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Teleparallele Gravitation: Eine neue Raumzeit für eine Weltformel

Materie könnte die Raumzeit nicht nur krümmen, sondern auch verdrehen oder verzerren. Die Theorie der teleparallelen Gravitation revolutioniert unser Verständnis von Raum und Zeit.
Illustration einer komplizierten Raumzeitstruktur
Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie sagt eine gekrümmte Raumzeit vorher. Aber sie könnte sich auch drehen und winden.

»Der Raum sagt der Materie, wie sie sich zu bewegen hat. Die Materie sagt dem Raum, wie er sich zu krümmen hat.« So wird die Idee von Albert Einsteins allgemeinen Relativitätstheorie als Randnotiz im legendären Lehrbuch »Gravitation« von Charles Misner, Kip Thorne und John Wheeler aus dem Jahr 1973 zusammengefasst. Und so lernen es Generationen von Studierenden seither. Aber stimmt das überhaupt?

Anfang des 20. Jahrhunderts sorgte Einstein für eine Revolution. Mit seinen Relativitätstheorien verloren Raum und Zeit ihre bisherige Konstanz. Plötzlich waren sie dynamische Größen, dehnbar und verformbar. Und er ging noch einen Schritt weiter. Da alle Objekte gleich schnell fallen und somit die Gravitation auf alle Körper gleich wirkt, erkannte er, dass die Kraft keine Eigenschaft der Gegenstände an sich ist, sondern des Raums – oder besser der Raumzeit.

Themenwoche: Die Jagd nach der Weltformel

Die Gravitation sticht als einzige der vier Grundkräfte heraus: Anders als der Elektromagnetismus und die Kernkräfte scheint sie nicht den seltsamen Regeln der Quantenphysik zu folgen. Viele Physiker sind davon überzeugt, dass eine Theorie der Quantengravitation für ein vollumfängliches Verständnis unserer Welt nötig ist. In dieser Themenwoche beleuchten wir einige Anwärter einer solchen Theorie – und erklären, wie man sie testen könnte.

Wissenschaftsgeschichte: Die 100 Jahre lange Suche nach einer Weltformel
Schleifenquantengravitation: Das Ende der Zeit
Teleparallele Gravitation: Eine neue Raumzeit für eine Weltformel
Nichtkommutative Geometrie: Eine quantenmechanische Struktur des Kosmos
Entropie: Schwarze Löcher als Schlüssel zur Weltformel
Experimente: Folgen Raum und Zeit den Gesetzen der Quantenphysik?
Gödelsche Unvollständigkeit: Ist die Frage nach einer Weltformel unentscheidbar?

Alle Inhalte zur Themenwoche »Die Jagd nach der Weltformel« finden Sie auf unserer Themenseite »Quantengravitation«.

Einstein kam zu dem Schluss, den Misner, Thorne und Wheeler so griffig formuliert haben. Materie krümmt die Raumzeit, und diese Verformung führt wiederum dazu, dass sich die Materie entlang der Verformung bewegt. Ein oft herangezogenes anschauliches Bild ist ein Gummituch. Man stellt sich die vierdimensionale Raumzeit als flexible zweidimensionale Fläche vor. Eine schwere Kugel, die auf dem Tuch liegt, krümmt dieses und beeinflusst dadurch die Bewegung anderer Kugeln darauf – so wie Sterne im Universum etwa die Planetenbahnen erzeugen.

So schön das Modell auch sein mag: Es hinkt. Was wir hier als Krümmung des Gummituchs sehen, ist nur ein Spezialfall, nämlich die Krümmung einer zweidimensionalen Fläche im dreidimensionalen Raum. Einsteins Theorie bezieht sich dagegen auf die vierdimensionale Raumzeit an sich, ohne höherdimensionale Umgebung. Selbst in so einem komplizierten Gebilde lässt sich Krümmung beschreiben; allerdings wird die Mathematik dadurch viel komplizierter.

Es gibt in der Tat mehrere Möglichkeiten, die geometrischen Auswirkungen von Materie in der Raumzeit zu beschreiben. Einstein hat sich für die simpelste Version entschieden. Aber vielleicht folgt unser Universum komplizierteren Regeln. Materie könnte nicht nur eine Krümmung des Raums erzeugen, sondern diesen auch verzerren oder verdrehen. Indem wir modifizierte Gravitationstheorien heranziehen, welche die allgemeine Relativitätstheorie verallgemeinern, wollen wir uns dem heiligen Gral der Physik nähern: einer vereinheitlichten Theorie, die alle vier Grundkräfte miteinander verbindet.

Was ist Krümmung?

Um zu beurteilen, ob ein Objekt gekrümmt ist, betrachtet man dessen Oberfläche meist von außen. Vom All aus lässt sich beispielsweise sofort erkennen, dass die Erdoberfläche wie eine Kugel geformt ist. Tatsächlich allerdings muss man aus mathematischer Sicht kein Objekt von außen anschauen, um eine Krümmung zu erkennen. Für Physiker ist das ein Glücksfall, andernfalls müsste man sich fragen, was außerhalb des Universums liegt.

