Lexikon der Biologie: Paarhufer
Paarhufer, Paarzeher, Artiodactyla, Paraxonia, die den Unpaarhufern gegenübergestellte Ordnung der Huftiere mit den 3 Unterordnungen: Nichtwiederkäuer (Nonruminantia;Schweine und Flußpferde), Schwielensohler (Tylopoda;Kamele) und Wiederkäuer(Ruminantia). Mit 81 rezenten Gattungen und etwa 200 Arten stellen die Paarhufer heute die Hauptmasse der Huftiere und zugleich der Großsäuger; ihnen gehören die bedeutendsten Beute- und Haustiere des Menschen an. – Paarhufer sind Zehenspitzengänger ( vgl. Abb. ). Allen rezenten Paarhufern fehlt die 1. Zehe (Reduktion; Autopodium, Extremitäten, Finger). Mit 4 Zehen (pro Fuß) treten nur (noch) die Flußpferde auf. Bei allen übrigen heute lebenden Paarhufern berühren normalerweise nur die 3. und 4. Zehe den Boden; die 2. und 5. Zehe sind unterschiedlich weit reduziert. Bei Flußpferden und Schweinen verhindern sie noch das Einsinken im weichen Boden, Kamelen und Giraffen fehlen sie völlig (Afterklauen). Im Zuge der fortschreitenden Rückbildung der seitlichen Zehen verwachsen die Mittelhand- (bzw. Mittelfuß)knochen der beiden mittleren Zehen (3. und 4.) bei den meisten Paarhufern zu einem einzigen kräftigen Knochen, dem "Kanonenbein" (z.B. Hirsche, Rinder, Kamele). Ein Schlüsselbein (Clavicula) fehlt völlig. Die Körpergröße der Paarhufer reicht vom nur hasengroßen Hirschferkel bis zu Flußpferd und Giraffe. Stets vorhandene Hautdrüsen dienen der innerartlichen Verständigung über den Geruch von Sekreten; die meisten Paarhufer sind Makrosmaten. Waffen (verlängerte Eckzähne, Geweihe, Hörner [Gehörn]) werden fast nur bei innerartlichen Auseinandersetzungen (Kampfverhalten) eingesetzt. Paarhufer besitzen ein stark differenziertes Großhirn und zeigen gute Sinnesleistungen. Die meisten Paarhufer leben ausschließlich von pflanzlicher Nahrung; besondere Anpassungen der Bezahnung (z.B. Diastema zwischen Schneidezähnen und Backenzähnen; Gebiß, Zähne) und der Verdauung (z.B. mehrhöhliger Magen; Pansensymbiose, Wiederkäuer-Magen) haben sowohl die eigentlichen Wiederkäuer als auch die ebenfalls wiederkäuenden Kamele entwickelt (Wiederkäuen). – Stammesgeschichte: Die frühestbekannten Paarhufer (z.B. Diacodexis) stammen aus dem Alteozän von Nordamerika und Europa. Im Bau ihrer Gliedmaßen erinnern sie an Urraubtiere (Creodonta), im Zahnbau jedoch an "Urhuftiere" (Condylarthra), von denen G.G. Simpson sie – nicht unumstritten – gemeinschaftlich mit den Unpaarhufern abgeleitet hat; Bindeglieder fehlen bisher. Im Alttertiär herrschten Paarhufer mit bunodonten Backenzähnen vor; im Jungtertiär überwogen solche mit selenodonten Molaren, unter denen gegenwärtig die geologisch jüngste Gruppe der Rinderartigen (Boviden; Hornträger) zahlenmäßig hervortritt. Von den Nichtwiederkäuern kennt man ab dem unteren Eozän ca. 172 ausgestorbene Gattungen. Schweineartige(Suina), die vermutlich in Asien beheimatet waren, setzten im Oligozän ein. Unter den Bunoselenodontiern (ab mittlerem Eozän) erreichten die Anthracotherien ("Kohlentiere"), aus denen die späteren Flußpferde hervorgegangen sein könnten, sogar Nashorngröße. Schwielensohler (ca. 34 ausgestorbene Gattungen) existierten mindestens seit dem mittleren Eozän als selbständige Gruppe; Nordamerika gilt als ihr Ursprungsland. Die Wiederkäuer (ab dem oberen Eozän mit ca. 296 ausgestorbenen Gattungen) erreichten ihren zahlenmäßigen Entwicklungshöhepunkt erst im Pleistozän. Vieles spricht dafür, daß Schwielensohler und Wiederkäuer ihre gemeinsame Fähigkeit zum doppelten Kauen der Nahrung auf verschiedenen Wegen (d.h. konvergent; Konvergenz) entwickelt haben.
H.Kör.
Paarhufer
1 Skelett der Hinterextremität von Schwein (a) und Rind (b) in Seitenansicht; 2 Skelett der Hand von Schwein (a) und Rind (b) in Vorderansicht. El Elle, Fb Fersenbein, Fi Finger, Fw Fußwurzelknochen, Hw Handwurzelknochen, Ks Kniescheibe, Mf Mittelfußknochen, Mh Mittelhandknochen, Os Oberschenkel, Sch Schienbein, Sg Sprunggelenk, Sp Speiche, Wb Wadenbein, Ze Zehen
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