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Lexikon der Neurowissenschaft: Gehirn

Gehirn s, Hirn, Cerebrum (von latein. cerebrum), Encephalon, Enzephalon (von griech. egkephalos), E brain, Bezeichnung für den Teil des Nervensystems, der die nervösen Aktivitäten eines Organismus koordiniert. Anatomisch-makroskopisch läßt sich ein Gehirn als eine Anhäufung von Nervenzellen mit einer Vielzahl von afferenten und efferenten Verbindungen bezeichnen; meist liegt das Gehirn im Kopf am vorderen Körperpol (Cephalisation; Ausnahmen: sessile oder wenig bewegliche Organismen). Auf der zellulären und physiologischen Ebene kann man ein Gehirn als eine Nervenzellansammlung mit einem hohen Anteil von Interneuronen identifizieren, d.h., daß sich im Gehirn Neurone anhäufen, die weder unmittelbar sensorisch noch motorisch sind. Man kann das Gehirn deshalb auch als denjenigen Abschnitt des Nervensystems bezeichnen, der zur scheinbar spontanen, nicht unmittelbar reizbezogenen und reflektorischen (durch Motive und nicht durch Reize verursachten) Ausbildung von neuronalen Aktivitäten fähig ist. – In hierarchisch gegliederten Nervensystemen fungieren Gehirne als Koordinationsorgane, die die Aktivität von untergeordneten, teilautonomen oder völlig abhängigen Zentren aufeinander abstimmen. Um dies zu leisten, benötigen Gehirn, untergeordnete nervöse Zentren und der übrige Körper einen ausgedehnten Kommunikationsapparat. Dieser Apparat besteht zum einen aus "klassischen" nervösen (elektrochemischen) Kommunikationskanälen (afferente und efferente Nerven), zum andern aber kommunizieren Gehirn und Körper auch auf humoralem Wege: Gehirne erhalten hormonelle Signale aus der Körperperipherie und fungieren ihrerseits als übergeordnete endokrine Drüsen (Neurosekretion, Corpora allata, Hypophyse, Epiphyse). Der Grad der Autonomie der dem Gehirn untergeordneten Zentren schwankt erheblich. So ist z.B. bei vielen Chordaten das Rückenmark auch in Abwesenheit des Gehirns in der Lage, koordinierte und komplexe Bewegungen des Rumpfes zu steuern (Chordaten-Nervensystem), dasselbe gilt für die Thorakalganglien der Arthropoden (Arthropoden-Nervensystem). Auch die grundlegenden Funktionen des vegetativen Nervensystems der Wirbeltiere sind nicht von einem intakten Gehirn abhängig. Unmittelbar der Kontrolle des Gehirns unterworfen und völlig von ihm abhängig sind im allgemeinen nur die großen motorischen und sensorischen Zentren des Kopfes. Die Aktivitäten eines Organismus kommen deshalb mit dem Verlust des Gehirns nicht unbedingt zum Erliegen: zahlreiche komplexe Funktionen (z.B. Lokomotion, vegetative Regulationen, Irritabilität) können auch ohne Gehirn erhalten bleiben. Die zellulären Mechanismen der Hirnfunktion unterscheiden sich nicht grundlegend von denen des restlichen Nervensystems. Bei Trägern komplexer Gehirne sind allerdings spezialisierte und aufwendige Strukturen zu finden, die die Energieversorgung und die Homöostase des Gehirns sicherstellen (Blut-Hirn-Schranke, Cerebrospinalflüssigkeit, Gehirnstoffwechsel, Gliazellen).
Evolution und vergleichende Anatomie: Absolut gleichmäßig diffuse Nervennetze gibt es bei keinem heute lebenden Organismus, selbst Hohltiere (Coelenterata) weisen lokale Verdichtungen in ihrem Nervennetz auf (Coelenteraten-Nervensystem), ohne daß es jedoch zur Bildung eines eigentlichen Gehirns käme. In sehr vielen Tiergruppen finden sich an verschiedenen Orten im Nervensystem stark verdichtete Anhäufungen von Neuronen, die als Ganglien (Ganglion) bezeichnet werden, und die mit der Regulation spezieller sensorischer oder motorischer Funktionen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft befaßt sind. Bei der Cephalisation differenziert sich das am weitesten kopfwärts und damit in unmittelbarer Nachbarschaft zu den großen Fernsinnesorganen gelegene Ganglion zum Cerebralganglion. Bei festsitzenden, wenig beweglichen oder parasitischen Organismen mit reduzierten oder fehlenden Fernsinnesorganen ist es oft schwierig, unter den verschiedenen Ganglien ein übergeordnetes Gehirn auszumachen. In Analogie zu den freibeweglichen Formen (s.u.) hat es sich jedoch eingebürgert, das am weitesten kopfwärts gelegene Ganglion als Cerebralganglion zu bezeichnen, auch wenn es keineswegs das größte dieser Ganglien sein muß. In manchen Tiergruppen bildet das Cerebralganglion alleine das Gehirn, oft jedoch verschmelzen andere lokale Ganglien mit dem Cerebralganglion. So können sehr große und komplexe Strukturen (vor allem bei den Gliederfüßern, den Weichtieren und den Chordaten) entstehen, die man als Gehirne im engeren Sinne bezeichnen kann. – Typische Fälle von wohldifferenzierten Cerebralganglien findet man bei den freilebenden, nicht-parasitischen