Lexikon der Biologie: Erbkrankheiten
Erbkrankheiten, Heredopathien,Krankheiten, die durch bestimmte Erbanlagen (also genetisch; Gen, Allel) bedingt sind und nach den Vererbungsregeln (Vererbung, Mendelsche Regeln) an die Nachkommen (Nachkommenschaft) weitervererbt werden können. Sie können latent (d.h. verborgen) bleiben (erbliche Belastung; Bürde) oder manifest (sichtbar) werden. Vergleichbare Schädigungen bei Haustieren oder Kulturpflanzen werden als Erbfehler bezeichnet. Erbkrankheiten können durch eine oder mehrere verschiedenartige Mutationen (Genmutationen, Chromosomenaberrationen, numerische Chromosomenanomalien) bei oder nach der Bildung der Keimzellen entstehen. Nicht jede krankhafte Veränderung des Erbguts muß beim Betroffenen oder seinen Nachkommen phänotypisch (Phänotyp) in Erscheinung treten. Rezessive Erbdefekte werden erst offenbar, wenn sie homozygot (Homozygotie) vorliegen, d.h., wenn sie von beiden Eltern übertragen werden. Sie können daher in heterozygoter Form (Heterozygotie) oft mehrere Generationen latent (verborgen) bleiben, bevor sie sich klinisch manifestieren. Beispiele sind die erbliche Taubstummheit, die erbliche Epilepsie, Albinismus, Alkaptonurie und Phenylketonurie. Dominante Erbdefekte (Dominanz) führen bei den Betroffenen immer zu Erkrankungen und werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an die Nachkommen weitergegeben (z.B. Kurzsichtigkeit [Brechungsfehler], Schielen, Veitstanz [Chorea Huntington; Chorea]). Erkrankungen, die durch eine Veränderung auf einem Geschlechtschromosom (X oder Y; X-Chromosom, Y-Chromosom) entstehen, werden entsprechend der Geschlechtschromosomen-gebundenen Vererbung an die Nachkommen weitergegeben: So werden z.B. Farbenfehlsichtigkeit, Muskeldystrophie (Myopathie) oder die Bluterkrankheit (Abb.) durch ein rezessives Defektallel auf einem X-Chromosom verursacht (Bluter-Gen). Bei Frauen, die diese Allele heterozygot tragen, manifestieren sich diese Krankheiten nicht, da auf dem zweiten X-Chromosom ein nicht mutiertes Allel vorliegt, das den Defekt kompensiert (Komplementation; Barr-Körperchen, Lyon-Hypothese, X-Inaktivierung); allerdings sind sie Überträgerinnen, so daß ihre Söhne mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% von der jeweiligen Krankheit betroffen sind. Oft wird nur die Neigung zu bestimmten Krankheiten vererbt, die dann unter der Wirkung häufig noch wenig verstandener äußerer Einflüsse zu Erkrankungen führt (z.B. die mit dem Alter zunehmende Neigung zum Diabetes mellitus). Die Erforschung von Erbkrankheiten ist ein wichtiger Zweig der Humangenetik. In den letzten Jahren rückt die Gentherapie zunehmend als Therapiemöglichkeit verschiedener Erbkrankheiten in den Vordergrund, wobei die tatsächlichen Heilungschancen noch sehr vorsichtig beurteilt werden müssen. Amniocentese, Chorionzottenbiopsie, Chromosomenkarte (Farbtafel), Erbdiagnose, Eugenik, Fehlbildungen, genetische Beratung, genetische Impfung, genetischer Block, Gentechnologie, pränatale Diagnostik, RFLP, Strahlenschäden.
G.St./B.G.
Lit.:Spiegel, R., Schmid, W.: Erbkrankheiten rechtzeitig erkennen. Genetische Beratung und ihre Untersuchungsmethoden. München 1997. Stengel, H.: Erbkrankheiten. Entstehung, Vererbung und Verhütung erblich bedingter Entwicklungsstörungen, Anomalien und Krankheiten. Stuttgart 1987.
