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Lexikon der Chemie: Symmetrie

Symmetrie, im allgemeinsten Sinne das Vorhandensein von Regelmäßigkeiten bestimmter räumlicher oder mathematischer Strukturen derart, daß diese nach Ausführen bestimmter Operationen wieder in sich übergehen. Am anschaulichsten tritt die S. an geometrischen Objekten in Erscheinung. Sie bedeutet hier die nach bestimmten Regeln erfolgende Wiederholung eines strukturellen oder morphologischen Motivs. Derartige Objekte, die in der Chemie eine besondere Rolle spielen, sind z. B. Moleküle, Koordinationspolyeder oder Kristalle. In der Physik und Mathematik wird der Symmetriebegriff auch auf abstrakte Beziehungen und Gesetze angewendet, wenn sich diese invariant gegenüber bestimmten Transformationen verhalten.

Man bezeichnet einen Körper als symmetrisch, wenn er durch eine geometrische Operation, die Symmetrieoperation (Deckoperation), in eine zu seiner Ausgangslage nicht unterscheidbare Lage überführt werden kann. Aus mathematischen Gründen betrachtet man auch die Identitätsoperation, die den Körper in seiner ursprünglichen Lage beläßt und eigentlich nur eine Pseudooperation ist, als eine Symmetrieoperation. Die ununterscheidbaren Lagen des Körpers können demnach entweder symmetrieäquivalent oder identisch sein. Notwendige Voraussetzung zur Ausführung einer Symmetrieoperation ist das Vorhandensein eines geometrischen Ortes, also eines Punktes, einer Geraden oder einer Fläche, auf den sie sich selbst bezieht und der als Symmetrieelement bezeichnet wird. Symmetrieoperationen und -elemente bedingen sich gegenseitig: Die Symmetrieoperation ist bezüglich eines bestimmten Symmetrieelementes definiert und kann nur an ihm ausgeführt werden, die Anwesenheit eines Symmetrieelementes kann nur durch Ausführen der entsprechenden Symmetrieoperation demonstriert werden. Meist werden die einander entsprechenden Symmetrieelemente und -operationen mit dem gleichen Symbol bezeichnet. Dabei wird für die Beschreibung der S. von Molekülen (Molekülsymmetrie) vorwiegend die Symbolik nach Schoenflies, für die S. in einem Kristall dagegen bevorzugt die internationale Symbolik nach Hermann-Mauguin verwendet.

Bei begrenzten räumlichen Objekten kommen folgende Symmetrieoperationen bzw. -elemente (Abb. 1) in Frage (es sind die entsprechenden Schoenflies-Symbole angegeben):

1) Identitätsoperation (identische Operation, Symbol E).

2) Drehung um eine Drehachse (Symbol Cn). Wird bei Drehung um 360° n-mal Deckungsgleichheit erzielt bzw. beträgt der kleinste zur Erzielung von Deckungsgleichheit erforderliche Drehwinkel 360°/n, so handelt es sich um eine Achse der Zähligkeit n (n-zählige Drehachse). Beim gleichzeitigen Auftreten mehrerer Drehachsen wird diejenige mit der höchsten Zähligkeit als Hauptdrehachse bezeichnet. Die Hauptdrehachse eines axialsymmetrischen Körpers (Drehung um beliebige Winkel zur Erzielung von Deckungsgleichheit) hat die Zähligkeit unendlich (Symbol C∞).



Symmetrie. Abb. 1: Punktsymmetrieelemente: (a) Drehachsen, (b) Spiegelebene, (c) Symmetriezentrum, (d) Drehspiegelachse, (e) Drehinversionsachse.

3) Spiegelung an einer Spiegelebene (Symmetrieebene, Symbol σ). Eine Spiegelebene teilt einen Körper so in zwei Hälften, daß sie sich wie Bild und Spiegelbild verhalten. Soll die Lage einer Spiegelebene bezüglich einer Hauptdrehachse angegeben werden, so wird ihr Symbol mit einem Index versehen (Abb. 2): σh- die Spiegelebene steht senkrecht zur Hauptdrehachse; σv – die Spiegelebene enthält die Hauptdrehachse; σd – die Spiegelebene enthält die Hauptdrehachse und halbiert den Winkel zwischen zwei C2-Achsen, die senkrecht zur Hauptdrehachse liegen.



Symmetrie. Abb. 2: Arten von Symmetrieebenen.

4) Inversion an einem Symmetriezentrum (Inversionszentrum, Symbol i). Zu jedem Punkt gibt es in gleichem Abstand, aber in entgegengesetzter Richtung zum Symmetriezentrum einen symmetrieäquivalenten Gegenpunkt.

5) Drehspiegelung an einer Drehspiegelachse (Symbol Sn). Sie stellt eine zusammengesetzte Symmetrieoperation dar und besteht in der Drehung Cn um eine Drehachse und in der anschließenden Spiegelung σh an einer zur Achse senkrechten Ebene. Eine zweizählige Drehspiegelachse S2 entspricht in ihrer Wirkung einem Symmetriezentrum i.

