzen sein. Dennoch hat der Nationale Ethikrat bereits Bewegung in die Politik gebracht: SPD und Union zeigten sich gestern offen für eine Änderung der Stichtagsregelung.
Doch bei der Frage, wie diese Änderung aussehen soll, scheiden sich bereits die Geister. Und wenn schon die Debatten im Nationalen Ethikrat nicht zu einer einvernehmlichen Stellungnahme führen, so kann man sich ausmalen, wie die Debatten im Bundestag ablaufen werden. Es wird vermutlich ein Herbst der heißen Gefechte.
Die Debatten im Nationalen Ethikrat zeigen, dass auch fünf Jahre nach der Verabschiedung des Stammzellgesetzes die Konflikte keineswegs ausgetragen sind. Es gibt schlicht und ergreifend ein Problem widerstreitender Rechte: das Recht auf Leben und Menschenwürde der Embryonen sowie das Recht der Forschungsfreiheit deutscher Wissenschaftler, die embryonale Stammzellen für Grundlagenstudien benötigen. Aus Deutschland können sie solche pluripotenten Zellen nicht bekommen, denn hier verbietet das Embryonenschutzgesetz von 1991 eine entsprechende Verwendung.
Stammzellgesetz ist veraltet
2002 versuchte der Gesetzgeber das Dilemma mit einer Stichtagsregelung zu lösen, die sicherstellte, dass deutsche Forscher embryonale Stammzelllinien aus dem Ausland erhalten, ohne mit ihrer Nachfrage zur Vernichtung weitere Embryonen beizutragen. Doch der damalige Kompromiss war von Anfang an nur eine Lösung auf Zeit. Heute zwingt er die deutschen Forscher, sich mit Stammzelllinien zu begnügen, die in Expertenkreisen als gänzlich veraltet und verunreinigt gelten. Die Mehrheit der ausländischen Wissenschaftler arbeitet mit neueren Linien, von denen es inzwischen über 500 gibt – Material, das deutschen Forschern verwehrt bleibt. Das kommt de facto einem Arbeitsverbot gleich. Schon allein darum muss das Gesetz geändert werden.
Eine Neugestaltung der Richtlinien könnte sich allerdings äußerst schwierig gestalten. Schon 2002 waren die Fronten der unterschiedlichen Lager verhärtet, eine Annäherung nahezu unmöglich. Moralische Positionen kennen eben keine Kompromisse. Die politische Lösung blieb letztlich ein Spagat, der unvereinbare Positionen zu verbinden sucht. Das konnte nicht zufrieden stellend gelingen, und so schwelt die Frustation in beiden Lagern im Stillen weiter.
Der Mehrheitsvorschlag des Ethikrats versucht dieser Stimmung nun Rechnung zu tragen. Er will den mühsam ausgehandelten Kompromiss retten, indem er beide Seiten berücksichtigt: den Forschern besseren Zugang zu embryonalen Stammzellen zu verschaffen und den Lebensschützern die Gewissheit zu geben, dass durch deutsche Veranlassung keine Embryonen geopfert werden – wohl wissend freilich: Deren Verbrauch ist in ihren Heimatländern völlig legal und gesellschaftlich akzeptiert.
Wider die Doppelmoral
Dieser Ansatz ist löblich. Aber er löst nicht das eigentliche Problem, das einige Beobachter zu Recht als Doppelmoral geißeln: Einerseits will sich Deutschland nicht am Verbrauch von Embryonen beteiligen, andererseits will es auch nicht daneben stehen, wenn andere die Früchte aus der Forschung an deren Zellen nutzen. In der verbrauchenden Embryonenforschung gibt es aber keine weißen Westen. Hier wird das Gut des embryonalen Lebens der Hoffnung auf die Gesundheit anderer geopfert: Die Langzeitziele der Stammzellforschung sind bekanntlich medizinische Therapien etwa bei der Parkinson-Krankheit oder bei Diabetes. Die Deutschen allerdings wollen Forschungs- und Heilerfolge, ohne sich an der zu Grunde liegenden Tötung die Hände schmutzig zu machen.
Genau gegen diese Doppelmoral zieht die Minderheit des Nationalen Ethikrats zu Felde, die sich gegen eine Novellierung des Stammzellgesetzes wendet. Sie warnt, dass die Richtlinie nicht angetastet werden könne, ohne sich endlich einmal auch dem Rattenschwanz an Folgeproblemen zu stellen: Wenn man liberalisieren will, so sagen sie, müsse man auch die entsprechenden Konsequenzen tragen – und sich fragen, ob das Verbot des Embryonenverbrauchs überhaupt aufrecht erhalten werden könne.
Heiße Debatten im Bundestag
Moralisch gesehen ist diese Haltung konsequent, und auf lange Sicht wird der Bundestag um eine weit gehende Liberalisierung der verbrauchenden Embryonenforschung nicht herumkommen. Angesichts der derzeitigen politischen Lager dürfte jedoch eine solche Kompromisslosigkeit aktuell nicht durchzusetzen sein. Dennoch hat der Nationale Ethikrat bereits Bewegung in die Politik gebracht: SPD und Union zeigten sich gestern offen für eine Änderung der Stichtagsregelung.
Doch bei der Frage, wie diese Änderung aussehen soll, scheiden sich bereits die Geister. Und wenn schon die Debatten im Nationalen Ethikrat nicht zu einer einvernehmlichen Stellungnahme führen, so kann man sich ausmalen, wie die Debatten im Bundestag ablaufen werden. Es wird vermutlich ein Herbst der heißen Gefechte.
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