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Klimaschutz: Wie viel Kohlendioxid bleibt Deutschland noch?

Klimaforscher Stefan Rahmstorf rechnet vor, wie man unter zwei Grad bleibt: Es wird schwer - aber unmöglich ist es auch nicht.
Abgase eines Kraftwerks

Nach mehr als 20 Jahren der Verhandlungen wurde 2015 in Paris endlich ein globales Abkommen zum Klimaschutz erreicht, im Konsens von 195 Staaten. Viele deutsche Politiker beteuern immer wieder, dass sie voll hinter diesem Abkommen stehen, kürzlich zum Beispiel Wirtschaftsminister Peter Altmaier im »Spiegel«-Streitgespräch mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Vergleicht man allerdings die Taten und Pläne der Bundesregierung mit dem, was zur Umsetzung der Paris-Ziele nötig wäre, fragt man sich: Hat die Politik die grundlegenden Fakten überhaupt verstanden?

In Paris haben die Staaten sich verpflichtet, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, sie unter 1,5 Grad zu halten. Jede Begrenzung der globalen Erwärmung erlaubt nur noch die Emission einer begrenzten CO2-Menge. Denn je mehr CO2 wir insgesamt in die Luft gepustet haben, desto wärmer wird es auf unserem Planeten. Dazu hat der Weltklimarat letztes Jahr ein Sondergutachten veröffentlicht. Dort kann man in einer Tabelle nachlesen, wie groß das Emissionsbudget für ein bestimmtes Klimaziel noch ist. Der Bericht liefert übrigens auch starke Argumente dafür, die Erwärmung eher nahe 1,5 Grad als nahe zwei Grad zu stoppen – im letzteren Fall würde zum Beispiel kaum ein Korallenriff in unseren Ozeanen überleben.

Beispiel 1,75 Grad

Nehmen wir an, das Paris-Ziel »deutlich unter zwei Grad« bedeute konkret eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,75 Grad. Bei der Berechnung der Erwärmung infolge einer bestimmten Emissionsmenge gibt es natürlich eine Unsicherheitsmarge; daher werden Wahrscheinlichkeiten angegeben, eine bestimmte Temperaturgrenze zu halten. Nehmen wir also an, wir wollen mit 67 Prozent Wahrscheinlichkeit unter den 1,75 Grad bleiben. Dann sagt die Tabelle, dass wir ab Anfang 2018 noch 800 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) CO2 in die Luft pusten dürfen.

Welcher Anteil von diesem begrenzten Emissionskuchen steht Deutschland zu? Das ist keine Frage der Wissenschaft, sondern der Gerechtigkeit. Steht uns Deutschen einfach mehr als anderen zu, weil wir schon reich und industrialisiert sind? Wohl kaum. Bestenfalls können wir von diesem Restbudget den Anteil beanspruchen, der unserem Anteil an der Weltbevölkerung entspricht. Also 1,1 Prozent.

Dann muss man noch fragen: Wann wird der Kuchen verteilt? Manche Entwicklungsländer argumentieren, spätestens seit die Folgen des Klimawandels allgemein bekannt sind (also etwa seit dem ersten IPCC-Bericht von 1990), müsste jeder Verantwortung für seine Emissionen übernehmen; das 1990 noch vorhandene Emissionsbudget müsse also gerecht aufgeteilt werden.

Das Problem: Dann hätte Deutschland längst mehr als seinen Anteil verbraucht. Wir emittieren auch derzeit noch doppelt so viel, wie unserem Bevölkerungsanteil entspricht. Und nach den kumulativen (also Gesamt-)Emissionen liegen wir auf Rang vier aller Länder – hinter den USA, China und Russland. Seien wir daher großzügig zu uns selbst und nehmen den Abschluss des Pariser Abkommens als Zeitpunkt, verteilen also das Anfang 2016 noch vorhandene Restbudget. Das betrug 880 Gigatonnen (2 × 40 Gigatonnen mehr als die oben genannten 800 Gigatonnen, weil die Welt jährlich 40 Gigatonnen emittiert).

Davon stehen Deutschland dann 1,1 Prozent zu, das sind 9,7 Gigatonnen. Von Anfang 2016 bis Anfang 2019 haben wir davon schon 2,4 Gigatonnen verbraucht, da Deutschland jährlich 0,8 Gigatonnen emittiert. Bleiben uns also 7,3 Gigatonnen ab Anfang 2019.

Die folgende Grafik zeigt, was dieses Budget bei einer linearen Emissionsreduktion auf null bedeutet.

Kohlendioxidausstoß in Deutschland | Grün: Emissionen bis 2018 nach Zahlen des Umweltbundesamtes (für 2018 habe ich denselben Wert wie 2017 veranschlagt, da die Zahl noch nicht veröffentlicht ist). Blau: exemplarische lineare Emissionsminderung, die einem fairen Beitrag Deutschlands zu den Paris-Zielen entsprechen könnte.

Die jährliche Minderung liegt bei rund 6 Prozent der heutigen Emissionen.

Ab dem Jahr 2036 dürfen wir nichts mehr emittieren! Spielraum für Emissionen danach kann man sich nur erarbeiten, indem man dafür anfangs schneller reduziert – zum Beispiel durch Abschalten von Kohlekraftwerken – oder durch negative Emissionen, denn relevant sind ja die Nettoemissionen. Ich kann nicht erkennen, wie die Pläne der Bundesregierung – nach denen wir selbst 2050 noch nicht bei Nullemissionen sind – mit dem Pariser »deutlich unter 2 Grad« vereinbar sind. Geschweige denn, wie sie die in Paris versprochenen Anstrengungen umsetzen, die Erwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen.

Als Luisa Neubauer Herrn Altmaier darauf ansprach, reagierte er pikiert – so als kenne er die Zahlen nicht. Dabei hat der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU), also das offizielle, von der Bundesregierung bestellte Beraterteam für diese Fragen, die Fakten zu den Emissionsbudgets bereits vor zehn Jahren in einem Sondergutachten dargestellt. Damals gab es freilich noch mehr Spielraum.

Heute sind die nötigen sechs Prozent jährlich sportlich. Und zwar weil viele Jahre davor fast nichts getan wurde. Die Politiker, die diese sechs Prozent nun für »unrealistisch« halten, hätten einfach nur früher handeln müssen. Hätten wir schon 1992, nach Abschluss der Klimarahmenkonvention in Rio (in der die Vermeidung eines gefährlichen Klimawandels versprochen wurde), mit der Emissionsminderung begonnen, dann hätte eine lineare Reduktion auf null über 62 Jahre – also bis zum Jahr 2052 – und damit nur eine Reduktionsrate von 1,6 Prozent pro Jahr ausgereicht, um mit derselben Emissionsmenge auszukommen wie in der obigen Grafik!

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