Die Krümmung einer Figur lässt sich auch über einen so genannten Zusammenhang bestimmen. Diese Größe beschreibt, wie sich Pfeile, die man Vektoren nennt, verändern, wenn man sie verschiebt. Angenommen, ein Auto mit einem aufgemalten Pfeil auf dem Dach fährt immer geradeaus. Die Vorschrift »Nimm einen Vektor in Berlin, stelle ihn durch einen Pfeil auf einem Autodach dar und fahre mit diesem Auto in gerader Linie nach München« ist ein Beispiel für einen Zusammenhang. Die Aussage gibt vor, wie Vektoren entlang einer Fahrtstrecke transportiert werden sollen. Statt Berlin oder München kann man natürlich beliebige Punkte auf der Erde wählen.

So könnte man etwa am Schnittpunkt des Nullmeridians mit dem Äquator starten (ein Ort irgendwo im Golf von Guinea) und von dort einen nach Norden zeigenden Vektor in Fahrtrichtung bis zum Nordpol transportieren. Dort kann man diesen Vektor, ohne zu drehen, dann jemandem geben, der von links kommend über den Nordpol fährt. Der Vektor zeigt dann beim anderen Auto in Fahrtrichtung links. Lässt man dieses entlang des 90. Längengrads wieder bis zum Äquator fahren, dann zeigt der Vektor bei seiner Ankunft nach Osten. Transportiert man ihn von dort aus mit einem weiteren Auto nach Westen (wobei der Vektor jetzt entgegen der Fahrtrichtung zeigt), kommt man wieder am Ausgangspunkt an. Der Vektor zeigt nun nach Osten, hat sich also gegenüber seiner ursprünglichen Nordrichtung gedreht.

Ein Pfeil auf einem Globus
Paralleltransport | Transportiert man einen Pfeil entlang eines geschlossenen Wegs auf der Erde, dann ändert er seine Richtung. Grund dafür ist die Krümmung der Erde.

Wenn Vektoren, die entlang eines geschlossenen Wegs bewegt werden, ihre Richtung ändern, bezeichnet man einen Zusammenhang als gekrümmt. Damit lässt sich beweisen, dass die Erdoberfläche gekrümmt ist – ohne dafür ins All fliegen zu müssen.

Anschaulich lässt sich Krümmung am besten an einem konkreten geometrischen Objekt vorstellen, an einer Kugel. Doch man braucht weder den dreidimensionalen Kugelkörper noch den umgebenden Raum, um den Zusammenhang zu beschreiben. Man kann die Erdoberfläche zum Beispiel durch eine flache Weltkarte darstellen. Wenn man auf diese einen Pfeil zeichnet, der den ursprünglichen Vektor am Ausgangspunkt darstellt, und dann alle paar Kilometer einen weiteren Pfeil notiert, der angibt, wohin dieser Vektor nach einer Autofahrt transportiert wird, lässt sich die passende Transportvorschrift auf der Karte darstellen. Die Karte könnte man jemandem geben, der noch nie zuvor die Kugelgestalt der Erde gesehen hat. Sogar ohne diese zu kennen, würde die Person verstehen, wie Vektoren befördert werden sollen.

Gleiche Karte, verschiedene Zusammenhänge

Vektoren auf der Weltkarte so zu transportieren wie auf einer Erdkugel, ist nicht die einzige denkbare Vorschrift. Man könnte etwa ein Spielzeugauto auf die flach ausgebreitete Weltkarte setzen und den Pfeil darauf zeichnen. Auch das ist ein gültiger Zusammenhang. Wieder könnte ein Vektor anfangs nach Norden zeigen und transportiert werden. Dieser Vorschrift folgend, zeigt der Vektor immer nach Norden, denn auf der Karte sind die Meridiane parallel angeordnet, und der Vektor bleibt stets parallel dazu ausgerichtet. Der Zusammenhang besitzt demnach keine Krümmung: Man spricht von einem flachen Zusammenhang.

Genau so funktioniert es in der allgemeinen Relativitätstheorie: Die Theorie liefert eine Vorschrift, wie Vektoren in der Raumzeit transportiert werden. Und um diese zu beschreiben, wählen wir Koordinaten, also eine Karte der Raumzeit.

Eine Geometrie der Raumzeit

Erstmals studierte Carl Friedrich Gauß im 19. Jahrhundert gekrümmte Flächen im Raum, gefolgt von Bernhard Riemann, der dessen Ergebnisse verallgemeinerte. Grundlage für ihren Krümmungsbegriff ist die Metrik. Diese gibt an, wie man Längen und Abstände misst. Im Alltag nutzt man dafür ein Maßband. Damit lässt sich ebenso der Abstand zwischen Berlin und München ermitteln wie der zwischen den beiden Vorderrädern eines Autos.

Ein schachbrettförmiges Muster mit Linien, die sich hindurchbewegen
Metrik | Wenn man sich durch Manhattan bewegt, nutzt es nichts, die Entfernung als Luftlinie (grün) zu kennen. Durch den schachbrettförmigen Aufbau der Straßen und Gebäude muss man in Wirklichkeit immer größere Distanzen einplanen. Eine entsprechende Metrik, die »Manhattan-Metrik«, kann das berücksichtigen. Durch sie lässt sich berechnen, wie lange man vom Empire State Building zum Eingang des Central Park wirklich laufen muss.