Erbkrankheiten (Auswahl)
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A) Monogene Erbkrankheiten | |
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Adenosin-Desaminase-Defekt, ADA-Defekt, ADA-Defizienz | Störung des Purinstoffwechsels durch den Ausfall des Enzyms Adenosin-Desaminase, das die Desaminierung von Adenosin zu Inosin und von Desoxyadenosin zu Desoxyinosin katalysiert | eine Form von SCID (severe combined immunodeficiency), Dysfunktion der B- und T-Lymphocyten, Beeinträchtigung der zellulären Immunantwort, verminderte Immunglobulin-Produktion | selten | autosomal-rezessiv | |
Ahornsirup-Krankheit, Leucinose | Störung des oxidativen Abbaus der verzweigtkettigen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin, Anreicherung dieser Aminosäuren und der entsprechenden α-Ketosäuren in den Körperflüssigkeiten durch verminderte Aktivität oder Ausfall des α-Ketoacid-Decarboxylase-Enzym-Komplexes | Schädigung des Zentralnervensystems, Apathie, Krämpfe, Atemstörungen, ketoacidotisches Koma, Erbrechen, Muskelhypotonie bis hin zur Decerebrationsstarre. Lebenserwartung meist nur wenige Monate, bei milderen Formen über 1 Jahr | 1:10000 bis 1:150000 | autosomal-rezessiv | |
Albinismus, Achromasie, Achromie | Störung der Pigmententwicklung, Melaninsynthese vermindert oder fehlend, unterschiedliche Erkrankungsformen, meist aufgrund eines Tyrosinasemangels | Hypopigmentierung von Haut, Haaren und Augen, Sehstörungen | mit Tyrosinasemangel: bei Schwarzen 1:28000, bei Weißen 1:39000; ohne Tyrosinasemangel: bei Schwarzen 1:15000, bei Weißen 1:68000 | autosomal-rezessiv | |
Alkaptonurie | Störung des Phenylalanin- und Tyrosinabbaus durch Fehlen der Homogentisinsäure-Oxigenase | Homogentisat (Homogentisinsäure) reichert sich an und wird mit dem Urin ausgeschieden; durch Luftoxidation polymerisiert Homogentisat zu einem p-Chinon; der Urin färbt sich schwarz | autosomal-rezessiv | ||
α1-Antitrypsinmangel, Laurell-Eriksson-Syndrom | verminderte oder fehlende Aktivität des Proteaseinhibitors α1-Antitrypsin; Genort: Chromosom 14q31-32 | chronisch obstruktives Lungenemphysem, häufige bronchiale Infekte, Hepatitis mit späterer Leberzirrhose | Europa: Homozygote 1:4000, Heterozygote 1:10; in Japan selten | autosomal-rezessiv | |
Ataxia teleangiectatica (Ataxia teleangiectasia, Louis-Bar-Syndrom | Chromosomeninstabilität durch defekten DNA-Reparaturmechanismus; Genort: Chromosom 11q22-23 | Teleangiektasien (Erweiterung kleiner, oberflächlicher Hautgefäße) im Bereich des Gesichts, der Ohren, der Bindehaut, cerebrale Ataxie mit variabler Progression, Immunschwäche | 1:40000 | autosomal-rezessiv | |
Bloom-Syndrom | Chromosomeninstabilität durch defekten DNA-Reparaturmechanismus | prä- und postnataler Minderwuchs, teleangiektatische Erytheme der Gesichtshaut, schmales Gesicht, hyperplastisches Jochbein, Photosensibilität der Haut, Infektanfälligkeit, Neigung zu Leukämien und anderen Tumoren | selten, ca. 50% der Erkrankten sind Ashkenasi-Juden | autosomal-rezessiv | |
Brachydaktylie | Fehlbildung des distalen Extremitätenskeletts, Einteilung in 7 Gruppen | Hände und Füße sind meist gleichzeitig von Verkürzungen einzelner Finger bzw. Zehen oder auch der ganzen Hand bzw. des Fußes betroffen | regional unterschiedliche Verbreitung | autosomal-dominant | |
Charcot-Marie-Tooth-Syndrom, Hereditäre Motorische und Sensorische Neuropathie Typ I (HMSN I) und Typ II (HMSN II), neurale Muskelatrophie | heterogene Gruppe von Muskelatrophien mit fortschreitender Degeneration peripherer Nerven, HMSN Typ I: segmentale Demyelinisierung der Schwannschen Zellen, verminderte Nervenleitgeschwindigkeit; HMSN Typ II: axonale Veränderungen; Genort: Chromosom 1q22-23, 17p13.1-11.1 und Xq13. | Erstmanifestation im Kindesalter oder im 2. bis 3. Lebensjahrzehnt, selten später, beginnt mit Lähmungserscheinungen der Fuß- und Unterschenkelmuskulatur, langsam auf obere Extremitäten übergreifend, Reflexanomalien, Sensibilitätsstörung | autosomal-dominante Form: 1:28000; autosomal-rezessive Form: 1:70000; X-chromosomale Form: 1:32000 | autosomal-dominant, autosomal-rezessiv, X-chromosomal-dominant oder -rezessiv | |
