Lexikon der Biologie: Grasmücken
Grasmücken, Sylviidae, etwa 400 Arten umfassende Familie insektenfressender Singvögel mit schlankem Schnabel; meist unscheinbar graubraun gefärbt, Geschlechter gleich oder wenig verschieden; weltweit verbreitet mit Schwerpunkt in der Alten Welt; meist Zugvögel (Vogelzug). Hierzu gehören eine Reihe ökologisch und morphologisch verschiedener Gruppen ( ü vgl. Tab. ). Die Grasmücken i.e.S. (Gattung Sylvia) bewohnen buschreiches Gelände, wo sie neben Insekten auch Beerennahrung aufnehmen und ihr Nest mit 4–6 auf grünlich-weißem Grund gefleckten Eiern in Büschen anlegen, oft nicht weit vom Boden entfernt. Sehr stimmbegabte Sänger mit ausgeprägtem Territorialverhalten. Als Zugvögel legen sie teilweise sehr weite Strecken zurück, z.B. 9000 km von Mitteleuropa bis nach Südafrika. Nördliche Populationen derselben Art besitzen spitzere Flügel und ziehen weiter als südliche Populationen, die teilweise sogar im Brutgebiet überwintern. Die Anlage von Depotfett und die experimentell an gekäfigten Vögeln quantifizierbare „Zugunruhe“ lassen klare Beziehungen zum Zugverhalten erkennen. Die periodische Wiederkehr von Zugaktivität wird von einer circannualen Rhythmik (Chronobiologie) gesteuert. Hierbei ist nicht nur das zeitliche Auftreten der Zugunruhe, sondern auch die Zugentfernung genetisch fixiert, wie Kreuzungsversuche mit Vögeln aus skandinavischen und südeuropäischen Populationen zeigten. In den letzten 30 Jahren etwa hat sich ein neues Zugverhalten bei mitteleuropäischen Mönchsgrasmücken herausgebildet, wie von der Vogelwarte Radolfzell untersucht wird: Anstatt weiterhin ausschließlich nach Südeuropa zu fliegen, gibt es eine immer größer werdende Anzahl Vögel, die auf den Britischen Inseln überwintern. Offensichtlich sind die Überwinterungsbedingungen (Futterversorgung) dort günstiger geworden. Dies bedeutet einen kürzeren Zugweg und damit auch einen schnelleren Heimzug im Frühjahr ins Brutgebiet und ein Besetzen der besten Reviere. Von den 19 hauptsächlich in Europa, Nordafrika und Vorderasien verbreiteten Arten brüten 5 in Deutschland; sie leben relativ versteckt und sind am Gesang recht gut unterscheidbar. Am häufigsten ist die 14 cm große Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla), beim Männchen schwarze, beim Weibchen braune Kopfplatte; der zweiteilige Gesang besteht aus einer leisen Vorstrophe und einem lauten, melodiösen Hauptteil; bewohnt buschreiche Wälder und Gärten; ebenso die gleichgroße einfarbige braungraue Gartengrasmücke (Sylvia borin; ü vgl. Abb. 1 ), die einen volltönenden, „orgelnden“ Gesang besitzt. Die etwas kleinere Zaungrasmücke oder Klappergrasmücke (Sylvia curruca; Vögel I) ist durch dunkle Kopfseiten gekennzeichnet, ihr Gesang ist ein leises Zwitschern und ein lautes schnelles Klappern. Unter dem Rückgang von Hecken in der offenen Feldlandschaft hat lokal die Dorngrasmücke (Sylvia communis) zu leiden; ihr rauher Gesang wird häufig in einem tänzelnden Singflug vorgetragen. Mit 15 cm die größte Art ist die unterseits quergestrichelte Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria), die in geringer Anzahl Dickichte und Waldränder in Nord- und Südostdeutschland an der Westgrenze ihres Verbreitungsgebiets bewohnt (in Deutschland stark bestandsgefährdet). Ein im Mittelmeerraum häufiger Bewohner der Zwergbuschsteppe ist die Samtkopfgrasmücke (Sylvia melanocephala), die einen roten Augenring am schwarzen Kopf aufweist; ihr Gesang enthält schnarrende Laute. In trockenem und feuchtem Grasland des Mittelmeergebiets kommt der mehr rohrsängerartige 10 cm große Cistensänger (Cisticola juncidis) vor, der im Singflug andauernd „dsip... dsip... dsip“ ruft. Fliegenschnäpper.
M.N./O.H.
Grasmücken
Abb. 1: Gartengrasmücke (Sylvia borin)
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