Direkt zum Inhalt

Gute Nacht – die Kolumne für besseren Schlaf: Wie lange müssen wir wirklich schlafen?

Acht Stunden, zehn oder nur vier – unzählige Tipps und Theorien kursieren über die richtige Schlafdauer. Viele enthalten ein Körnchen Wahrheit, doch guter Schlaf lässt sich nicht auf eine Zahl reduzieren.
Eine Person liegt nachts im Bett, im Vordergrund ein Wecker.
Die richtige Schlafdauer lässt sich nicht auf eine einzelne Zahl reduzieren.

Einfach mal wieder acht Stunden durchschlafen – das wünschen sich, gern begleitet von einem Stoßseufzer, viele Menschen. Doch kurzer Schlaf ist eigentlich das spannendere Phänomen, und wahrscheinlich das gesündere. Denn mit kurzem Schlaf können Sie spielen. Und vor allem können Sie Schlafstörungen entgegenwirken. Wir müssen deshalb über den Mythos sprechen, nur langer Schlaf sei gesunder Schlaf.

Eine Tiktokerin befand im Jahr 2024 sogar, Frauen müssten neun bis zehn Stunden pro Nacht schlafen – allerdings argumentierte sie auf Basis eigener Überlegungen und frei von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Grundsätzlich können wir sagen: Gesunde Menschen schlafen im Schnitt etwa sieben Stunden pro Nacht. So empfehlen es etwa die American Academy of Sleep Medicine und die Sleep Research Society im »Journal of Clinical Sleep Medicine«.

Abweichungen von diesem Wert sind normal und erwünscht. Fehlt Schlaf aus der vergangenen Nacht, kann ein Teil davon nachgeholt werden. Auch Infekte können den Schlaf verlängern, vermittelt durch Zytokine. Dieser verlängerte Schlaf hilft dem Körper, die Erkrankung zu bekämpfen. Wer dagegen trotz Infekt weniger als sechs Stunden in der Nacht schläft, hat mit Erkrankungen wie Covid vermutlich etwas länger zu kämpfen. Länger schläft oft ebenfalls, wer sich mehr bewegt, wobei dieser Effekt sich bei häufigem intensivem Training auch umkehren kann.

Schlaf muss nicht immer gleich sein

In aufregenden Zeiten schlafen wir dagegen weniger. Diese Eigenschaft haben wir von unseren Vorfahren geerbt: Der Organismus will sich fortpflanzen und nicht gefressen werden. Ein innerer Erregungszustand kann dafür sorgen, dass wir wach bleiben oder nachts aufwachen. Und weil nur die wenigsten von uns davon bedroht sind, gefressen zu werden, sprechen wir dann von einer Schlafstörung.

Das bringt uns zur Schlafeffizienz. Dieser Begriff klingt technisch, ist für das Verständnis der eigenen Nächte aber wichtig. Die alte Regel von den acht Stunden nämlich bezieht sich auf die Liegezeit, nicht den Schlaf selbst. Das Verhältnis von Schlaf zu Liegezeit bezeichnet man als Schlafeffizienz. Wer um 21.30 Uhr ins Bett geht und noch bis nach Mitternacht wach bleibt, hat eine geringe Schlafeffizienz. So kann jemand nach zehn Stunden im Bett eine geringere Schlafeffizienz und Schlafdauer aufweisen als jemand nach 7,5 Stunden Liegezeit.

Eine geringe Schlafeffizienz ist nichts Negatives, solange Sie sich erholt fühlen und mit Ihrem Schlaf zufrieden sind. Manche Menschen liegen einfach gern wach im Bett, es sei ihnen gegönnt. Wenn Sie aber nach einigen Stunden des Wachliegens ins Kissen schreien und die Welt hassen, ist das ein Problem. Und dann ist eine kürzere Liegezeit besser. Und kürzerer Schlaf vielleicht auch.

Lob des kurzen Schlafs

Bei den meisten Schlafstörungen ist das Mittel der Wahl zunächst, die Liegezeit radikal zu verkürzen. Das führt erst einmal dazu, dass man kürzer schläft. Dabei kommt es nicht auf die genauen Minuten oder Stunden an, um die man weniger liegt, denn selbst wer innerhalb eines Tages sieben Stunden schläft, kann von langen Einschlafzeiten oder frühem Erwachen belastet sein. Die Liegezeit verkürzt man, um die Sicherheit zurückzugewinnen, im eigenen Bett gut schlafen zu können. Dazu darf man durchaus drastische Maßnahmen ergreifen: spät ins Bett, sechs Stunden Liegezeit und dann aufstehen, egal, was war. So bessern sich die Schlafstörungen meist schon nach wenigen Tagen.