Cystinurie | Störung der tubulären Rückresorption neben fehlender oder verminderter intestinaler Resorption von den Aminosäuren Cystin, Lysin, Arginin und Ornithin, Vermehrung dieser Aminosäuren im Urin, Einteilung in 3 Typen | Cystinsteine bereits im Kindesalter, Infektionen der ableitenden Harnwege, Nierenkoliken, teilweise geringer Minderwuchs und Intelligenzminderung, herabgesetzte Lebenserwartung | 1:600 bis 1:1000 | Typ I: autosomal- rezessiv Typ II und III: unvollständig autosomal- rezessiv (Teilmanifestation bei Heterozygoten) | |
cystische Fibrose, Mucoviscidose, Andersen-Syndrom | Defekt eines Chlorid-Ionenkanals durch Mutation des CFTR (cystis fibrosis transmembrane conductance regulator)-Gens; Genort: Chromosom 7q31.3 | Dysfunktion exokriner Drüsen, vermehrte Produktion und erhöhte Viskosität des Sekrets der mucösen Drüsen, Störungen des Pankreas bis hin zur Pankreas-Insuffizienz, Zöliakie | Homozygote 1:2000, Heterozygote 1:22 | autosomal-rezessiv | |
Ehlers-Danlos-Syndrom, Danlos-Syndrom | heterogene Gruppe von Bindegewebsdysplasien, durch mangelhafte Bildung der Kollagenfasern verursacht, Einteilung in 11 Gruppen | überstreckbare Gelenke, Cutis laxa, erhöhte Verletzbarkeit der Haut | schwerste Form: 1:160000 | schwerste Form: autosomal-dominant, andere Formen: autosomal-rezessiv, X-chromosomal-rezessiv | |
Fabry-Syndrom, Angiokeratoma corporis diffusum, Glykosphingolipidase | Defekt der α-Galactosidase | dunkelbraun-rote Hautveränderungen, neurologische Störungen, kardiovaskuläre Störungen, Augenveränderungen | selten, ca. 200 Fälle beschrieben | X-chromosomal-dominant | |
Fanconi-Anämie, Panmyelopathie Fanconi | Chromosomeninstabilität durch defekten DNA-Reparatur-Mechanismus | chronisch hyperchrome makrocytäre Anämie, Leukocytopenie, Thrombopenie, hypoplastisches fetthaltiges Knochenmark, angeborene Fehlbildungen möglich: Mikrocephalie, Skelettanomalien, Nierenfehlbildung, Taubheit, Hypogenitalismus, Minderwuchs | selten, ca. 200 Fälle beschrieben | autosomal-rezessiv | |
Fragile-X-Syndrom, Martin-Bell-Syndrom, Marker-X-Syndrom, fragile X chromosome, fragile-X-linked mental retardation | fragile Stelle am X-Chromosom durch vergrößerte Anzahl von (CGG)-Trinucleotid-Repeats im Gen FMR-1 (fragile site mental retardation 1); Genort: Xq27.3 | geistige Retardierung, längliches Gesicht, teilweise Autismus, Akromegalie, Testisvergrößerung, verlangsamte motorische und verzögerte Sprachentwicklung | Männer 1:1000 bis 1:1500, Frauen 1:2000 bis 1:3000 | X-chromosomal-rezessiv | |
Galactosämie, Galactose-Intoleranz | Blockade des Galactosestoffwechsels durch Fehlen der Galactose-1-phosphat-Uridyltransferase; Genort: Chromosom 9p13 | Milchaufnahme führt zu Erbrechen und Durchfall, Hypoglykämie, Ikterus, Katarakte (Trübung der Augenlinse); Abhilfe durch Galactose-freie Ernährung | 1:50000 | autosomal-rezessiv | |
Gauchersche Krankheit, Morbus Gaucher | Speicherung von Lipiden (Glucosylceramid) aufgrund verminderter Aktivität der Glucosylcerebrosidase, Einteilung in 3 Typen, Genort: Chromosom 1q21 | Typ I, adulte Form: Milz- und Lebervergrößerung, bräunliche Hautverfärbungen, Knochen- und Gelenkschmerzen, Knochenfrakturen, Gaucher-Zellen in Knochenmark und Lymphknoten Typ II, infantile, akute Form: Ernährungsschwierigkeiten, Muskelhypertonie, Spastik, mittlere Lebenserwartung beträgt 9 Monate Typ III: mittelschwerer Verlauf | 1:25000 unter Ashkenasi-Juden | autosomal-rezessiv | |
von Gierkesche Krankheit, von Gierke-Syndrom, hepatorenale Glykogenose von Gierke, Glykogenose vom Typ I | Mangel an Glucose-6-Phosphatase in der Leber | Ablagerung großer Glykogenmengen in Leber und Niere führt zuerst zu extremer Vergrößerung der Leber, später auch der Nieren; verzögertes Wachstum, Entwicklungsstörungen, schwere Hypoglykämie, Ketonämie, Hyperurikämie, Hyperlipämie | 1:50000 bis 1:246000 | autosomal-rezessiv | |
Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel, Favismus | Mangel an Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase, herabgesetzte NADPH2-Bildung, verminderte Reduktion von oxidiertem Glutathion in den Erythrocyten, über 300 verschiedene Varianten | Hämolyse, Methämoglobinämie; durch bestimmte Arznei- (z.B. Primaquin) oder Nahrungsmittel (z.B. Favabohnen), welche die Glutathion-Oxidation steigern, kann akute Hämolyse ausgelöst werden | unter männlichen Schwarzen Variante A: 1:20, Selektion durch Schutz der Betroffenen gegen Malaria | X-chromosomal-rezessiv | |
