Lexikon der Biologie: Dominanz
Dominanzw [von latein. dominans = herrschend; Adj. dominant], 1) Ethologie: Begriff, der die Überlegenheit eines Individuums über ein anderes beschreibt, was gelegentlich auch die Artgrenze überschreitend auftritt. Das unterlegene Tier wird häufig als subdominant bezeichnet, was jedoch – abhängig von dem jeweils bei der Tierart gültigen Rangordnungstyp (Rangordnung) – gegebenenfalls nur die Dominanzbeziehung zwischen diesen beiden Individuen charakterisiert. Denn eine Dominanz über ein anderes Tier kann durch die momentane Anwesenheit von Verbündeten oder eines ranghohen Tieres (bedingter Rang) erreicht werden, während sie sich bei Einzelbegegnungen wieder verliert. Die Dominanzbeziehungen werden, sobald sie geklärt und von beiden Seiten anerkannt sind, durch verschiedene Status-Signale und Verhaltensweisen bestätigt und aufrechterhalten, die insbesondere seitens des dominanten Individuums vergleichsweise unauffällig sein können. Die Unter- bzw. Überlegenheit drückt sich aus in a) räumlichem Vermeidungsverhalten und Ausrichtung zum dominanten Tier versus Bewegungsfreiheit und Verdrängen, b) erhöhter Aufmerksamkeit (Aufmerksamkeitsstruktur) und gegebenenfalls Handlungsunterbrechung versus Nichtbeachten der momentanen Aktion des subdominanten Individuums, c) Demutsgebärden versus Dominanzverhalten bzw. Drohverhalten, d) Angriffsverhalten (Angriff) versus Flucht (ist diese verhindert, gegebenenfalls Selbstverteidigung). – Nicht immer wird die Dominanzbeziehung der Individuen durch Kampfverhalten geklärt. Bekannt wurde das Aufsteigen eines Schimpansen in der Rangordnung allein durch die Veranstaltung eines Lärmspektakels mit Hilfe leerer Kanister. Bei Tieren, die dominanten Artgenossen auszuweichen pflegen, kann ein erzwungener ständiger Kontakt beim Unterlegenen zu Gesundheitsschäden und zum Tode führen. Dieser Dominanzeffekt wurde vor allem beim malaiischen Spitzhörnchen (Schwanzsträubwert, Streß) untersucht ( vgl. Infobox ). Dominanz-Konzept, Dominanzverhalten, Dichtestreß. 2) Biozönologie: hoher prozentualer Anteil der Individuen einer Pflanzen- oder Tierart an der Gesamtindividuenzahl einer Organismengemeinschaft. Man berechnet den Dominanzgrad nach der Formel D = 100 b/a, wobei b die Individuenzahl einer bestimmten Art und a die Gesamtindividuenzahl aller Arten bedeuten. Die Dominanzgrade können zu Klassen zusammengefaßt werden: eudominante Arten sind mit mehr als 10%, subdominante Arten mit 5–2%, rezedente Arten mit 2–1% und subrezedente Arten mit weniger als 1% der Gesamtindividuenzahl vertreten. Abundanz, Deckungsgrad. 3) Botanik: apikale Dominanz. 4) Genetik: Bezeichnung für die vorherrschende Wirkung eines Allels über ein anderes Allel des gleichen Gens, die dadurch zum Ausdruck kommt, daß das dominante Allel im Gegensatz zum rezessiven Allel phänotypisch ausgeprägt wird. Vollständige Dominanz oder Rezessivität stellen Grenzfälle dar, zwischen denen es sämtliche Übergänge von starker Dominanz über schwache Dominanz, intermediäre Ausprägung (Merkmalsausprägung wird von zwei Allelen gleichermaßen beeinflußt; intermediärer Erbgang), schwache Rezessivität bis hin zu starker Rezessivität gibt. Dominanz bzw. Rezessivität können eine Eigenschaft der betreffenden Allele selbst sein (die Basensequenz eines Allels kann z. B. für ein funktionsuntüchtiges Protein codieren, wodurch das Allel in der Regel rezessiv wird), sie können aber auch durch die Wirkung anderer Gene, sog. Dominanzmodifikatoren, oder durch Umwelteinflüsse mitbedingt sein. Dominanzumkehr, d. h. Übergang des Dominanzeffekts von einem Allel eines Allelenpaares auf das andere während der ontogenetischen oder phylogenetischen Entwicklung eines Organismus, wird möglicherweise durch Veränderung am genetischen Material der Allele selbst oder durch Veränderungen im Regelzustand der Allele, wie sie z. B. durch Polyploidisierung zustande kommen können, ausgelöst. Die dominante Wirkung eines Allels auf ein anderes nicht alleles Gen wird als Epistase bezeichnet. Erbkrankheiten, Heterozygotie, Mendelsche Regeln (Farbtafel I–II). 5) Neurobiologie: cerebrale Dominanz,Asymmetrie.
G.St./A.Se./H.H./E.K.
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