Lexikon der Biologie: T-Zell-Erziehung
T-Zell-Erziehung, Auswahlmechanismus, der sicherstellt, daß nur funktionsfähige und nicht-autoreaktive (Autoreaktivität) T-Lymphocyten (Immuntoleranz, Selbsttoleranz) im Organismus wirksam werden können. Die T-Zell-Erziehung ist notwendig, da viele heranreifende T-Lymphocyten (Thymocyten) durch das zufallsmäßige Rearrangement der T-Zell-Rezeptor-Gene sowohl nicht-funktionelle als auch autoreaktive T-Zell-Rezeptoren bilden, die eliminiert werden müssen. Beide Auswahlphasen laufen im Thymus als dem primären lymphatischen Organ der Thymocyten-Entwicklung ab und sind an die Expression von MHC-Molekülen (Histokompatibilitäts-Antigene) auf bestimmten Zelltypen (dendritische Zellen, Makrophagen, Thymus-Epithelzellen) dieses Organs gebunden. In der ersten Phase werden die auf den Thymocyten erstmals exprimierten T-Zell-Rezeptoren auf ihre Fähigkeit getestet, Antigene in Kombination mit körpereigenen MHC-Molekülen auf cortikalen Thymusepithelzellen zu erkennen (MHC-Restriktion, Antigen-Präsentation). Ist dies aufgrund ausreichender Bindungs-Avidität zwischen Rezeptor und MHC-Molekül der Fall, so erhält die entsprechende Zelle ein positives Wachstumssignal (positive Selektion) und tritt für einige Runden in den Zellzyklus ein. Je nachdem, ob sie mit einem MHC-Molekül der Klasse I oder II interagiert hat, wird sie sich später zu einer CD8-positiven (CD-Marker) Killer-Zelle oder zu einer CD4-positiven Helfer-T-Zelle (Helfer-Zellen) entwickeln. Ist sie zu dieser Erkennung nicht in der Lage bzw. die Bindung zu schwach, stirbt sie durch Apoptose ab. Mit der Veränderung des Expressionsmusters verschiedener an der Signaltransduktion beteiligter Gene (z.B. Corezeptoren) und der Wanderung in die Medulla des Thymus treten die Zellen nun in die zweite Selektionsphase ein. Hier werden die Zellen, deren Rezeptoren MHC-Moleküle mit körpereigenen Antigenen (Autoantigene) zu stark interagieren, ebenfalls durch Apoptose aussortiert (negative Selektion). Der gleiche Vorgang wie bei der positiven Selektion, nämlich die Interaktion mit den Antigen-präsentierenden Zellen des Thymus, führt nun unter geänderten Bedingungen zum Absterben der Zellen. Übrig bleiben nur die T-Lymphocyten, die körpereigene MHC-Moleküle erkennen, ohne mit den präsentierten Autoantigenen zu reagieren. Beide Phasen zusammen führen zu einem Absterben von ca. 95% der ursprünglich gebildeten Thymocyten. So kann man sich die Erzeugung von Selbsttoleranz gegen Antigene vorstellen, die im Thymus exprimiert und von den MHC-Molekülen präsentiert werden. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, wie Toleranz für Antigene erzeugt wird, die aus anderen Teilen des Körpers stammen. Manche Forscher nehmen an, daß die Makrophagen des Thymus diese Antigene aus dem Körper in den Thymus mitgebracht haben, andere vermuten, daß für solche Antigene andere Formen der Immuntoleranz außerhalb des Thymus existieren (periphere Toleranz). Manche der Antigene sind auch von einem Kontakt mit dem Immunsystem ausgeschlossen (in sog. immunologisch privilegierten Stellen, etwa der Augenkammer), so daß sie erst gar keine Immunantwort hervorrufen. In anderen Fällen ist die Konzentration des Selbst-Antigens oder die Avidität des T-Zell-Rezeptors für das Antigen vermutlich zu niedrig, um eine Immunantwort hervorrufen zu können. Die T-Zellen müssen durch diesen Lernprozeß gehen, da fast jedes Individuum mit anderen MHC-Molekülen ausgestattet ist. In diesem MHC-Polymorphismus liegt auch der evolutionäre Vorteil des Systems, da Krankheitserreger in jedem Individuum mit einer anderen Art der Immunantwort konfrontiert werden und sich in ihrer Evolution nicht auf ein Immunsystem einstellen können. Wasting-Syndrom.
U.T./O.L.
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