Hämochromatose, Hanot-Chauffard-Syndrom | Defekt des Eisenstoffwechsels | Erhöhung des Serum-Eisen-Spiegels, gesteigerte Eisenablagerung in den Geweben (besonders Leber), Lebervergrößerung, Leberzirrhose, Hyperglykämie, Glucosurie, Diabetes, Herzinsuffizienz; Beginn um das 40. Lebensjahr | 1:9000 | meist unvollständig autosomal-dominant, auch autosomal- rezessive Form beschrieben | |
Hämophilie A, Bluterkrankheit, klassische Hämophilie | Blutgerinnungsstörung durch Mangel bzw. verminderte Aktivität des antihämophilen Faktors (Gerinnungsfaktor VIII), verschiedene Mutationen auf dem X-Chromosom (Xq28) wurden beschrieben | Koagulationsstörungen, Blutungsneigung, Gelenkblutungen, Hämatome, Ekchymosen (kleinflächige, fleckenförmige Haut- und Schleimhautblutungen) | Männer: 1:10000 | X-chromosomal-rezessiv | |
Hämophilie B | Blutgerinnungsstörung durch Fehlen des Gerinnungsfaktors IX (Christmas-Faktor, Plasmathromboplastinkomponente) | ähnlich wie bei Hämophilie A, Haut-, Schleimhaut-, bis hin zu Gelenkblutungen | Männer: 1:25000 | ||
Hartnup-Krankheit | Störung der Aufnahme und Rückresorption von Tryptophan und anderer neutraler Aminosäuren | Bewegungsstörungen, öfters Schwachsinn, Hauterkrankungen, insbesondere Lichtdermatosen | 1:14000 | autosomal-rezessiv | |
Hirschsprung-Krankheit, Jirásek-Zuelzer-Wilson-Syndrom, Megacolon-Syndrom, Aganglionose | Mutation im Protoonkogen ret auf dem Chromosom 10 oder auch Mutationen des Endothelin-B-Rezeptor-Gens; Genort: Chromosom 13q22.1-32.1 | Innervationsstörungen des Dickdarms, stark herabgesetzte Darmperistaltik, vergrößerter Dickdarm, Erstmanifestation im Neugeborenenalter, Trinkschwäche, Mißgedeihen | 1:2000 bis 1:10000 | heterogen autosomal-rezessiv oder autosomal-dominant mit geringer Penetranz oder Polygenie unter Beteiligung exogener Faktoren | |
Histidinämie | Mangel der Histidase | häufig Entwicklungsverzögerung mit gestörter Sprachentwicklung | 1:20000 bis 1:37000 | autosomal-rezessiv | |
Huntington disease (HD), erblicher Veitstanz, Huntingtonsche Chorea, Chorea Huntington, Chorea major | vergrößerte Anzahl von (CAG)-Trinucleotid-Repeats im Huntington-disease-Gen, Defekt des Proteins Huntingtin; Genort: Chromosom 4p16.3, paternales Imprinting bei HD, die in früher Kindheit auftritt | Manifestation meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr, gelegentlich in früher Kindheit, progressive Demenz, Bewegungsunruhe, unkoordinierte choriforme Bewegungen, körperlicher Zerfall | 1:18000 bis 1:20000, in Japan 1:3s0000 | autosomal-dominant | |
Hypercholesterinämie, familiäre Hypercholesterinämie | Fettstoffwechselstörung durch Mutation im LDL-Rezeptor-Gen; Genort: Chromosom 19p13.2–19p13.1 | erhöhte LDL- und Cholesterin-Konzentration im Blutplasma, Arteriosklerose, Xanthome (knotenförmige Lipidablagerungen in der Haut), erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheiten | Heterozygote 1:100 bis 1:500, Homozygote 1:1000000 | autosomal-dominant | |
Kinky-hair-disease, Kinky-hair-syndrome, Menkes-Syndrom, Trichopoliodystrophie | Defekt des Kupfertransports durch die Zellmembran, damit Störung der Kupferabsorption im Darm und intrazellulärer Kupfermangel (Leber, Hirn); Aktivitätsminderung Kupfer-abhängiger Enzyme; Genort: Xq12-13 | schwere psychomotorische Retardierung mit Spastik im Säuglingsalter, pigmentarme Spindelhaare, Opisthotonushaltung (Überstreckung des Kopfes und Körpers) und Gehirnatrophie, Entwicklungsstörungen, Tod im 1. oder 2. Lebensjahr | in Australien bei Jungen 1:40000 | X-chromosomal-rezessiv | |
Lesch-Nyhan-Syndrom, Hyperurikämie-Syndrom, Hyperurikose | Störung des Purinstoffwechsels infolge Verminderung der Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase; Genort: Xq26-27.2 | Manifestation in den ersten Lebensjahren, Entwicklungsstörungen, Selbstverstümmelungstendenz, geistige Retardierung, spastisches Verhalten, Gicht, Nierensteine, Niereninsuffizienz, früher Tod | 1:300000 bis 1:380000 | X-chromosomal-rezessiv | |
Marfan-Syndrom, Arachnodaktylie, Achard-Marfan-Syndrom, Dolichostenomelie | Bindegewebsdefekt durch Störung der Kollagen-Biosynthese; Genort: Chromosom 15q | Skelettveränderungen, Hochwuchs, Bindegewebsschwäche, Trichterbrust, kardiologische Veränderungen, Linsenluxationen | 1:20000 bis 1:25000 | autosomal-dominant | |