6) Drehinversion an einer Drehinversionsachse (kein Schoenflies-Symbol, Symbol nach Hermann-Mauguin n-). Bei dieser gleichfalls zusammengesetzten Symmetrieoperation erfolgt Drehung Cn und anschließende Inversion i. Jede Drehinversionsachse ist mit einer Drehspiegelachse äquivalent, allerdings können die Zähligkeiten unterschiedlich sein; so bestehen z. B. die Beziehungen 1- = S2, 2- = S1, 3- = S6, 4- = S4. Die Benutzung der Drehspiegelung und Drehinversion zur Symmetriebeschreibung erfolgt alternativ, in der Chemie wird die erstgenannte, in der Kristallographie die letztgenannte Symmetrieoperation bevorzugt.

Geometrische Objekte können außer der Identität kein, ein oder auch mehrere Symmetrieelemente aufweisen. Die Gesamtheit aller Symmetrieoperationen an einem Objekt bildet eine mathematische Gruppe. Da bei allen an einem Objekt endlicher Ausdehnung durchführbaren Symmetrieoperationen (mindestens) ein Punkt seine Lage beibehält, bezeichnet man die entsprechende Gruppe von Symmetrieoperationen als Symmetriepunktgruppe oder kurz Punktgruppe. Zur Bestimmung und Symbolik der Punktgruppen von Molekülen Molekülsymmetrie.

Zur Beschreibung aller Möglichkeiten von S., die in der äußeren Gestalt eines Kristalls auftreten können (makroskopische S.), genügen 32 Punktgruppen, die auch als die 32 Kristallklassen bezeichnet werden (Kristall). Für die strukturellen Symmetrieverhältnisse (mikroskopische S.) muß außerdem die Translation als Symmetrieoperation berücksichtigt werden. Sie besteht in einer beliebig oft wiederholbaren Parallelverschiebung um eine bestimmte Strecke und bildet die Grundlage für die unendlich ausgedehnte Gitterstruktur der Kristalle. Durch die Kopplung der Translation mit den beiden Punktsymmetrieoperationen Drehung bzw. Spiegelung ergeben sich zwei neue Mikrosymmetrieoperationen (Abb. 3):

1) Schraubung entlang einer Schraubenachse (Symbol nach Hermann-Mauguin: np). Dabei erfolgt Drehung um 360°/n und gleichzeitige Verschiebung parallel zur Drehachse um die Schraubungs

komponente

wobei t = Translationsperiode und p = 1, 2, ... (n – 1). So erreicht z. B. bei einer 41-Achse ein Punkt nach viermaliger Drehung um 90° bei jeweiliger Verschiebung um t/4 eine translatorisch äquivalente Position (Abb. 3a).

2) Gleitspiegelung an einer Gleitspiegelebene. Hierbei wird ein Punkt um die halbe Translationsperiode verschoben und an einer zur Translationsrichtung parallelen Ebene gespiegelt (Abb. 3b). Das Symbol für die Gleitspiegelung wird durch die Gleitrichtung bestimmt (a, b, c, n oder d).



Symmetrie. Abb. 3: Symmetrieelemente mit Translationskomponente: (a) Schraubenachse (mit Rechts- bzw. Linkswindung), (b) Gleitspiegelebene.

Die systematische Kombination aller Möglichkeiten für die kristallographische Struktursymmetrie führt zu den 230 Raumgruppen.

Vom Symmetriekonzept wird in den Naturwissenschaften vor allem Gebrauch gemacht, um die Anwendung theoretischer Gesichtspunkte auf experimentelle Ergebnisse einfacher zu gestalten. Der Vorteil liegt darin begründet, daß einerseits Symmetrieargumente sehr anschaulich sind und andererseits die S. mit Hilfe der Gruppentheorie einer exakten mathematischen Behandlung leicht zugänglich ist. Die chem. und physikalischen Eigenschaften vieler chem. Spezies werden entscheidend durch ihre S. bzw. die S. ihrer geometrischen Verknüpfung bestimmt. Die Aufklärung und das Verständnis chem. Strukturen beruht in hohem Maße auf der Kenntnis ihrer Symmetrieeigenschaften. Wichtige Anwendungsgebiete der S. sind die Quantenchemie, die Spektroskopie, die Interpretation von Dipolmomenten und der optischen Aktivität sowie die Strukturbestimmung mit Hilfe der Röntgenstrahl-, Neutronen- und Elektronenbeugung.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
Prof. Dr. Carola Griehl, Halle
Prof. Dr. Gerhard Gritzner, Linz
Prof. Dr. Helmut Hartung, Halle
Prof. Dr. Peter Hellmold, Halle
Prof. Dr. Günter Hoffmann, Eberswalde
Prof. Dr. Hans-Dieter Jakubke, Leipzig
Prof. Dr. Thomas M. Klapötke, München
Prof. Dr. Hans-Peter Kleber, Leipzig
Prof. Dr. Reinhard Kramolowsky, Hamburg
Dr. Wolf Eberhard Kraus, Dresden
Dr. Günter Kraus, Halle
Prof. Dr. Ulrich Liebscher, Dresden
Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin
Dr. Frank Meyberg, Hamburg
Prof. Dr. Peter Nuhn, Halle
Dr. Hartmut Ploss, Hamburg
Dr. Dr. Manfred Pulst, Leipzig
Dr. Anna Schleitzer, Marktschwaben
Prof. Dr. Harald Schmidt, Linz
Dr. Helmut Schmiers, Freiberg
Prof. Dr. Klaus Schulze, Leipzig
Prof. Dr. Rüdiger Stolz, Jena
Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
Dr. Ralf Trapp, Wassenaar, NL
Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
Dr. Klaus-Peter Wendlandt, Merseburg
Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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