Einsteins bahnbrechende Idee bestand darin, die Schwerkraft als eine Eigenschaft des Raums anzusehen statt als ein Merkmal von Materie an sich. Und Eigenschaften des Raums sind nichts anderes als Geometrie. Laut Albert Einstein krümmt die Materie im Universum den Zusammenhang, der als Levi-Civita-Zusammenhang bezeichnet wird. Umgekehrt bestimmt die Metrik (und damit der daraus entstehende Zusammenhang), wie sich die Materie bewegt. Ein frei fallender Körper folgt also der Transportvorschrift des Levi-Civita-Zusammenhangs, so wie es das geradeaus fahrende Auto auf der Erdkugel tut. Damit fällt ein Körper entlang der kürzesten möglichen Verbindungslinie, genau wie das Auto den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten auf der Erdoberfläche nimmt.

Um daraus eine sinnvolle physikalische Theorie zu erzeugen, suchte Einstein eine geometrische Struktur, welche die Effekte der Gravitation richtig beschreibt und auch die Impuls- und Energieerhaltung erfüllt. Und wirklich gibt es eine geeignete Größe, die sich aus der riemannschen Krümmung ergibt und die man heute als Einstein-Tensor bezeichnet. Mit dessen Hilfe konnte Einstein 1915 seine berühmten Feldgleichungen aufstellen, in denen auf der anderen Seite der Energie-Impuls-Tensor der Materie steht. Sie sind eine Art Bewegungsgleichung. Aus ihnen lässt sich also berechnen, wie die Materie den Raum krümmt. Die Lösung dieser Gleichungen fließt dann in die Bewegungsgleichungen der Materie ein, die bestimmen, wie sich Objekte unter Einfluss der Metrik verhalten.

Zeitgleich arbeitete der Mathematiker David Hilbert an einer geometrischen Beschreibung der Gravitation. Er fand eine übergeordnete, elegante Formel, aus der sich die Einstein-Gleichungen herleiten lassen: die Einstein-Hilbert-Wirkung. In ihrer Form wird sie in der Physik häufig genutzt, da alle Quantenfeldtheorien ebenfalls als »Wirkungen« formuliert werden.

Schon wenige Jahre nach seiner Veröffentlichung konnte Einsteins Theorie tatsächlich getestet werden. Zwar sagen Newtons Gravitationstheorie und sein Teilchenmodell des Lichts ebenfalls voraus, dass auch Lichtstrahlen von massereichen Objekten abgelenkt werden können, doch nur um halb so viel wie in der allgemeinen Relativitätstheorie. Als es im Mai 1919 zu einer Sonnenfinsternis kam, konnte der Physiker Sir Arthur Eddington Einsteins Vorhersage wirklich bestätigen.

Frühe Alternativen zu Einsteins Gleichungen

Weltweit stürzten sich zahlreiche Physikerinnen und Physiker auf die neue Theorie, leiteten daraus weitere Vorhersagen ab und untersuchten mögliche Alternativen. Zu den Pionieren zählte der Mathematiker Élie Cartan, der einen etwas stärker geometriebezogenen Ansatz als Einstein verfolgte. Einsteins Feldgleichungen sowie Hilberts Formulierung stellen die Metrik in den Vordergrund; aus dieser lässt sich dann der Levi-Civita-Zusammenhang berechnen. Anstatt die Metrik in den Fokus der Theorie zu setzen, rückte Cartan hingegen den Zusammenhang ins Rampenlicht – und zwar nicht den Levi-Civita-Zusammenhang, sondern eine allgemeinere Form.

Neben der Krümmung gibt es nämlich eine weitere Eigenschaft, die in der Geometrie eine wichtige Rolle spielt: Torsion. Angenommen, auf einem Auto befindet sich eine Uhr mit einem 24-stündigen Ziffernblatt. Deren Zeiger zeigt die Differenz zwischen der Zeit am aktuellen Standort und der Zeit am Nullmeridian an. Wenn das Auto nach Osten fährt, dreht sich der Zeiger im Uhrzeigersinn, und bei einer vollen Erdumrundung macht auch der Zeiger eine volle Drehung. Bei einer Fahrt nach Westen dreht er sich entsprechend gegen den Uhrzeigersinn. Wenn man damit einen Vektor, der anfangs nach Norden zeigt, entlang des Äquators in Richtung Osten transportiert, wird sich der Vektor zusammen mit dem Zeiger allmählich drehen und dadurch immer mehr in Richtung Osten zeigen. Wenn man aber umgekehrt einen Vektor, der anfangs nach Osten zeigt, vom gleichen Startpunkt in Richtung Norden transportiert, wird er nicht gedreht, weil die Ortszeit auf einem Meridian ja die gleiche bleibt.

Eine Uhr auf einem Globus
Torsion | Um Torsion nachzuvollziehen, hilft es, sich eine mitgeführte Uhr vorzustellen.