Mucopolysaccharidosen, Mucopolysaccharid-Speicherkrankheiten | diverse Enzymdefekte (z.B. β-Galactosidase, β-Glucuronidase, α-L-Iduronidase); es werden 6 verschiedene Typen von Mucopolysaccharidosen unterschieden, die z.T. noch Subtypen aufweisen | Akkumulation von Mucopolysacchariden in Lysosomen des Bindegewebes verschiedener Organe, klinisches Bild unterschiedlich, z.T. Hornhauttrübung, Organ- und Skelettstörungen | unterschiedliche Häufigkeit der verschiedenen Formen | die meisten Formen autosomal-rezessiv; 2 Formen X-chromosomal-rezessiv | |
Muskeldystrophie Typ Becker, Becker-Kiener-Muskeldystrophie | Deletion im Dystrophin-Gen führt zu strukturell verändertem Dystrophin-Molekül; Genort: X-Chromosom (Xp21.2) | Manifestation meist im 2. oder 3. Lebensjahrzehnt. Myopathie, verminderte Muskelkraft, Lordose (Krümmung der Wirbelsäule nach vorne), fortschreitende Muskelschwäche, ähnliches klinisches Erscheinungsbild wie bei Muskeldystrophie Typ Duchenne, aber gutartiger und nur langsam fortschreitender Verlauf | Jungen: 1:35000 | X-chromosomal-rezessiv | |
Muskeldystrophie Typ Duchenne, Duchenne-Muskeldystropie (DMD) | Deletion im Dystrophin-Gen führt zu einer Rasterverschiebung und zum Verlust des Dystrophins; Genort: Xp21.2 | Manifestation in früher Kindheit. Myopathie, verminderte Muskelkraft, Hyperlordose der Lendenwirbelsäule, Dystrophie der Beckengürtel-, Oberschenkel- und Wadenmuskulatur, Pseudohypertrophie der Waden durch Fetteinlagerung, mittlere Lebenserwartung ca. 25 Jahre | Jungen: 1:3500 | X-chromosomal-rezessiv | |
myotonische Dystrophie, Curschmann-Batten-Steinert-Syndrom | erhöhte Anzahl von (CTG)-Trinucleotid-repeats im Myotone-Dystrophie-Gen (MDY1); Genort: Chromosom 19q13.3; Defekt der Myotonin-Proteinkinase | schwere fortschreitende Erkrankung des Nervensystems, Verlust motorischer und intellektueller Kontrolle, Myotonie, Muskelschwäche, Atrophie bestimmer Muskelgruppen, besonders des Gesichts, der Unterarme und der Hände, endokrine Störungen | 1:5000 bis 1:8000 | autosomal-dominant | |
Neurofibromatose Typ 1, Von-Recklinghausen-Krankheit, Elephantiasis neuromatodes | Mutation des Neurofibromatose-Gens; Genort: Chromosom 17q11.2 | variable Ausprägung, Café-au-lait-Flecken, multiple Neurofibrome, Prädisposition maligner Tumore des Nervensystems | 1:3000 bis 1:5000, 50% Neumutationen | autosomal-dominant | |
Noonan-Ehmke-Syndrom, Noonan-Syndrom | Phänotyp wie beim Turner-Syndrom mit normalem Karyotyp im männlichen und weiblichen Geschlecht | Gesichtsdysmorphien, Minderwuchs, leichte geistige Entwicklungsstörungen, Skelettanomalien, Herzmißbildungen | 1:1000 bis 1:20000 | autosomal-dominant, autosomal-rezessiv und multifaktorielle Formen | |
Osteogenesis imperfecta, Glasknochenkrankheit, brittle bone disease | heterogene Gruppe molekularer Defekte des Kollagens I und III, Einteilung in Gruppen I bis IV | erhöhte Knochenbrüchigkeit, Verformung der Knochen, Minderwuchs, defekte Zahnbildung, Schwerhörigkeit, blaue Skleren (Lederhaut), schlaffe Bänder und Haut | autosomal-dominant: 1:15000 bis 1:20000, Gesamthäufigkeit 1:10000 | meist autosomal-dominant, selten autosomal-rezessiv | |
Phenylketonurie (PKU), Föllingsche Krankheit | Defekt oder Mangel an Phenylalanin-Hydroxylase (Leberenzym), Störung des Umbaus von Phenylalanin zu Tyrosin; Genort: 12q24.1 | Akkumulation von Phenylalanin und anderen Metaboliten, geistige Retardierung, Krampfanfälle, verminderte Melaninsynthese | 1:5000 bis 1:10000 | autosomal-rezessiv | |
Polydaktylie, Vielfingrigkeit | Fehlbildungen im Bereich der Hände und Füße mit Strahlvermehrung | einseitige oder beidseitige Mehrfingrigkeit, meist 6, gelegentlich mehr, häufig entsprechende Veränderung auch an den Füßen | 1:2500 in Europa 2:100 bis 3:100 bei Schwarzen in Nigeria 1:800 bei Indianern | autosomal-dominant, selten autosomal-rezessiv | |
Polyposis coli, familiäre Colonpolyposis, familiäre Polyposis, multiple Polyposis | Mutation auf Chromosom 5q22-5q23 | multiple Polypen in der Dickdarmschleimhaut, Neigung zur malignen Entartung, blutige Durchfälle, Anämie, Manifestation bei Heterozygoten nach dem 25. Lebensjahr, bei Homozygoten Tod im Kindesalter | 1:10000 | autosomal-dominant | |
Pompesche Krankheit, Glykogenose Pompe, Glykogenose vom Typ II | α-1,4-Glucosidase-Mangel (saure Maltase) | Ablagerung großer Glykogenmengen in allen Organen, 2 verschiedene Krankheitsverläufe: 1) frühkindliche schwere Form mit verzögerter motorischer Entwicklung, Herzvergrößerung, Tod innerhalb des 1. Lebensjahres; 2) langsam verlaufende proximale Myopathie mit Muskelschwäche der proximalen Extremitäten, Lebenserwartung bis zum 2. Lebensjahrzehnt | selten, etwa 100 Fälle bekannt | autosomal-rezessiv | |
