Lexikon der Geographie: Einzelhandel
Einzelhandel, definiert als der Verkauf von Waren an Endverbraucher. Der Einzelhandel erfüllt vermittelnde Funktionen zwischen den Herstellern (Landwirtschaft, Industrie) und ggf. dem Großhandel auf der Input-Seite und den Konsumenten/Kunden/Endverbrauchern auf der Output-Seite. Als Formen lassen sich unterscheiden: der stationäre Einzelhandel mit dauerhaft lokalisierten Verkaufsstellen (Ladengeschäft), der ambulante Handel mit temporären Standorten (z.B. Marktstände, Verkaufswagen), der Versandhandel mit Bestellung in entfernten Zentralen (z.B. durch Kataloge, Internet) und Auslieferung an die Kunden. Auf den stationären Einzelhandel entfallen in Deutschland über 90% Umsatzanteil. Gegenwärtig verzeichnet E-Commerce (=Warenangebot im Internet, Bestellung per elektronische Medien und Auslieferung an den Wohnstandort) als spezielle Form des Versandhandels hohe Zuwächse, der Anteil des ambulanten Handels stagniert und der des klassischen Versandhandels sinkt. Die Ladengeschäfte des stationären Einzelhandels lassen sich verschiedenen Betriebsformen zuordnen. Üblicherweise erfolgt eine Untergliederung ihres Sortiments nach der Art der verkauften Waren (Lebensmittel/Food und Nicht-Lebensmittel/Non-Food), nach ihrer Wertigkeit (Grundbedarf=z.B. Nahrungsmittel; Ergänzungsbedarf=z.B. Bekleidung; hochwertiger Bedarf=z.B. Foto, Uhren, Unterhaltungselektronik) bzw. nach der Häufigkeit ihres Erwerbs (kurzfristig=Lebensmittel; mittelfristig=Bekleidung, Schuhe; langfristig=Unterhaltungselektronik, Möbel). Betriebe mit einem breiten Sortiment verkaufen Artikel aus verschiedenen Warengruppen, jene mit einem schmalen Sortiment konzentrieren sich auf eine Warengruppe. Innerhalb dieser Warengruppe werden bei einem tiefen Sortiment vielfältige Auswahlmöglichkeiten zwischen artähnlichen Artikeln geboten, während bei einem flachen Sortiment nur sehr wenige artähnliche Artikel vorhanden sind. Vorindustrielle Gesellschaften mit geringem Nachfragevolumen und niedriger Angebotsdiversifizierung besitzen ein Einzelhandelssystem mit hohem Marktanteil von Grundbedarfsgütern (z.B. Lebensmittel, einfache Haushaltsartikel). Das Standortsystem ist wenig vielfältig; der Verkauf erfolgt über kleine stationäre Ladengeschäfte, Ladenhandwerksbetriebe (z.B. Bäcker, Schuhmacher) und ambulante Verkaufsformen (z.B. Marktstände, fahrende Händler). Mit zunehmendem Entwicklungsstand steigt das Nachfragevolumen, vor allem nach Non-Food-Artikeln des Ergänzungs-/höherwertigen Bedarfs, und es entwickelt sich ein differenziertes stationäres Angebotssystem. In Gesellschaften mit hohem Einkommen wird zwischen einem primären Standortsystem und einem sekundären Standortsystem unterschieden. Das primäre Standortsystem besteht aus dem wohnstandortnahen Netz von Ladengeschäften, die kurzfristig benötigte Grundbedarfsgüter anbieten (z.B. Lebensmittel), und dem hierarchischen System von innerstädtischen Zentren, in welchen sich mehrere Betriebe mit einem mittel- und langfristigen Non-Food-Angebot konzentrieren. Betriebe, die gleichartige Grundbedarfsgüter verkaufen und Konsumenten aus der unmittelbaren Umgebung versorgen, vermeiden die unmittelbare Nachbarschaft zu artähnlichen Konkurrenten (Konkurrenzmeidung). Artungleiche Ladengeschäfte des Grundbedarfs (z.B. Backwaren, Getränke, Wurstwaren) und Betriebe mit einem mittel-/langfristigen Angebot und großem Einzugsbereich suchen dagegen die Nähe zueinander (Konkurrenzanziehung), da sie gemeinsam eine größere Attraktivität für Kundenbesuche erzielen. Kunden können während eines Besuchs dieser Standorte Zeit sparend Besorgungen in mehreren Ladengeschäften koppeln (Konsumentenverhalten).
Als sekundäres Standortsystem gelten alle Standorte außerhalb der geschlossenen Bebauung von Siedlungen; diese Standorte können erst bei hoher Individualverkehrsmobilität der Kunden (z.B. durch Pkw) entstehen. Es befinden sich dort vor allem großflächige eingeschossige Ladengeschäfte (z.B. Verbrauchermarkt/Fachmarkt), die eine hohe eigene Angebotsattraktivität für Kunden (z.B. durch niedrigen Preis und hohes internes Kopplungspotenzial, durch vielfältiges Angebot) besitzen. Auf das sekundäre Standortsystem entfallen in West-Deutschland ca. 30% Umsatzanteil und in Ost-Deutschland über 40%.
EK
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