Lexikon der Biologie: Ti-Plasmide
Ti-Plasmide, Ti-Plasmide, ca. 200 kbp große Plasmide in Agrobacterium (tumefaciens), deren Vorhandensein zur Tumorinduktion (Wurzelkropf) durch das Bakterium unabdingbar ist (Ti = Tumor induzierend; Pflanzentumoren). Die T-DNA, eine spezifische DNA-Sequenz, die von Agrobacterium tumefaciens auf das Pflanzengenom übertragen wird, stellt einen kleinen Teilbereich der Ti-Plasmide dar. Ti-Plasmide können nach den Opinen, die in den entsprechenden Tumorgeweben auftreten, klassifiziert werden ( vgl. Tab. ). Bestuntersuchte Ti-Plasmidklassen sind die Octopin- und Nopalin-Ti-Plasmide. Sie besitzen DNA-Bereiche, die bei der Wechselwirkung des Bakteriums mit der Pflanze eine essentielle Rolle spielen ( vgl. Abb. 1 und vgl. Abb. 2 ): die Virulenz-Funktionen (vir-Gene), die T-DNA, die Konjugations-Funktionen (tra-Gene) und die Opinkatabolismus-Funktionen (noc- bzw. acc-Gene bei Nopalinplasmiden; occ- bzw. agc-Gene bei Octopinplasmiden). Die Vir-Region setzt sich aus mehreren Genloci (virA–G) zusammen, die durch phenolische Komponenten (z.B. Acetosyringon) verwundeter Pflanzenzellen induziert werden. Den Genen virA und virG kommen als Sensor/Regulator-Paar im Zusammenhang mit der Signalperzeption (virA) und der Signaltransduktion(virA und virG) große Bedeutung zu. Als Folge werden die restlichen vir-Loci induziert, die zusammen mit chromosomalen Virulenzgenen der Agrobakterien (chv-Gene) den Transfer der T-DNA bewerkstelligen. T-DNA (bei Nopalin-Ti-Plasmiden ca. 23 kbp groß) wird von inperfekten direkten Sequenzwiederholungen (direkte Wiederholung, repeats) flankiert, die von den Endonucleasen VirD1/VirD2 bei der Freisetzung der T-DNA aus den Ti-Plasmiden geschnitten werden. Die T-DNA codiert für Proteine zur Überproduktion von Phytohormonen, Auxinen und Cytokininen (kontrollieren Wachstum und Differenzierung pflanzlicher Gewebe) sowie für Proteine zur Synthese tumorspezifischer Aminosäurederivate (Opine). Die Gene der T-DNA, mit typischen eukaryotischen Regulatorbereichen sowie Signalsequenzen zur Polyadenylierung ausgestattet, jedoch ohne Intronen, werden nach stabiler Integration in das pflanzliche Genom konstitutiv exprimiert und führen zur Tumorbildung. Das Tumorgewebe ist hormonautotroph und zeichnet sich durch die Synthese der Opine (z.B. Nopalin oder Octopin) aus. Das Prinzip der Opinsynthese besteht darin, primäre pflanzliche Metaboliten durch „ungewöhnliche“ biochemische Reaktionen dem pflanzeneigenen Stoffwechsel unzugänglich zu machen, so daß diese akkumulieren und aktiv sezerniert werden. Die freigesetzten Opine induzieren auf den Ti-Plasmiden der Agrobakterien zum einen die tra-Gene, deren Produkte die Konjugationsrate innerhalb der Agrobakterienpopulation erhöhen und somit aktiv die Verbreitung der Ti-Plasmide fördern, zum anderen induzieren sie die Opin-katabolen Funktionen (z.B. Occ = Octopinkatabolismus und Agc = Agropinkatabolismus bei Octopin-Ti-Plasmiden), welche die Umsetzung der Opine als Nahrungsgrundlage der Agrobakterien katalysieren ( vgl. Abb. 2 ). – Die Eigenschaften von Ti-Plasmiden als „natürliche Genfähren“ werden inzwischen für die Pflanzen-Transformation genutzt, indem zahlreiche sog. „entwaffnete“ (engl. disarmed) Ti-Plasmide zur Verfügung stehen, deren Tumor induzierende Eigenschaften eliminiert wurden. Dabei sind Transformationsvektoren entstanden, die durch das Vorhandensein von für die Replikation erforderlichen Sequenzen sowie Antibiotikaresistenzgenen (Antibiotika-Resistenz, Resistenzfaktoren) sowohl in Escherichia coli als auch in Agrobacterium tumefaciens repliziert werden, so daß die zu übertragende DNA zunächst mit mikrobiologischen und genetischen Standardverfahren bearbeitet werden kann, bevor die Ti-Plasmide dann in Agrobakterien transformiert werden. T-DNA und vir-Gene müssen nicht auf demselben Plasmid lokalisiert sein, so daß diese Gene vielfach auf einem separaten, sog. Helfer-Plasmid in für die Pflanzentransformation gebräuchlichen Agrobakterienstämmen vorliegen (binäre Vektoren). Auf diese Weise kann die Größe der Ti-Plasmide deutlich reduziert werden, was die Handhabung im Labor wesentlich erleichtert. – Die mit Agrobacterium tumefaciens verwandte Bakterienart Agrobacterium rhizogenes erzeugt durch ihr sog. Ri-Plasmid die verstärkte Bildung von Wurzelhaaren. Zwischen Ti-Plasmiden und Ri-Plasmiden (Ri von engl. root inducing, Wurzeln bildend) bestehen keine Sequenzhomologien. Gentechnologie, Pflanzentumoren, transgene Pflanzen, Vektoren.
Ti-Plasmide
Abb. 1: Schema eines Ti-Plasmids vom Nopalin-Typ (pTiC58). Eingezeichnet sind: die in das Pflanzengenom transferierbare T-Region, 3 Bereiche mit Konjugations-Genen (Tra I–III), die Lage des vegetativen (oriV) sowie des konjugativen (oriT) „origin of replication“, die Vir-Funktionen A–G, Abschnitte mit Nopalin-katabolen (noc-) sowie Agrocinopin-katabolen (acc-) Genen und ein Bereich mit Funktionen für die Inkompatibilität (inc) zwischen bestimmten Ti-Plasmiden.
Ti-Plasmide
Abb. 2: Schematische Darstellung einer Pflanzentransformation durch die Übertragung der T-DNA des Ti-Plasmids bei einer Agrobacterium-tumefaciens-Infektion. Folgen davon sind die durch dieses Bodenbakterium verursachten, als Wurzelhalsgallenkrebs bezeichneten Gewebewucherungen.
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