Pyruvat-Kinase-Mangel-Syndrom | verminderte Pyruvat-Kinase-Aktivität in den Erythrocyten und z.T. in der Leber, Störung der Glykolyse und des Energiehaushalts der Erythrocyten, hämolytischer Zerfall und verkürzte Lebenszeit der Erythrocyten; Genort: Chromosom 1q21-22 | z.T. hämolytische Anämie schon im Neugeborenenalter, in anderen Fällen klinische Symptome erst im Erwachsenenalter, Knochenanomalien und Minderwuchs möglich, Neigung zu Nierensteinen | 1:200000 | autosomal-rezessiv | |
Retinitis pigmentosa, Retinopathia pigmentosa | Mutation verschiedener Gene führt zu Pigmentdegeneration der Netzhaut. Betroffene Gene: Rhodopsin-Gen, Genort: 3q21-24; Protein-Rezeptor-Gen, Genort: 3q21-22; Peripherin-Gen, Genort: Chromosom 6; ROM-1-Gen, Genort: Chromosom 11; 2 Genloci auf dem X-Chromosom: Xp11.3 und Xp21 | Nachtblindheit, Gesichtsfeldeinschränkung, Pigmentablagerungen in der Netzhaut, grauer Star, Kurzsichtigkeit, häufig Erblindung | 1:3000 bis 1:4000 | 85% autosomal-rezessiv; 4–9% autosomal- dominant; 10% X-chromosomal-rezessiv | |
Sichelzellenanämie, Drepanocytose, Herrick-Syndrom, Herrick-Anämie | Nucleotidaustausch im Codon 6 des β-Globin-Gens; Substitution von Thymin gegen Adenin führt zum Austausch von Glutaminsäure durch Valin | abnormes, weniger lösliches Sichelzellen-Hämoglobin (HbS), Erythrocyten verformen sich unter Sauerstoffmangel zu Sichelzellen, Infarkte, hämolytische Anämie | 1:10000, in der schwarzen Bevölkerung Afrikas und Nordamerikas 1:500, Selektion durch Malariaschutz der Betroffenen | autosomal-rezessiv | |
Syndaktylie | Verwachsung einzelner Finger oder Zehen, Einteilung in 5 Typen | meist sind der 3. und 4. Finger sowie die 2. und 3. Zehe betroffen, häufig beidseitig auftretend | Typ I: 1:3000 Typ II bis V: selten | autosomal-dominant | |
Tay-Sachs-Syndrom, GM2-Gangliosidose Typ I, familiäre amaurotische Idiotie | Mangel an β-N-Acetylhexosaminidase führt zu gestörtem Abbau von Gangliosid GM2, das dann hauptsächlich in Neuronen akkumuliert; Genort: 15q23-24 | Lähmungen, Entwicklungsretardierung, Tod in frühem Kindesalter | 1:400000 in nichtjüdischer Bevölkerung, 1:3600 unter Ashkenasi-Juden | autosomal-rezessiv | |
Thalassämie | Gruppe von Hämoglobinopathien, durch verminderte Bildung oder Mangel einer Globinkette; β-Thalassämie: β-Globinkette ist betroffen; Genort: Chromosom 11p15.5; α-Thalassämie: α-Globinkette ist betroffen; Genort: Chromosom 16pter-p13.3 | chronische Anämie, Infektneigung, hypochrome mikrocytäre Erythrocyten, Ikterus | in bestimmten Gebieten sehr häufig (bis 10% der Bevölkerung), Malariaresistenz heterozygoter Träger | autosomal-rezessiv | |
testikuläre Feminisierung | Störung der Geschlechtsdifferenzierung, durch Androgenresistenz hat das von den fetalen Hoden gebildete Testosteron keine Wirkung; phänotypisch weibliche Person mit männlichem Karyotyp 46,XY; Genort: Xcen-q13 | weiblicher Phänotyp, Hoden lassen sich jedoch in Schamlippen, Leistenkanal oder intraabdominal nachweisen, keine äußeren männlichen Genitale, kein Uterus, weibliche sekundäre Geschlechtsmerkmale | 1:2000 bis 1:20000 | X-chromosomal-rezessiv | |
Waardenburg-Syndrom, Klein-Waardenburg-Syndrom | Fehlbildungssyndrom mit lokaler Pigmentstörung, 3 Typen bekannt; Genort: Chromosom 2q35 | Innenohrschwerhörigkeit bis Taubheit, vergrößerter Augenabstand, Heterochromie der Iris, weiße Stirnhaarlocke | Europa: 1:45000 | autosomal-dominant | |
Willebrand-Jürgens-Syndrom, von Willebrand-Krankheit | Blutgerinnungsstörung, Synthesestörung des von-Willebrand-Jürgens-Faktors durch die Endothelzellen; Genort: Chromosom 12pter-p12 | Neigung zu starken Nasen-, Haut-, Schleimhaut- und posttraumatischen Blutungen, verzögerte Wundheilung, Tendenz zur Hämatombildung | regional unterschiedlich verbreitet | autosomal-dominant, im weiblichen Geschlecht häufiger | |
Wilms-Tumor, Nephroblastom, Wilms-Tumor-Aniridie-Syndrom | Mutation eines Tumor-Suppressor-Gens; Genort: Chromosom 11p13 | meist im Alter von 3–4 Jahren auftretender maligner Tumor der Niere, Mischgeschwülste | Kinder: 1:9000 | autosomal-rezessiv | |