Das nennt man Torsion, da ein solcher Zusammenhang zu einer Art Verdrehung führt. Der Levi-Civita-Zusammenhang, den Einstein genutzt hatte, besitzt keine Torsion. Somit ist der Levi-Civita-Zusammenhang symmetrisch: Es spielt keine Rolle, ob man einen anfangs nach Norden zeigenden Vektor nach Osten transportiert oder umgekehrt.

Cartan wollte die Gravitation allgemeiner beschreiben, ohne von vornherein den Levi-Civita-Zusammenhang zu nutzen, aus dem man die riemannsche Krümmung ableiten kann. Stattdessen ließ er zusätzlich zur Krümmung Torsion in der Raumzeit zu. Der Mathematiker formulierte 1922 eine eigene Gravitationstheorie, die heute als Einstein-Cartan-Theorie bekannt ist.

Besonders viel versprechend schien dabei, dass die Einstein-Cartan-Theorie eine so genannte Eichtheorie ist. So nennen Physiker Theorien, in denen sich die Symmetrien unserer Welt auch lokal betrachten lassen, also in kleinen Bereichen. Das heißt, man muss Symmetrietransformationen wie Verschiebungen, Rotationen oder Geschwindigkeitsänderungen nicht über den gesamten Raum vornehmen, sondern kann diese nur auf kleine Regionen wirken lassen, etwa für jeden Beobachter einzeln. Der Grund, warum Eichtheorien so wichtig sind, ist, dass alle drei übrigen Grundkräfte – die starke und die schwache Kernkraft sowie der Elektromagnetismus – inzwischen als Eichtheorien formuliert wurden; und genau dieser Eichformalismus erlaubt es, sie als Quantentheorien zu formulieren. Während letztere gut durch Experimente untermauert sind, ist dies bei der Einstein-Cartan-Theorie schwieriger. Die Auswirkungen der Torsion zeigen sich erst bei extremen Materiezuständen, zum Beispiel im Inneren von Neutronensternen, die sich unserer Beobachtung entziehen. Es bleibt daher noch viel Raum für andere Theorien.

Eichtheorie

Viele Pfeile auf einem blauen Hintergrund
Vektorfeld | Die Pfeile geben die Stärke und Richtung der Strömung an.

Angenommen, man untersucht einen Hurrikan über dem Meer. Dort kann man an jedem Punkt einen Windvektor definieren, der die Windrichtung (Orientierung des Pfeils) und -stärke (Länge des Pfeils) angibt. Die Windvektoren bilden zusammen ein Vektorfeld.

Die Karte, auf der man den Hurrikan betrachtet, kann man auch drehen. Da das Meer darunter noch ziemlich gleich aussieht, wirkt es, als habe man an jedem Punkt den Windvektor um denselben Winkel rotiert. Die physikalische Situation (etwa die Wirkung des Winds auf einen Drachen) ändert sich dadurch nicht, solange die Änderung überall gleich ist. Das nennt man eine globale Symmetrie.

Man kann aber auch in die Karte hineinzoomen, so dass nur noch ein paar der Windvektoren sichtbar sind. Wenn man die Karte nun dreht, hat man die sichtbaren Pfeile zunächst unabhängig von den anderen gedreht. Zoomt man an einer anderen Stelle hinein, möchte man den Kartenausschnitt vielleicht in eine weitere Richtung rotieren. Die Freiheit, das zu tun, nennt man eine lokale Symmetrie, die in der Physik als Eichtransformation bezeichnet wird.

Wenn man die Windvektoren in jedem Kartenausschnitt unabhängig dreht, muss man die Ausschnitte am Ende wieder richtig zueinander in Beziehung setzen. Dafür sorgt das »Eichfeld«. Dieses ähnelt einem Zusammenhang, denn er gibt vor, wie man Vektoren von einem Kartenausschnitt zum anderen transformieren muss.

Einsteins Suche nach einer Weltformel

Cartans Arbeit inspirierte Einstein dazu, seine allgemeine Relativitätstheorie zu erweitern. Mit gekrümmten Strukturen zu rechnen, ist nicht immer einfach. In seiner allgemeinen Relativitätstheorie nutzte Einstein das Konzept des »Tangentialraums«. An jedem Punkt definiert man eine flache Ebene und kann dort ein Koordinatensystem festlegen. Das machen wir im Alltag ständig: Wenn wir uns in einer Stadt bewegen, greifen wir auf eine ebene Karte zurück und ignorieren den kugelförmigen Charakter der Erde – dieser spielt ja nur für große Distanzen eine Rolle.

Cartan interessierte sich jedoch für allgemeinere Geometrien als die metrische Geometrie Riemanns. Daher griff er für seine Beschreibung auf ein so genanntes Vielbein zurück, eine Art transportables, vierdimensionales Koordinatensystem. Diese Formulierung ist wesentlich flexibler – und bietet noch weitere Möglichkeiten, wie Einstein kurz darauf erkannte. Denn das Vielbein hat 16 Komponenten, und diese sind nur zum Teil durch die zehn Komponenten der Metrik festgelegt; sechs bleiben also frei. Das brachte Einstein auf die Idee, die übrigen sechs Komponenten für die Beschreibung des elektromagnetischen Felds zu benutzen, je drei für das elektrische und drei für das magnetische Feld. Auf diese Weise, so hoffte Einstein, könne man die allgemeine Relativitätstheorie mit einer zweiten der vier Grundkräfte verbinden, dem Elektromagnetismus.

