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Storks Spezialfutter: Weniger Parkplätze – für mehr Park und mehr Plätze

Eine »autoarme« Innenstadt wäre schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung, findet unser Kolumnist, dem eine Reise zeigte, wo Deutschland hinterherhinkt.
Superblocks in Barcelona
In Barcelona wurden Blocks zu »Superblocks« zusammengeschlossen. Das Innere ist für den Autoverkehr gesperrt. Solche grünen Inseln erhöhen nicht nur die Lebensqualität, sondern helfen auch gegen Hitze in der Stadt.
Der Welt steht ein Umbruch bevor – ob die Menschheit will oder nicht: Landwirtschaft, Verkehr und Energiegewinnung müssen nachhaltig und fit für den Klimawandel werden, gleichzeitig gilt es, eine wachsende Weltbevölkerung mit wachsenden Ansprüchen zu versorgen. Was bedeutet das für uns und unsere Gesellschaft? Und was für die Umwelt und die Lebewesen darin?
In »Storks Spezialfutter« geht der Umweltjournalist Ralf Stork diesen Fragen einmal im Monat auf den Grund.

In diesem Sommer, der erst weit im September sein Ende gefunden hat, bin ich von Berlin mit Bus und Bahn und vielen Abstechern bis an die Atlantikküste Marokkos gefahren. Zu den Erkenntnissen, die ich dabei gewonnen habe, gehören folgende:

Die Schnellzüge in Spanien und Marokko fahren nicht nur pünktlicher. Das ganze Bahnsystem ist deutlich besser organisiert als der Fernverkehr der Deutschen Bahn.

So gut das Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln auch funktioniert, in ländlichen Regionen stößt es an seine Grenzen und macht das Auto zu einem fast alternativlosen Verkehrsmittel, um von A nach B zu gelangen.

Eine dritte Erkenntnis: Irgendwann, schon fast am Ende der Reise, fiel mir auf, dass an den meisten Orten, an denen wir unterwegs waren, kaum Autos fuhren. Und ich bemerkte, wie wohltuend das für Körper und Geist war.

Zufällig hatte ich auf der Reise einige Orte angesteuert, die in Sachen autofreie beziehungsweise autoarme Innenstädte als Pioniere vorangehen: In Paris konnte ich kurz vor den Olympischen Spielen bequem mit dem Leihrad zum Eiffelturm radeln. Das Radwegenetz hat sich von 2001 bis 2021 von rund 200 Kilometern auf 1094 Kilometer mehr als verfünffacht, in der Innenstadt gilt fast überall Tempo 30, und die Schnellstraße Voie Georges-Pompidou direkt an der Seine wurde in eine Flaniermeile umgewandelt. In Barcelona, einer zweifelsohne sehr schönen, aber auch extrem dicht bebauten Stadt, wurden jeweils neun Häuserblocks zu so genannten Superblocks zusammengeschlossen, aus denen Autos weitgehend verbannt sind. In der Surfer-Hauptstadt Tarifa am südlichsten Zipfel Europas, in Tanger auf der gegenüberliegenden Seite der Straße von Gibraltar und in Marrakesch ist in den engen Straßen der Altstädte ohnehin kein Platz für Autos. Ohne fahrende und parkende Autos blieb so viel mehr Platz für Cafés, Marktstände, spielende Kinder – öffentlicher Raum, der von Fußgängern aller Art genutzt werden konnte. Herrlich.

Zähfließende Verkehrswende

Zurück in Deutschland sehe ich nicht nur die doofen Einlassungen der FDP zum Thema autovolle Innenstadt. Ich sehe auch, wie sich der Berufsverkehr morgens durch die Hauptstraßen in meinem Kiez quält und dass jede Straße komplett links und rechts mit Autos zugeparkt ist. Beim Thema Verkehrswende sind andere Länder offenbar deutlich weiter.

Ich bin zwar selbst Autofahrer und fahre durchaus mal kürzere Strecken mit dem Wagen, wenn das Wetter schlecht und die Bequemlichkeit groß ist. Aber mit dem gleichen Eigeninteresse frage ich mich, ob nicht auch in Deutschland die Städte autofreier werden können – und müssen. Oder bremst die Transformationsmüdigkeit, die weite Teile der Bevölkerung erfasst zu haben scheint, nun ebenfalls die Verkehrswende aus?

