Quantencomputer: Warum der Nachweis des Quantenvorteils doch wichtig ist
Die größte Herausforderung beim Bau von Quantencomputern sind die Recheneinheiten. Denn so genannte Qubits sind äußerst zerbrechlich und produzieren bei den Berechnungen Fehler. Diese Realität haben Seth Lloyd und Peter Shor zunächst einmal ignoriert, als sie in den 1990er Jahren die ersten beeindruckenden Quantenalgorithmen vorstellten. Demnach sollen sich Quantencomputer eignen, um verschiedenste physikalische Systeme zu simulieren oder um aktuell genutzte Verschlüsselungssysteme zu knacken. Bis heute sind das die einzigen wirklich überzeugenden Argumente dafür, dass Quantencomputer klassischen Rechnern überlegen sein könnten. Die Hoffnung, dass sich dieser Vorteil in die Praxis übertragen lässt, treibt bis heute das Forschungsfeld an. Daher wäre der Nachweis eines Quantenvorteils eine Sensation – und keineswegs Zeitverschwendung, wie Manon Bischoff in einem »Spektrum«-Kommentar argumentierte.
Einen rechnerisch nutzbaren Quantencomputer zu bauen, ist kein Spaziergang. Eher ist es eine langwierige Expedition. Das lässt sich mit einer Mission vergleichen, die Leben auf dem Mars suchen soll. Eine solche Unternehmung ist zwar nach allem, was wir wissen, möglich, doch dafür muss die Menschheit bekannte Hindernisse überwinden, und zusätzlich eine Reihe von unvorhersehbaren Hürden bewältigen. Deswegen sucht man nicht beim ersten Mal direkt nach organischem Material, sondern geht in kleinen Schritten vor: Man zeigt erst einmal, dass man überhaupt auf dem Mars landen kann, dann, dass es dort Wasser gibt, schickt anschließend eine Rakete zurück auf die Erde und sucht erst später nach Leben. Jeder dieser Schritte ist eine eigene, gigantische Mission. Dieses kleinteilige Vorgehen stellt sicher, dass man eine gute Grundlage hat, bevor der nächste Schritt unternommen wird.
Das ist auch der Grund, warum Forschende in den vergangenen zehn Jahren viel Zeit und Energie investiert haben, um ein möglichst einfaches Problem zu finden – auch wenn es keinerlei sonstige Relevanz hat –, für das es einen unzweifelhaften Quantenvorteil gibt. Ein klassischer Rechner muss an einem solchen Problem scheitern, während Quantencomputer es recht schnell bewältigen können. Damit wäre eindeutig nachgewiesen, dass Quantenberechnungen physikalisch möglich sind und dass Quantencomputer klassischen Rechnern tatsächlich überlegen sind.
Denn klar ist das keineswegs. Unvermeidbare Störungen aus der Umwelt erzeugen Rauschen und zerstören die empfindlichen Quantenzustände in den Geräten. Zudem könnten unbekannte Faktoren die erwartete Fehlertoleranz von Qubits in Luft auflösen. Ein wichtiger Bereich in der Forschung zu Quantencomputern besteht daher darin, einen Quantenvorteil in realen Geräten nachzuweisen.
Im Jahr 2019 veröffentlichte ein Team von Google Quantum AI eine Arbeit, in der es bekannt gab, ein solches Problem gefunden und auf einem Quantencomputer gelöst zu haben. Doch drei Jahre später wurde gezeigt, dass klassische Computer das vorgestellte Problem ebenfalls lösen können. 2024 stellte sich zudem heraus, dass die Stärke des Rauschens innerhalb eines Quantenprozessors beeinflusst, ob ein klassischer Computer die Aufgabe nicht doch effektiv lösen kann.
Quantenvorteil sorgt für besseres Verständnis
Die Forschung an Quantenvorteilen ermöglicht es daher, die Vorgänge innerhalb der Quantenprozessoren genauer zu verstehen. Aus der Qualität der Lösung lassen sich beispielsweise Rückschlüsse auf die Stärke des Rauschens ziehen. Vor diesem Hintergrund ist auch die aktuelle Studie des Google Quantum AI-Teams zu sehen, die genauer bestimmt, wie die Simulierbarkeit auf klassischen Computern und das Rauschen zusammenhängen. Die Forschenden konnten erstmals nachweisen, dass das Rauschen in ihrem Quantenprozessor schwach genug ist, um einen überzeugenden Quantenvorteil zu demonstrieren. Durch die Forschung lernt man also auch viel darüber, welche Hürden künftig zu überwinden sind.
Es ist daher ein sinnvolles und lohnenswertes Forschungsziel, theoretisch und experimentell einen Quantenvorteil nachzuweisen und so soliden Boden zu erschließen. Auf dieser Grundlage können wir uns dann der nächsten Mission – dem Beweis der Fehlertoleranz – widmen.
Trotz intensiver Suche wurde noch kein einziges relevantes Problem gefunden, bei dem der Einsatz von Quantencomputern im Vergleich mit klassischen Methoden sinnvoll wäre
Denn es ist keinesfalls so, dass ein Quantenvorteil theoretisch sichergestellt ist, oder Quantencomputer jetzt schon praktische Probleme lösen können, wie im »Spektrum«-Kommentar von Bischoff argumentiert. Wenn Firmen verkünden, dass sie heute schon Quantenrechner in der Praxis einsetzen, dann ist das nicht unbedingt eine schlaue Idee. Denn in seriösen Studien wurde – trotz intensiver Suche – noch kein einziges praktisch relevantes Problem gefunden, bei dem der Einsatz von Quantencomputern im ernsthaften Vergleich mit klassischen Methoden sinnvoll wäre.
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