Lexikon der Geographie: Agrarpolitik
Agrarpolitik, Teilgebiet einer umfassenden Politik des ländlichen Raumes, wobei die Land- und Forstwirtschaft im Mittelpunkt stehen; außerdem Wissenschaftsdisziplin der Wirtschaftswissenschaften. Die Agrarpolitik beschäftigt sich mit allen Fragen, wie eine Gesellschaft ihre Ziele im Agrarsektor definiert und am besten verwirklichen kann. In ihr spiegelt sich auch die jeweils herrschende Wirtschaftsordnung wider. Die Agrarpolitik beeinflusst in vielfältiger Weise die Land- und Forstwirtschaft und darüber hinaus die ländliche Entwicklung. So führten in Deutschland unzählige Agrarreformen im Verlauf des 19. Jh. zur Bauernbefreiung und zu einer Umgestaltung der gesamten Agrarordnung. In den anschließenden Gründerjahren von 1871-1914 wurde die liberale Agrarpolitik durch die Phase der Agrarschutzpolitik abgelöst. Auftretende Preisstürze, erzeugt durch einen immer größer werdenden Weltmarkt und eine zunehmende Zahl an Agrarimporten, begründeten eine Agrarkrise, die man im Deutschen Reich durch die Einführung von Schutzzöllen, besonders für Getreide, Vieh und Fleisch zu bekämpfen versuchte. Nach dem Ersten Weltkrieg konzentrierte sich die Agrarpolitik auf eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion. Hierzu wurde 1919 mithilfe des Reichssiedlungsgesetzes eine Bodenreform begonnen, die vor allem eine rege landwirtschaftliche Siedlungstätigkeit ankurbelte. Das Dritte Reich war die Zeit der totalitären Agrarpolitik. Für die Nationalsozialisten besaß der Bauernstand innerhalb des Staates eine zentrale Funktion, die häufig als "Blut-und-Boden-Ideologie" bezeichnet wird. Im September 1933 wurde das Reichserbhofgesetz erlassen. Danach mussten die sog. Erbhöfe geschlossen vererbt werden, wobei männliche Erben den unbedingten Vorzug gegenüber weiblichen Nachkommen hatten. Weiterhin trat das Reichsnährstandsgesetz in Kraft, das die Voraussetzung für eine einheitliche und geschlossene Organisation der Landwirtschaft schuf. Die Autarkiepolitik war dabei ein wesentliches Ziel. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in Deutschland durch die Bildung der zwei selbstständigen Staaten BRD und DDR zu einer grundlegend unterschiedlichen Agrarpolitik. In der DDR ( Abb.) wurde eine Zentralverwaltungswirtschaft betrieben, die Bestandteil des ökonomischen und ideologischen Systems des Sozialismus war. Neben der Produktionssteigerung und Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung verfolgte die Agrarpolitik der DDR das Ziel, die Lebensbedingungen auf dem Lande denen in der (ideologisch bevorzugten) Stadt anzugleichen. Dabei sind folgende Phasen zu unterscheiden: Im Mittelpunkt der ersten Phase von 1945 bis 1949 stand die Bodenreform unter dem Motto "Junkerland in Bauernhand", wobei alle Betriebe über 100 ha entschädigungslos enteignet wurden; die zweite Phase von 1952 bis 1960, die dem planmäßigen Aufbau des Sozialismus in der DDR diente, gilt als die Zeit der Kollektivierung (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften); seit der dritten Phase ab 1963 entwickelte man die Kooperationsgemeinschaften. Die bisherige Agrarpolitik der Bundesrepublik Deutschland kann man in drei Etappen unterscheiden. Von 1945 bis 1950/52 war die Zeit des Wiederaufbaus, in der die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln durch Ertragssteigerung oberstes Ziel war. Nach dieser Wiederaufbauphase beginnt in der Bundesrepublik ab 1953/55 die nationale Ausgestaltung einer modernen Agrarstrukturpolitik, die vor allem durch das neue Landwirtschaftsgesetz bestimmt wird. Ziel und Konsequenz war dabei eine umfassende staatliche Förderung der landwirtschaftlichen Produktion und die Verbesserung der sozialen Lage der in der Landwirtschaft tätigen Menschen. Ab Mitte der 1960er-Jahre beginnt für die Agrarpolitik der Bundesrepublik eine neue und bisher letzte Phase, die durch die gemeinsame Agrarpolitik der EWG – heute EU – geprägt ist.
GH
Agrarpolitik: Agrarpolitik: Agrarpolitik in der DDR.
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