Xeroderma pigmentosum, Melanosis lenticularis progressiva, Lichtschrumpfhaut | Chromosomeninstabilität durch Defekte der DNA-Exzisionsreparatur, mehrere genetische Varianten | trockene pigmentierte Haut in UV-exponierten Bereichen, Erytheme, häufig maligne Entartung in Melanome, Angiome, Fibrome und Sarkome | 1:330000 bis 1:1000000 | autosomal-rezessiv | |
Zystenniere Typ Potter I | zystische Umwandlung der Sammelrohre | Leberfibrose, Nierenvergrößerung, Hypertonie, Niereninsuffizienz, meist frühe Manifestation | 1:20000 bis 1:40000 | autosomal-rezessiv | |
Zystenniere Typ Potter III, adulte polyzystische Nierenerkrankung | gestörte Anordnung von Nephronen und Sammelrohren | Zysten in allen Teilen von Nephron und Sammelrohren, Manifestation zwischen 30. und 50. Lebensjahr, z.T. auch später oder im Neugeborenenalter, bilaterale Symptomatik, Schmerzen in der Lendengegend, Nierentumor, Niereninsuffizienz, Urämie, Hämaturie, Hypertension, Proteinurie | 1:1000 | autosomal-dominant |
B) strukturelle Chromosomenaberrationen |
Angelman-Syndrom, Happy-Puppet-Syndrom | Fehlen der mütterlichen Allele der Region 15q11-13 durch Deletion am von der Mutter geerbten Chromosom 15 oder durch väterliche uniparentale Disomie des Chromosoms 15 | verzögerte Sprachentwicklung, freundliche Disposition mit grundlosem Lachen, Hyperaktivität, Krampfanfälle, Hypopigmentierung, ataktischer Gang, EEG-Auffälligkeiten | genetisches Imprinting | ||
cri-du-chat-Syndrom, Katzenschrei-Syndrom, partielle Monosomie 5p, Lejeune-Syndrom | Deletion eines Abschnitts des kurzen Arms des Chromosoms 5, Region 5p15 | charakteristisches katzenartiges Schreien, Mikrocephalie, Hypertelorismus (Schädelanomalie mit verbreitertem Nasenrücken und vergrößertem Augenabstand), Wachstumsretardierung, Muskelhypotonie | 1:50000 | ||
De-Grouchy-Syndrom I, Deletion 18p | Deletion eines Abschnitts des kurzen Arms des Chromosoms 18 | unterdurchschnittliche Geburtsmaße, rundes Gesicht, Brachycephalie (Rundkopf mit abgeflachtem Hinterkopf), kurze Oberlippe mit breitem Philtrum (Furche der Oberlippe), häufig Immundefekterkrankungen, gelegentlich Krampfleiden, Augenfehlbildungen, Zahnanomalien, Trichterbrust, schwere geistige Retardierung | 1:50000 | ||
De-Grouchy-Syndrom II, Deletion 18q | Deletion eines Abschnitts des langen Arms des Chromosoms 18 | unterdurchschnittliche Geburtsmaße, leichte Mikrocephalie, Mittelgesichtshypoplasie, Gaumenspalte, Klumpfüße, z.T. Herzfehler, Augenleiden, häufig eingeschränkte Sprachentwicklung, Wachstumsretardierung, geistige Retardierung, Gehörgangverengung | < 1:50000 | ||
partielle Trisomie des Chromosoms 9, Trisomie-9p-Syndrom | Trisomie des kurzen Arms des Chromosoms 9 (9pter-q1), meist aufgrund einer Translokation des entsprechenden Chromosomenabschnitts auf ein anderes Chromosom, vereinzelt intrachromosomale Duplikation oder zusätzliches Chromosom 9 mit deletiertem langem Arm | Dysmorphien des Gesichtsschädels, gewölbte Stirn, antimongoloide Lidspalte, Hypertelorismus, geistige Retardierung, Minderwuchs, Nieren- und Herzfehlbildung, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte | über 100 Fälle bekannt | ||
Prader-Willi-Syndrom, Prader-Labhart-Willi-Syndrom | Fehlen der väterlichen Allele der Region 15q11.2-13 durch Deletion am vom Vater geerbten Chromosom 15 oder durch mütterliche uniparentale Disomie des Chromosoms 15 | neonatale Hypotonie, Entwicklungsverzögerung, Adipositas, Minderwuchs, Hypogonadismus, Hypopigmentierung, Diabetes-Risiko, geistige Entwicklung normal bis mittelgradig retardiert | 1:10000 bis 1:25000 | genetisches Imprinting | |
Retinoblastom, Glioma retinae | ein- oder beidseitiger bösartiger Augentumor des Kindesalters, bei 60% der Patienten Deletion am Chromosom 13q, Genort: Chromosom 13q14.1-14.2 | ein- oder beidseitiger Tumor der Netzhaut, der rasch zum Erblinden führt, Fernmetastasierung möglich | 1:20000 bis 1:34000 | ||
Wolf-Hirschhorn-Syndrom, partielle Monosomie 4p | partielle Deletion des kurzen Arms von Chromosom 4, kritische Region: 4p16 | körperliche und geistige Entwicklungsverzögerung, Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Hypertelorismus (Schädelanomalie mit verbreitertem Nasenrücken und vergrößertem Augenabstand), Iriskolobom (Spaltung der Iris), Schielen, breite Nasenwurzel, Herzfehler, Nierenfehlbildungen | 1:50000 |
C) numerische Chromosomenaberrationen |