»Die autoarme Stadt wird kommen, da führt kein Weg dran vorbei«, sagt Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe »Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung« am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Seit mehr als 30 Jahren forscht er schon zum Thema Mobilität.

»Untersuchungen in dicht besiedelten Städten wie München, Hamburg, Berlin, Köln und Düsseldorf haben gezeigt, dass für Anwohner und Anwohnerinnen die Belastung durch den Straßenverkehr schwerer wiegt als die Annehmlichkeiten, die ein eigener Pkw vor der Haustür mit sich bringt«, sagt Knie. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos sind 53 Prozent der Befragten in Deutschland der Meinung, dass der Radverkehr bei neuen Straßen- und Verkehrsinfrastrukturprojekten in der eigenen Region gegenüber Autos bevorzugt werden sollte. Gleichzeitig scheint für viele die Zustimmung zur autoarmen Innenstadt an Verbesserungen im Nahverkehr geknüpft zu sein.

Skandalös günstige Parktickets

Die einfachsten Hebel, um die innerstädtische Verkehrswende voranzubringen, sind laut Andreas Knie die Parkflächen: »Mit einer Reduzierung der Parkflächen und einer konsequenten Bewirtschaftung der verbliebenen Parkplätze ließe sich der Pkw-Verkehr in der Stadt deutlich reduzieren. So kommt eine Untersuchung für Baden-Württemberg zu dem Ergebnis, dass durch eine deutliche Erhöhung der Parkgebühr (von einem auf vier Euro pro Stunde) der Autoverkehr in der Stadt um mehr als 40 Prozent reduziert würde.

Jedes Auto steht durchschnittlich ohnehin 23 Stunden am Tag ungenutzt in der Gegend herum. Und das Parken in der Stadt ist im europäischen Vergleich geradezu skandalös günstig. Mit einem Bewohner-Parkausweis können Autobesitzer in Berlin für eine Gebühr von 10,40 Euro ein Jahr lang kostenlos in der Nähe ihrer Wohnung parken. Am meisten kostet der Bewohner-Parkausweis in Deutschland in Bonn (360 Euro), gefolgt von Münster (260 Euro) und Kaiserslautern (200 Euro). In den teuersten Stadtvierteln Londons dagegen kostet das Bewohnerparken mehr als 3000 Euro, in Stockholm rund 1000 Euro und in Kopenhagen bis 772 Euro im Jahr.

»Wenn man es schaffte, viele der parkenden Autos aus der Innenstadt herauszubekommen, entstünde viel neuer Raum für Fahrrad- und Fußgängerwege, für Grünflächen und Ruhezonen«, sagt Knie.

Seiner Überzeugung nach dauert es nicht mehr lange, bis auch die Städte in Deutschland ihren Rückstand aufholen und für deutlich autoärmere Zentren sorgen. Seit der Corona-Pandemie würden die Stadtverwaltungen Konzepte zu autoärmeren Innenstädten intensiv vorantreiben. »Dafür gibt es objektive Gründe: Die Innenstädte veröden, der Fahrradverkehr hat in den vergangenen Jahren in den meisten Städten deutlich zugenommen, dafür braucht es mehr Platz.«

Pläne für eine Reduzierung des Autoverkehrs in den Zentren sind in allen Städten vorhanden. Noch stockt es allerdings bei der konkreten Umsetzung.

Seit ein, zwei Jahren ist ein weiterer Faktor in den Vordergrund gerückt, der die Umsetzung beschleunigen könnte: »Wegen des Klimawandels brauchen die Städte zusätzliche Grünflächen, die sich bei Hitze nicht so stark aufheizen und die bei Starkregen das Wasser speichern können«, sagt Knie. Um Platz für das zusätzliche Grün zu schaffen, müssen Parkplätze weichen. In vielen Städten gebe es dafür schon konkrete Planungen.

»In vier oder fünf Jahren werden wir in Sachen autoarme Innenstädte in Deutschland ganz erhebliche Fortschritte gemacht haben«, ist Knie sich sicher.

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