Lexikon der Biologie: Körperkontakt
Körperkontakt. Im Gegensatz zur Körperberührung, die auch den kurzen, nicht intimen Hand-Hand-Kontakt und den zufälligen körperlichen Kontakt einschließt, wird der Begriff Körperkontakt vorzugsweise im Sinne intimerer Berührungen mit meist länger andauerndem Kontakt auch größerer Körperpartien verwendet. Von Hautkontakt spricht man, wenn es zudem zu einem direkten Kontakt der Haut ohne trennende Bekleidung kommt. Körper- und Hautkontakt wurden insbesondere hinsichtlich ihrer Bedeutung in der Eltern-Kind-Beziehung und in der sexuellen Partnerbeziehung untersucht (Werberepertoire; ö vgl. Abb. ). Das Berührungsverhalten allgemein unterliegt kulturabhängigen Konventionen, die durchgängig geschlechtsabhängig sind. Nur Liebespartner untereinander und Eltern während der ersten Lebensjahre ihrer Kinder haben Zugang zu allen Körperbereichen, falls nicht in dem jeweiligen Kulturkreis bestimmte Tabu-Zonen Gültigkeit haben, deren Abstufungen abhängig von der Beziehung der Interaktionspartner zueinander sind. Allgemein findet man auf der Nordhalbkugel ein Süd-Nord-Gefälle in der Häufigkeit von Berührungen. Die im Vergleich zu traditionalen Kulturen (Humanethologie) im westlichen Kulturkreis zu beobachtende eingeschränkte Bereitschaft zu Berührungen und Körperkontakt wird nicht nur auf kulturspezifische Konventionen bezüglich des Berührungsverhaltens zurückgeführt, sondern auch auf ein vergleichsweise geringes Gewähren von Körperkontakt im Säuglings- und Kindheitsalter. Körper- und Hautkontakt befriedigen als Anwesenheitssignale, neben dem Bewegtwerden, dem Blickkontakt, dem stimmlichen (Babysprache) und geruchlichen Kontakt, das biologische Grundbedürfnis des Säuglings nach ständiger Gegenwart einer ihn konstant umsorgenden Bezugsperson – nicht zuletzt begründet durch die Zugehörigkeit des Säuglings zum JungentypusTragling (Betreuung, Erstkontakt, Mutter-Kind-Bindung, Verlassenheitsangst). Die Bedeutung von Körperkontakt wurde durch Untersuchungen in Kliniken an Frühgeburten nachgewiesen, deren Entwicklung durch Massagen, vermehrten Körper- und Hautkontakt positiv beeinflußt werden konnte. Auch bei psychosomatischen Hautkrankheiten kann durch regelmäßigen Hautkontakt eine Verbesserung des Krankheitsbildes erreicht werden. Ausreichender Körperkontakt während der gesamten Kindheit – in seiner Ausprägung abhängig vom Entwicklungsalter und dem Geschlecht – gilt heute als günstige Voraussetzung für die Entwicklung eines positiven Körpergefühls (kindliche Entwicklung, Körperbewußtsein, Pubertät), für das Akzeptieren des eigenen Körpers und der sexuellen Körperlichkeit (Sexualerziehung), aber auch für eine frühe selbstinszenierte Selbständigkeit und Explorationsbereitschaft. Das größere Maß an frühkindlichem Körperkontakt gilt im Vergleich zu englischen Kindern bei den afrikanischen !Kung als Ursache für die höhere Selbständigkeit und Explorationsbereitschaft (Erkundungsverhalten) in den späteren Kindheitsjahren. Das Bedürfnis nach nichtsexuellem Körperkontakt ist nicht auf das Kindheitsalter beschränkt; die Wirksamkeit von Tröstungsversuchen auch bei Erwachsenen im Falle von körperlichem oder psychischem Schmerz beruht auch auf den unbewußt eingesetzten Umarmungen und der körperlichen Nähe. – Für eine normale Entwicklung der Jungen verschiedenster Tierarten ist ein regelmäßiger Körperkontakt Voraussetzung, wie die sog. Harlow-Versuche mit isoliert aufgezogenen Rhesusaffen zeigten. Mutterlos aufgezogene Ratten stagnierten z.B. weitgehend in ihrem Wachstum, das erst wieder normal einsetzte, als sie von Pflegern gestreichelt wurden oder ein Muttertier sich um sie kümmerte. In dieser Zeit des fehlenden Körperkontakts war die Bildung des körpereigenen Opiats Endorphin mangelhaft. Derartige Untersuchungsergebnisse dürfen nicht direkt auf den Menschen übertragen werden, geben jedoch für weitere Untersuchungen an Menschen Hinweise (Tier-Mensch-Vergleich). Beißkuß, Distanztier, grooming, Gruppenduft.
E.K.
Körperkontakt
Darstellung der Häufigkeit von Körperberührungen gegengeschlechtlicher Dyaden in der Öffentlichkeit. Es ist im Vergleich der beiden Altersgruppen die mit dem Alter abnehmende Tendenz zur Berührung intimer Bereiche zu erkennen. a Altersbereich: postpubertär bis Mitte 30 Jahre, b Altersbereich: Mitte 30 bis 60 Jahre.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.