Lexikon der Biologie: Bereitschaft
Bereitschaft, in der Literatur zum Teil auch als Handlungsbereitschaft oder Reaktionsbereitschaft bezeichnet, drive, eine ordnende und koordinierende Instanz in der Verhaltenssteuerung. Der Begriff Bereitschaft wird bevorzugt gewählt, wenn die Verhaltensabläufe eines Individuums vor allem von Außenreizen abhängig sind. Während Antrieb andeutet, daß die Verhaltensweise mehr von den inneren Bedingungen abhängt, wie dem Hungerzustand (Hunger) eines Individuums, dem Kontaktbedürfnis (Kontaktbereitschaft) eines Säuglings usw., gegebenenfalls auch staubar ist, weisen z. B. Aggressions- (Aggression) und Fluchtbereitschaft auf den stärker reaktiven Charakter hin (doppelte Quantifizierung, Leerlaufhandlung). Die Begriffe Antrieb, Bereitschaft oder auch Motivation werden oft synonym verwendet. Dem Ausdruck Bereitschaft gibt man in der Verhaltensbiologie immer mehr den Vorzug gegenüber dem des Antriebs. Der aus der Psychologie stammende Begriff Motivation wird heute eher im Sinne einer Bereitschaft zur Ausführung eines bestimmten Verhaltens und einer Beschreibung eines inneren Zustands gebraucht (Motivationsanalyse). – Die Bereitschaft oder auch der Antrieb hängen von einer Reihe innerer und äußerer Faktoren ab, z. B. a) vom Versorgungszustand des Körpers mit Wasser, Nahrung und Luft; b) von der momentanen hormonellen Situation; c) vom Entwicklungsstand; z. B. zeigen nur Jungtiere eine Nachfolgebereitschaft (Nachfolgereaktion) dem Elterntier gegenüber, nur sehr junge Säugetiere haben einen Saugtrieb; d) vom vorangegangenen Verhalten; so senkt bei einigen Verhaltensweisen die Endhandlung die Bereitschaft, dieses Verhalten erneut zu zeigen; e) von vorausgegangenen Sinnesreizen; z. B. steigert ein Schreckreiz häufig für längere Zeit die Fluchtbereitschaft; f) von endogenen Rhythmen (Chronobiologie); die allgemeine Aktivitätsbereitschaft sinkt z. B. immer mehr ab, je näher die Schlafperiode eines Tieres kommt (Allgemeinerregung). Antrieb, Trieb, Bereitschaft oder Motivation lassen sich als Funktion zentralnervöser Verrechnungen verstehen, die eine Vielzahl von Sinnesmeldungen aus dem Körper und der Außenwelt verarbeiten und die wiederum viele verschiedene Zentren und Nervenbahnen beeinflussen. Aus diesen Verrechnungen ergeben sich Verhaltenstendenzen, die sich auch gegenseitig beeinflussen können. Die Stärke einer Bereitschaft kann als ein bestimmtes, auf das Verrechnungszentrum wirkendes Erregungsniveau verstanden werden. Verschieden hohe Bereitschaften sind demnach konkurrierende Erregungsniveaus, die miteinander im Wettstreit um die Vormachtstellung stehen und eine zeitliche Ordnung erstellen (Höchstwertdurchlaß, Instinktmodell). Diese informationstheoretische Deutung von Bereitschaft, Antrieb und Motivation ersetzt die älteren Vorstellungen, die auf Energie oder auf Produktion eines hormonähnlichen Stoffes beruhten (aktionsspezifische Energie, Allgemeinerregung). Als neuronale Grundlage von Bereitschaft, Antrieb und Motivation werden insbesondere unspezifische Hirnregionen betrachtet, die viele sensorische Informationen zugleich erhalten und wiederum in verschiedene Hirnregionen projizieren, die sowohl sensorische als auch motorische Funktionen haben können. Bei Säugetieren einschließlich des Menschen ( vgl. Tab. ) befinden sich die wichtigsten Bereitschaftszentren im Vorderhirn (u. a. medialer Frontalcortex, mediales Vorderhirnbündel, olfaktorischer Bulbus), im Hypothalamus (einem Teil des Zwischenhirns) und im Thalamus. Die elektrische Reizung dieser Hirnregionen erzeugt oft komplexe Verhaltensweisen, die emotional getönt sein können (Emotionen), z. B. Wut, Angst, Aggression, Freß- oder Sexualverhalten. Ähnliche Effekte erzielen Stimulationen des entorhinalen und cingulären Cortex und des limbischen Systems einschließlich der Amygdala. Solche Experimente belegen, daß die genannten Hirnregionen eine wichtige Rolle bei der Steuerung motivierten Verhaltens spielen. Die allgemeine Aktivitätsbereitschaft (die für viele andere Bereitschaften Voraussetzung ist) wird von der Formatio reticularis des Hirnstamms und dem Locus coeruleus gesteuert. Viele Axone der Nervenzellen dieser Regionen sind stark verzweigt. Dadurch können leicht weite Bereiche des Großhirns erregt werden, zum Teil auch des Zwischenhirns. Appetenz, Bedürfnis, Funktionskreis, Reiz; Bereitschaft I
Bereitschaft II
; vgl. Infobox I–II.
E.K./R.V.
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