Klinefelter-Syndrom, Klinefelter-Reifenstein-Albright- Syndrom | zusätzliches X-Chromosom, 47 Chromosomen, XXY-Männer (seltener auch 48,XXXY, 49,XXXXY oder 49,XXXYY) | phänotypisch männlich, infertil, Gynäkomastie (Vergrößerung der männlichen Brustdrüsen), ausbleibende oder verzögerte sekundäre Geschlechtsreife, Barr-Körperchen | 1:400 bis 1:1000 | ||
Trisomie 8 | meist Mosaik von Zellen mit normalen Karyotyp und Zellen mit zusätzlichem freiem Chromosom 8 | Fehlbildungen des Gesichtsschädels, Hornhauttrübung, Skelettanomalien, geistige Retardierung, breite Nase, hoher Gaumen | 1:25000 | ||
Trisomie 21, Down-Syndrom, Morbus Langdon-Down, frühere Bezeichnung: Mongolismus | meist zusätzliches freies Chromosom 21, kritischer Chromosomenabschnitt: 21q22 | Muskelhypotonie, rundes flaches Gesicht, flacher Hinterkopf, Vierfingerfurche, schräge Augenstellung, Lebenserwartung reduziert, individuell unterschiedliche geistige Retardierung, die entwicklungsfähig ist (Oligophrenie), 40–60% der Betroffenen haben einen Herzfehler, Frauen eingeschränkt fertil, Männer steril | 1:500 bis 1:1000 | ||
Trisomie 18, Edwards-Syndrom | meist zusätzliches freies Chromosom 18 | Mikrocephalie, Hypertelorismus (Schädelanomalie mit verbreitertem Nasenrücken und vergrößertem Augenabstand), häufig Herzfehler, „Faunenohren“, Beugekontraktur, Untergewicht, Organfehlbildungen, enges Becken, Verhältnis betroffener Mädchen zu Jungen 4:1, mittlere Lebenserwartung: Mädchen 10 Monate, Jungen 2–3 Monate | 1:5000 bis 1:8000 | ||
Trisomie 13, Patau-Syndrom | meist zusätzliches freies Chromosom 13 | starke geistige Retardierung, Krampfanfälle, Herzfehler, Trigonocephalie (eiförmige Fehlbildung des Kopfes), Kopfhautdefekte, Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Taubheit, Muskelhypotonie, Hexadaktylie | 1:5000 bis 1:10000 | ||
Trisomie X, XXX-Syndrom, Triplo-X-Syndrom | zusätzliches X-Chromosom durch Fehlverteilung in der Meiose führt zum Karyotyp 47,XXX | phänotypisch normal | Frauen: 1:1000 | ||
Turner-Syndrom, Ullrich-Turner-Syndrom, X0-Syndrom | fehlendes X-Chromosom durch Fehlverteilung in der Meiose führt zur Monosomie X, Karyotyp 45,X0 oder Mosaik 45,X0/46,XX; 45,X0/47,XXX, 45,X0/46,XY; 46,X Isochrom Xq; 46,X Deletion Xp; 46,X Ringchromosom X | phänotypisch weiblich (bei entsprechendem Mosaik auch sehr seltener männlicher Phänotyp möglich), Lymphödem in Kopf- und Halsbereich beim Feten, angeborene Herzdefekte, Fehlbildung der Nieren, fehlende Funktion der Ovarien, Minderwuchs, primäre Amenorrhoe, Infertilität, Stranggonaden | Frauen: 1:2500 | ||
XYY-Syndrom | zusätzliches Y-Chromosom durch Fehlverteilung in der Meiose führt zum Karyotyp 47,XYY; selten Mosaike | phänotypisch normale, meist relativ große Männer, Hypogenitalismus, meist verminderte Intelligenz und Psycholabilität | Männer: 1:900 |
D) mitochondriale Erbkrankheiten |
Kearns-Sayre-Syndrom | Deletion im mitochondrialen Genom | Augenmuskellähmung, Pigmentdegeneration der Retina, erhöhte Proteinkonzentration im Liquor, Muskelschwäche, Kardiomyopathie | maternale Vererbung | ||
Lebersche hereditäre Opticus-Neuropathie | Punktmutation im mitochondrialen Genom | Absterben des optischen Nervs bis hin zu Blindheit im 2. Lebensjahrzehnt | maternale Vererbung | ||
mitochondriale Encephalopathie mit Lactat-Acidose | Deletion im mitochondrialen Genom | episodisches Erbrechen, cortikale Blindheit, Hemiparese (Lähmung einer Körperhälfte), Muskelschwäche, Demenz, Kleinwuchs | maternale Vererbung | ||
myoklone Epilepsie und Ragged Red Fibers | Mutation im mitochondrialen Genom | Myoklonus-Epilepsie mit Veränderungen in der Muskelhistologie, Muskelschwäche, Myoklonie (Muskelzuckungen), cerebrale Krampfanfälle | maternale Vererbung |
E) polygene Erbkrankheiten |
Klumpfuß, Pes equinovarus | multifaktoriell, auslösender exogener Faktor: Immobilisierung in utero | Spitzfußstellung des Rückfußes und Adduktion des Vorfußes | 1:1000 | ||
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, „Hasenscharte“, Cheiloschisis | multifaktoriell, Sauerstoffmangel, Strahlenbelastung, Vitamin-A-Mangel, Vitaminüberdosierung, Cytostatika usw. | seitliche, ein- oder doppelseitige Spalte der Oberlippe | 1:600 bis 1:900 | ||
Spina bifida, Neuralrohrdefekte, Anencephalie | multifaktoriell, Sauerstoffmangel, Strahlenbelastung, Vitamin-A-Mangel, Vitaminüberdosierung, Cytostatika usw. | unvollständiger Verschluß des Neuralrohrs | 1:500 bis 1:1000 |
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