Lexikon der Neurowissenschaft: Automat
Automat [von griech. automaton = sich selbst bewegend], Eautomaton, im Sinne der mathematischen Automatentheorie ein zeitdiskretes dynamisches System mit Eingabe und Ausgabe. Eine formale mathematische Definition eines deterministischen Automaten legt fest: a) eine Menge Z der möglichen (inneren) Zustände z des Automaten, b) eine Menge X möglicher Eingabewerte x, c) eine Menge Y möglicher Ausgabewerte y, d) eine "Überführungsfunktion" f: Z×X ->Z, welche die (innere) Dynamik (oder "Zeitevolution") des Automaten beschreibt, e) eine "Ergebnisfunktion" g: Z×X ->Y, welche das Ausgabeverhalten beschreibt. – Der Automat arbeitet in einer diskreten Zeitskala (..., t-1, t, t+1, t+2, ...). Zu einem Zustand z(t) und einem Eingabewert x(t) bestimmen die Funktionen f und g den Zustand z(t+1) = f(z(t), x(t)) und den Ausgabewert y(t+1) = g(z(t), x(t)). Ein stochastischer Automat liegt vor, wenn für die jeweils neuen Werte z(t+1) und y(t+1) nicht durch Funktionen f und g gemäß d) und e) eindeutige Werte, sondern lediglich Wahrscheinlichkeiten festgelegt sind. – Man beachte, daß im Gegensatz zum Alltagssprachgebrauch ("Zigarettenautomat") ein Automat eine beliebig reiche innere Dynamik (dargestellt durch die Funktion f bzw. eine entsprechende Wahrscheinlichkeitsfunktion) haben kann, die auch dann komplexe Prozesse z(t) hervorbringt, wenn keine Eingaben (oder im mathematischen Sinne nur "triviale" Eingaben) erfolgen (selbsttätige oder autonome Dynamik). Alle digitalen Rechner (von der universellen Turing-Maschine bis zum PC; Computer) fallen in die Kategorie der Automaten, ebenso alle künstlichen neuronalen Netze (binär oder analog), sofern sie mit diskreter Zeit arbeiten (binäres Neuron, analoges Neuron). – Neurobiologisch ist festzustellen, daß das Gehirn nicht nach einem festen Zeittakt arbeitet. Automaten oder spezielle zeitdiskrete künstliche neuronale Netzwerke können dennoch versuchsweise zur Modellierung neuronaler Verarbeitungsprozesse herangezogen werden. Biologisch adäquater sind Formalismen spikender Neurone, die mit kontinuierlicher Zeit arbeiten und deshalb zu den zeitkontinuierlichen dynamischen Systemen gehören. In numerischen Simulationen solcher zeitkontinuierlichen Systeme muß die Zeit aber wieder diskretisiert werden, so daß man wieder zu einem Automaten gelangt, der auf dem digitalen Rechner ausgeführt werden kann (die Wahl hinreichend kleiner Zeitschritte, derart, daß die Diskretisierung keine Artefakte erzeugt, erfordert spezielles mathematisches Wissen).
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