Mit diesem Ziel entwickelte Einstein 1928 eine erweiterte Gravitationstheorie, in der statt der Metrik ein Vielbein die zentrale Rolle spielt. Daraus konnte er eine Metrik und darüber hinaus sogar einen Zusammenhang ableiten, der Weitzenböck-Zusammenhang heißt. Dieser kann zwar Torsion besitzen, aber keine Krümmung. Hier verbiegt Materie den Raum also nicht, sondern sie verdreht ihn.

Einstein fand einen passenden Namen für seine Idee: Da er durch den Weitzenböck-Zusammenhang Vektoren sogar noch in der Ferne vergleichen und damit als parallel betrachten konnte, prägte er den Begriff des Fernparallelismus. Das ist heute als teleparallele Gravitation bekannt. Drei Jahre lang versuchte Einstein, mit dieser Theorie Gravitation und Elektromagnetismus unter einen Hut zu bringen – ohne Erfolg. Und da Einstein sein ursprüngliches Ziel nicht erreichen konnte und somit keinen Nutzen für die zusätzlichen Komponenten des Vielbeins fand, verschwand die Idee in einer Schublade.

Wiederauferstehung einer alten Idee

Erst drei Jahrzehnte später grub der Physiker Christian Møller sie wieder aus und erkannte 1961, dass man mit der teleparallelen Gravitation die Energieerhaltung in der allgemeinen Relativitätstheorie formulieren kann. Wenig später begann die Theorie das Interesse weiterer Forschender zu wecken. Was besonders viel Aufmerksamkeit erzeugte: Genauso wie die Einstein-Cartan-Theorie lässt sich auch die teleparallele Gravitation als Eichtheorie beschreiben.

Damit wuchs vor allem in den 1970er Jahren die Hoffnung, dass Eichtheorien der Gravitation ein Weg sein könnten, um sie mit den übrigen drei Grundkräften zu verbinden. Eine Klasse solcher Theorien der Schwerkraft nannten die Physiker Kenji Hayashi und Takeshi Shirafuji »neue allgemeine Relativitätstheorie« (new general relativity), deren Formulierung jener der Teilchenphysik sehr ähnlich ist, im Gegensatz zur allgemeinen Relativitätstheorie.

Auf große Hoffnungen folgte schnell Ernüchterung. Obgleich es Ähnlichkeiten zwischen den Eichtheorien der Gravitation und der Teilchenphysik gab, zeigten sich grundlegende Unterschiede. Während beispielsweise die Eichsymmetrien in der Teilchenphysik nur den Wert der Felder an jedem Punkt der Raumzeit ändern, verschieben die Symmetrien der teleparallelen Theorie auch den Punkt selbst. Das erschwert ihre Beschreibung. Hinzu kam ein weiteres Problem. Wie sich in den 1980er Jahren herausstellte, sagt die neue allgemeine Relativitätstheorie nicht eindeutig, wie sich ein Vielbein zeitlich entwickelt; es gibt dafür folglich mehrere Möglichkeiten. Eine eindeutig bestimmte Zeitentwicklung ist aber eine wichtige Eigenschaft einer physikalischen Theorie. Zwar liefert auch die Quantentheorie nur Wahrscheinlichkeiten, doch damit lässt sich immerhin arbeiten. Gar keine Aussagen über einzelne Komponenten des Vielbeins zu liefern, ist dagegen ein größeres Problem. Und so fristeten die teleparallelen Theorien ein weiteres Mal ein Nischendasein.

Aufwind für Alternativen

Neuen Wind bekamen die alternativen Gravitationstheorien Ende der 1990er Jahre mit einer bahnbrechenden Entdeckung, die nach Erklärungen verlangte: Die Ausdehnung des Universums beschleunigt sich. Neben bekannten Ideen wie der kosmologischen Konstante, die bereits Einstein zur allgemeinen Relativitätstheorie hinzugefügt und später wieder verworfen hatte, rief die Entdeckung auch neue Theorien auf den Plan.

Zentrales Element in der von Hilbert aufgestellten Wirkung, aus der sich die einsteinschen Feldgleichungen herleiten lassen, ist der so genannte Ricci-Skalar R. Dabei handelt es sich um eine Zahl, die ein Maß der Krümmung der Raumzeit in einem Punkt liefert. Wenn man sich beispielsweise an einem bestimmten Punkt befindet, gibt der Ricci-Skalar an, ob die Umgebung positiv gekrümmt ist (man sich gewissermaßen auf einem Gipfel oder in einem Tal befindet) oder negativ, wie bei einem Sattel – und wie stark diese Krümmung ausgeprägt ist.

Manche der neuen Gravitationstheorien bezogen neben dem Ricci-Skalar beispielsweise zusätzliche »Skalarfelder« ein, die etwa als orts- und zeitabhängige Korrektur zur Gravitationskonstante oder anderer Kopplungsparameter in Erscheinung treten. Die f(R)-Theorie ersetzt dagegen den Ricci-Skalar R durch dessen Funktion f.