Ob für das Lernen, die Laune oder die Gesundheit – guter Schlaf ist lebenswichtig. Doch leider klagen viele Menschen über Schlaflosigkeit oder Schlafprobleme. In der Kolumne »Gute Nacht – die Kolumne für besseren Schlaf« gehen wir regelmäßig auf Hintergründe zum Thema Schlaf ein und geben Tipps, wie Sie (wieder) besser ein- und durchschlafen.

Und jetzt wird es spannend. Wenn man danach die Liegezeit nach und nach wieder verlängert, kommt der Körper irgendwann bei der Schlafzeit an, die er im Alltag braucht. Und die ist möglicherweise geringer als erwartet. Menschen schlafen unterschiedlich. Und vielleicht haben Sie genau deshalb so schlecht geschlafen, weil Sie eine Schlafdauer erwartet haben, die Ihr Körper nicht nötig hat. Aus der Sorge, nicht genug zu schlafen, entstand die Erregung, aus der Erregung die Schlaflosigkeit. Doch kurzer Schlaf kann sehr gesund sein – wenn er zur eigenen Person passt.

Den wenigsten Schlaf brauchen Menschen mit bestimmten Genvarianten. Formen von DEC2 und ADRB1gelten als Verursacher extrem kurzen Schlafs, berichtet ein Team um die Humangenetikerin Ying-Hui Fu in der Fachzeitschrift »Neuron«. Diese Menschen sind grundsätzlich sehr gesund. Nach vier bis sechs Stunden Schlaf sind sie fit für den Tag. Die Mutation wird autosomal dominant vererbt. Das bedeutet: Ist ein Elternteil Träger, erbt jedes Kind die Eigenschaft mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent.

Experimentieren Sie!

Wie viele Menschen Träger der Genvarianten sind, wissen wir nicht. Fu bezeichnet sie als »selten«. Experimenten, bei denen man die Schlafzeit ohne konkreten Anlass extrem verkürzt, stehe ich daher kritisch gegenüber. Es stimmt, dass der Schlaf in der Regel besser wird, wenn Menschen weniger Zeit im Bett verbringen. Wer einen festen, aber leicht verkürzten Schlafrhythmus etabliert hat, könnte sogar eine verbesserte Schlafarchitektur haben. Tiefschlaf und REM-Schlaf wären dann besser an die Bedürfnisse angepasst, ihr Anteil gegenüber dem Leichtschlaf erhöht. Hier bewegen wir uns allerdings nicht im Bereich von vier Stunden, sondern eher zwischen sechs und sieben. Eine solche Schlafzeit kann sehr erholsam sein.

Eine bewusste Verkürzung des Schlafs können Sie ausprobieren, indem Sie für einige Tage diszipliniert sind. Setzen Sie sich feste Zeiten, zu denen Sie ins Bett gehen und aufstehen. Wählen Sie eine Liegedauer, die etwa eine halbe Stunde unter der Zeit liegt, die Sie üblicherweise im Schlaf verbringen – hier reicht eine grobe Schätzung. Ganz wichtig: Ignorieren Sie Nächte mit schlechtem Schlaf. Die zählen nicht! Versuchen Sie es am nächsten Abend wieder.

Fehlt Ihnen aus der Nacht davor gefühlt viel Schlaf – also so viel, dass Sie es tagsüber körperlich, kognitiv und emotional merken –, dann legen Sie sich etwas eher hin, behalten Sie Ihre Aufstehzeit jedoch bei. Und wenn Sie nicht ausgeschlafen sind, fahren Sie nicht Auto. Gerade in den ersten Tagen einer Schlafverkürzung rate ich dringend, den Straßenverkehr anderen zu überlassen.

Sie werden nach wenigen Tagen merken, wie es Ihnen mit dem Experiment geht und was Sie anpassen möchten. Ihre Erkenntnisse werden eine Momentaufnahme sein: Jetzt gerade, in dieser Lebenssituation, mit dieser Ernährung, diesen Aktivitäts- und Stressleveln, in dieser Jahreszeit tut Ihnen eine bestimmte Schlafenszeit gut. Bleiben Sie flexibel. Und wenn Sie wieder einmal nicht gut schlafen: zurück zum Experiment. Sie haben mehr Einfluss, als Sie vielleicht denken. Und kurzer selbstbestimmter Schlaf kann Ihnen mehr Erholung bringen als lange Stunden wach im Bett.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.