Mit diesen Ideen kamen auch neue teleparallele Theorien auf: Gabriel Bengochea und Rafael Ferraro sowie Eric Linder verallgemeinerten um 2010 die teleparallele Gravitation zur f(T)-Theorie. Dabei modifizierten sie den in der teleparallelen Wirkung vorkommenden Torsionsskalar T, ein Maß für die Verdrehung der Raumzeit an einem Punkt, analog zum Ricci-Skalar R in der Einstein-Hilbert-Wirkung durch eine Funktion. Ein Jahr später zogen Chao-Qiang Geng, Chung-Chi Lee, Emmanuel Saridakis und Yi-Peng Wu mit der Skalar-Torsions-Theorie nach, bei der die Gravitation zusätzlich zum Vielbein noch durch eines der zuvor genannten Skalarfelder beschrieben wird. Daraufhin verging kaum ein Tag ohne neue Artikel zur teleparallelen Gravitation. Wieder einmal gab es eine große Motivation, die Ansätze zu studieren, in der Hoffnung, damit das expandierende Universum zu beschreiben.

Schöne neue teleparallele Welt

In einem wichtigen Punkt unterscheiden sich diese neuen teleparallelen Ansätze von der vorigen teleparallelen Gravitationstheorie von Einstein sowie der Einstein-Cartan-Theorie: Wenn man das dazugehörige Vielbein einer lokalen Lorentz-Transformation unterzieht, ändern sich die Feldgleichungen der Gravitation. Die Lorentz-Invarianz, nach der genau das nicht passieren dürfte, ist aber eine fundamentale Eigenschaft sowohl in der allgemeinen Relativitätstheorie wie in der Einstein-Cartan-Theorie. Denn sie trägt dazu bei, dass Zusammenhänge vom Beobachter unabhängig sind.

Diese Symmetriebrechung wurde – und wird noch immer – kontrovers diskutiert. Langjährige Vertreter der teleparallelen Gravitation wie Jose Pereira sehen darin einen Vorteil, weil die Theorie bestimmte Vielbeine auszeichnet, die eine Unterscheidung zwischen Gravitation und Trägheit erlauben. Andere halten eine solche Interpretation für unphysikalisch, da sie dem Äquivalenzprinzip widerspricht, laut dem träge Masse gleich schwere Masse ist.

Tatsächlich lässt sich die lokale Symmetrie jedoch wiederherstellen, wenn man neben dem Vielbein eine weitere Variable einführt, die bereits in der Einstein-Cartan-Theorie vorkommt: den »Spin-Zusammenhang«. Er wird in der teleparallelen Gravitation allerdings nicht als Eichfeld der Gravitation interpretiert. Eine andere Möglichkeit, die lokale Symmetrie aufrechtzuerhalten, ist, von vornherein andere Variablen statt dem Vielbein zur Beschreibung zu wählen, etwa eine Metrik und den Zusammenhang. Welche Variablen man benutzt, beeinflusst nicht die Ergebnisse.

Und was ist mit der unbestimmten Zeitentwicklung? Schon bald stellte sich heraus, dass auch die neuen teleparallelen Theorien von diesem Problem geplagt sind. Alexey Golovnev, Tomi Koivisto, Jose Jiménez, Konstantinos Dialektopoulos und María Guzmán haben 2021 gezeigt, dass Modelle wie die f(T)-Theorie zwar die Ausdehnung des Universums eindeutig vorhersagen, aber die zeitliche Entwicklung anderer Größen unbestimmt ist.

Ohne Störungstheorie fallen alle Vergleiche von Modell und Beobachtungen zusammen wie ein Kartenhaus

Grund dafür ist, dass die Materie im Universum nicht gleichmäßig verteilt ist und die Bildung von Strukturen und ihrer Wechselwirkung komplizierten Gleichungen folgt. Sie lassen sich nicht exakt lösen, weshalb man auf Näherungsverfahren angewiesen ist. Eine beliebte Möglichkeit bietet die Störungstheorie, bei der man zunächst den Idealfall eines homogenen und isotropen Universums beschreibt, in dem die Materie gleichförmig verteilt ist. Dann lässt man langsam kleinere Störungen zu und untersucht, wie sich das Ergebnis dadurch verändert.

Die Störungstheorie ist eines der wichtigsten Werkzeuge der Kosmologie, aus der alle beobachtbaren Größen abgeleitet werden. Wie sich allerdings herausstellt, lässt sie sich nicht auf Ansätze wie die f(T)-Theorie anwenden. Ohne dieses Werkzeug fallen alle Vergleiche von Modell und Beobachtungen zusammen wie ein Kartenhaus – und machen die Theorien wertlos.

Keine Torsion, dafür Verzerrung

Deshalb setzen einige Fachleute auf einen grundlegend anderen Ansatz. Denn neben Krümmung und Torsion weist der Raum mitunter eine weitere Besonderheit auf: Er kann verzerrt sein, was Fachleute als Nichtmetrizität bezeichnen. In diesem Fall können Maßstäbe ihre Länge ändern, wenn man sie von einem Ort zu einem anderen bewegt.

Das lässt sich ebenfalls durch das Bild eines Spielzeugautos auf einer Weltkarte veranschaulichen. Eine Weltkarte ist ein Beispiel für eine verzerrte Geometrie: Die Polregionen sind viel zu groß dargestellt. Wenn man mit dem Spielzeugauto vom Äquator auf der Karte nach Norden fährt, ändert sich der Abstand zwischen den Vorderrädern, und er wird kleiner. Die beiden Meridiane, auf denen die Räder rollen, laufen am Nordpol zusammen und kommen sich somit näher. Der Zusammenhang ist also nicht metrisch.

Karte mit roten Punkten
Verzerrung | Die meisten Karten verwenden eine so genannte Mercator-Projektion. Dadurch erscheinen die Länder im Norden und im Süden viel größer, als sie in Wirklichkeit sind. Die roten Punkte symbolisieren den Grad der Verzerrung.

Diese Eigenschaft lässt sich nutzen, um eine Gravitationstheorie zu entwickeln. Und das gelang James Nester und Hwei-Jang Yo 1998: Sie formulierten die »symmetrische teleparallele Theorie«. In dem Fall ähnelt die Formulierung ebenfalls den Eichtheorien der Teilchenphysik.

Wie die Torsionsideen ist auch die symmetrische teleparallele Gravitation verallgemeinerbar. Indem man einen Nichtmetrizitätsskalar Q statt R einführt, ergeben sich die »neuere allgemeine Relativitätstheorie« sowie f(Q)-Theorien, die Jose Jiménez, Lavinia Heisenberg und Tomi Koivisto 2017 vorschlugen. Man ahnt es schon: Es gibt erneut einen regelrechten Zoo von möglichen Theorien, der in einer Flut von Artikeln diskutiert wurde.

Die symmetrische teleparallele Gravitation bietet mehrere Vorteile. Zum Beispiel lässt sich jeder flache, symmetrische Zusammenhang durch eine Karte darstellen – besitzt demnach stets ein gewöhnliches Koordinatensystem, mit dem sich oft einfacher rechnen lässt. Zudem wird die Verbindung zwischen Gravitation und Materie in diesen Koordinaten leichter.

Allerdings führte diese Version der Schwerkraft zu einigen Irrtümern. Lange nahmen Fachleute fälschlicherweise an, dass das besondere Koordinatensystem immer mit den üblichen Koordinaten in der Kosmologie übereinstimmt. Erst 2021 erkannte Dehao Zhao den Fehler. Ein weiteres Missverständnis bestand darin, dass man annahm, die Naturgesetze würden in dieser Theorie von der Wahl der Koordinaten abhängen – das heißt vom Bezugssystem, in dem man sie untersucht. Doch das stellte sich glücklicherweise als unzutreffend heraus; vorausgesetzt, man behandelt die Theorie auf die richtige Art und Weise, wie es mit der Torsion und der lokalen Symmetrie der Fall ist.

Trotz ihrer Unterschiede haben teleparallele Gravitationstheorien mit Torsion und Nichtmetrizität einige Gemeinsamkeiten. Sie ermöglichen jeweils Gravitationstheorien, deren Feldgleichungen mit denen der allgemeinen Relativitätstheorie übereinstimmen. Daher werden sie als teleparallele Äquivalente der allgemeinen Relativitätstheorie bezeichnet – im Gegensatz zu ihren Modifikationen wie f(R), f(T) und f(Q), die völlig verschieden sind.

Die Dreifaltigkeit der Schwerkraft

Diese Wahlfreiheit zwischen drei unterschiedlichen Beschreibungen der allgemeinen Relativitätstheorie bezeichneten Jiménez, Heisenberg und Koivisto 2019 als »geometrische Dreifaltigkeit der Gravitation«. Eine vereinheitlichte Beschreibung konstruierten Christian Böhmer und Erik Jensko im Januar 2023.

Die physikalische Bedeutung der Beschreibungen ist nicht unumstritten. Während einige Fachleute die Ansicht vertreten, dass die Wahlfreiheit zwischen Krümmung, Torsion oder Nichtmetrizität einen Vorteil darstellt, halten Forschende wie Friedrich Hehl diesen Ansatz nicht für sinnvoll. Denn der Zusammenhang mit Torsion und Nichtmetrizität in den teleparallelen Theorien hat kein passendes Gegenstück bei den Teilen der Feldgleichungen, welche die Materie betreffen. Im Gegensatz dazu steht die Krümmung in der allgemeinen Relativitätstheorie im direkten Bezug zum Energie-Impuls-Tensor und dessen Erhaltungssätzen sowie zu den Symmetrien der Raumzeit. Letzteres gilt auch für die Torsion in der Einstein-Cartan-Theorie, die diese mit dem Spin der Materie verbindet.

Ganz ähnlich wie die metrische teleparallele Gravitation liefert die symmetrische teleparallele Gravitation ebenfalls Gleichungen, welche die Expansion des Universums beschreiben. Wie 2024 erschienene Arbeiten jedoch zeigen, lässt sich die Störungstheorie hier ebenso wenig anwenden. Hinzu kommt, dass einige der Störungen eine negative kinetische Energie besitzen, so genannte Geister, die üblicherweise auf eine Instabilität der Theorie hinweisen. Kurzum: Auch diese Theorien haben ihre Probleme.

Heißt das, dass weder metrische noch symmetrische teleparallele Gravitation die beobachtete Kosmologie beschreiben können? Zum Glück scheint das nicht der Fall zu sein. Bisher haben wir die Komponenten der Dreifaltigkeit (Krümmung, Torsion, Nichtmetrizität) immer nur separat betrachtet – aber man kann sie kombinieren.

Eine verdrehte und verzerrte Raumzeit

Man kann zum Beispiel Zusammenhänge betrachten, die sowohl Torsion als auch Nichtmetrizität aufweisen. Theorien, die auf solchen Zusammenhängen beruhen, stammen aus dem Jahr 2019 und werden als »allgemeine teleparallele Gravitation« bezeichnet. Hier gibt es wieder ein Äquivalent zur allgemeinen Relativitätstheorie, indem die Skalare T und Q zu einer Mischung G aus Torsion und Nichtmetrizität verallgemeinert werden. Man kann die Theorie ebenso modifizieren wie die beiden anderen teleparallelen Theorien.

Neben den bereits bekannten Eigenschaften von Torsion und Nichtmetrizität gibt es noch eine dritte, die man berücksichtigen sollte. Denn die zwei Größen können auch miteinander wechselwirken. Das heißt, die Torsion beeinflusst die Verzerrung und umgekehrt. Fachleute hoffen, dass diese Wechselwirkung die Probleme der anderen beiden Ansätze löst. Allerdings ist die Arbeit mit dieser Formulierung keineswegs einfach. Sie enthält zahlreiche Parameter, um die Dynamiken von Torsion und Nichtmetrizität sowie ihrer gegenseitigen Wechselwirkung zu beschreiben.

Doch Fachleute geben die Theorien mit Torsion oder Nichtmetrizität allein noch nicht auf. Sie suchen nach anderen – komplizierten – kosmologischen Formalismen, damit sich die Theorien auch mit der Störungstheorie beschreiben lassen.

Glücklicherweise sind Theoretiker mit dieser Aufgabe nicht ganz auf sich gestellt. Vielleicht bekommen sie schon bald Hilfe aus der Experimentalphysik. Zu den wichtigsten Beobachtungen der Gegenwart gehört die Messung von Gravitationswellen. Diese ermöglichen einen direkten Einblick in das Wirken der Gravitation. Künftige Detektoren sollen neben Schwarzen Löchern weitere Quellen in den Blick nehmen, darunter Neutronensterne, supermassereiche Schwarze Löcher und Prozesse im frühen Universum.

Ein direkter Nachweis zusätzlicher Polarisationen in Gravitationswellen wäre eine heiße Spur, die zu einer neuen Theorie führen könnte

Neben der Ausbreitungsgeschwindigkeit von Gravitationswellen, die erstmals 2017 gemessen wurde, ist ihre Polarisation interessant. Während die allgemeine Relativitätstheorie genau zwei Polarisationen vorhersagt, sind es in manchen teleparallelen Theorien mehr. Ein direkter Nachweis zusätzlicher Polarisationen wäre eine heiße Spur, die zu einer neuen Theorie führen könnte.

Einen anderen Einblick in die Gravitation in der Nähe von Schwarzen Löchern liefern Beobachtungen von Sternen nahe dem galaktischen Zentrum sowie Schwarzen Löchern mit Radiointerferometrie. Damit lassen sich Rückschlüsse auf das Gravitationsfeld dieser Objekte ziehen, was Gravitationstheorien weiter einschränkt. Letztendlich muss sich die teleparallele Gravitation, wie andere Theorien, an solchen Beobachtungen messen lassen.

Krümmt die Materie den Raum und folgt sie dann ihrerseits dieser Krümmung oder nicht? Fest steht auf jeden Fall, dass die allgemeine Relativitätstheorie, die durch den Levi-Civita Zusammenhang beschrieben wird, ein sehr gutes Modell ist und zu allen bisherigen Beobachtungen passt. Insofern ist die Krümmung des Raums womöglich zwar nicht die anschaulichste Beschreibung der Gravitation, aber eine sehr gut zutreffende und sehr elegante. Ob Alternativen dazu, die statt der Krümmung auf Torsion oder Verzerrung fußen, dies ebenfalls leisten können – und sich vielleicht als noch besser erweisen –, muss sich erst noch herausstellen.

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  • Quellen

Bengochea, G. R., Ferraro, R.: Dark torsion as the cosmic speed-up. Physical Review D 79, 2009

Böhmer, C. G., Jensko, E.: Modified gravity: A unified approach to metric-affine models. ArXiv 2301.11051, 2023

Geng, C.-Q. et al.: »Teleparallel« dark energy. Physics Letters B 704, 2011

Gomes, D. A. et al.: Pathological character of modifications to coincident general relativity: Cosmological strong coupling and ghosts in 𝑓(ℚ) Theories. Physical Review Letters 132, 2024

Jimenez, J. B. et al.: General teleparallel quadratic gravity. Physics Letters B 805, 2020

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