Plattwürmern (Plathelminthen-Nervensystem). Sie besitzen in mehrere Lappen gegliederte Cerebralganglien ( siehe Abb. 1 ), die über zahlreiche Nerven mit den Sinnesorganen des Kopfes (Augen, Chemorezeptoren, Statocysten) in Verbindung stehen. Die Cerebralganglien der Plattwürmer zeigen einen histologischen Aufbau, der für die Gehirne vieler Evertebraten typisch ist: das zentrale Mark des Gehirns besteht aus dichten Neuropilen, seine Rinde besteht aus Zellkörpern (Perikaryon), deren dendritische und axonale Fortsätze sich in den Neuropilen durchweben. Bei Entfernung des Cerebralganglions verlieren Plattwürmer ihre Lernfähigkeit (Konditionierung) und Spontaneität. – Die Gehirne der Rundwürmer und verschiedener anderer, mit ihnen mehr oder weniger nahe verwandter Formen von Gastroneuralia sind ebenso vielgestaltig wie die Tiergruppen selbst. Im allgemeinen liegt das Gehirn in der Nähe des Kopfendes und bildet dort den für Gastroneuralia typischen nervösen Schlundring (vgl. Nervensystem, Abb. 3); es gibt jedoch mannigfaltige Abweichungen von diesem einfachen Schema. Die Gehirne der Ringelwürmer bestehen ebenfalls aus einem Ring aus nervösem Gewebe, der den Schlund umgibt (Anneliden-Nervensystem). Bei Regenwürmern (Oligochaeta; vgl. Nervensystem Abb. 5a) und Egeln (Hirudinea) sind sie recht klein und bestehen aus paarigen, eigenständigen Cerebralganglien, die über Schlundkonnektive mit den Ganglien der vorderen Körpersegmente verbunden, aber nicht verschmolzen sind. Bei manchen räuberischen Vielborstenwürmen (Polychaeta) hingegen sind die Cerebralganglien außerordentlich komplex ( siehe Abb. 2 ). Das oberhalb des Schlunds gelegene Cerebralganglion steht über sensorische Nerven mit Chemorezeptoren und Mechanorezeptoren der Palpen in Verbindung. Es kann außerdem Kontakt mit bis zu vier (Linsen-)Augenpaaren haben sowie mit einem weiteren Paar von Sinnesorganen, den hinter den Augen gelegenen Nuchalorganen, die ebenfalls chemorezeptiv sind. Am Vorderende des Cerebralganglions liegen paarige, pilzartige Aufwölbungen von Nervengewebe, die als Assoziationszentren geltenden Pilzkörper. Dieses komplexe Cerebralganglion wird nach seiner Lage auch als Oberschlundganglion bezeichnet. Beiderseits des Schlunds steht es über doppelte Schlundkonnektive mit dem Unterschlundganglion in Verbindung, das sich seinerseits in das Bauchmark fortsetzt. In diese Konnektive sind beiderseits zwei weitere Ganglien eingeschaltet, deren Nerven die sogenannten Peristomialcirren innervieren. Histologisch ist das Gehirn der Anneliden so wie das der übrigen Gastroneuralia aufgebaut: eine Rinde aus Perikaryen von Neuronen umgibt die zentral gelegenen Neuropile. – In der großen und formenreichen Gruppe der Gliederfüßer (Arthropoden-Nervensystem) entsteht das eigentliche Gehirn dadurch, daß die lokalen Ganglien der vordersten Körpersegmente (Protocerebrum, Deutocerebrum und Tritocerebrum) bei der Cephalisation verschmolzen werden. Es entsteht so ein komplexes, über dem Schlund gelegenes Oberschlundganglion, welches das Gehirn im engeren und eigentlichen Sinne darstellt. Seine Entstehung aus ursprünglich eigenständigen, segmentalen Ganglien ist aus der Ontogenese, der vergleichenden Anatomie und der molekulargenetischen Analyse (Homöobox-Gene) offensichtlich. Innerhalb dieses Komplexes ist das Protocerebrum, das mit den Augen in Verbindung steht, der mächtigste und komplexeste Teil des Gehirns. Das Oberschlundganglion steht über seitliche Konnektive mit dem Unterschlundganglion in Verbindung, wodurch der für die Gastroneuralia typische nervöse Schlundring geschlossen wird. Auch das Unterschlundganglion entwickelt sich aus ursprünglich eigenständigen Ganglien durch deren Verschmelzung. Im weiteren Sinne werden Ober- und Unterschlundganglion zusammen als das Gehirn der Arthropoden bezeichnet. – Unter den Weichtieren (Mollusken-Nervensystem) besitzen die Kopffüßer (Cephalopoden, Tintenfische) die kompliziertesten Gehirne, die aus der Verschmelzung des Cerebralganglions mit ursprünglich eigenständigen regionalen Ganglien in der Kopfgegend entstehen (Fußganglion, Pleuralganglion, Buccalganglion). Wie bei den Gliederfüßern bilden auch die Gehirne einiger Cephalopoden einen Ring, der den Schlund umgibt, auch in ihren Gehirnen nimmt der mit den Augen assoziierte nervöse Apparat großen Raum ein (vgl. Nervensystem, Abb. 6). Weniger komplex sind die Gehirne der Schnecken, Muscheln und anderen Weichtiere, sie bestehen aus paarigen, über dem Schlund gelegenen Cerebralganglien, die über Konnektive mit den mehr oder weniger selbständigen Ganglien der Körperperipherie verbunden sind (vgl. Mollusken-Nervensystem, Abb. 5). – Lange Zeit glaubte man, daß die Gehirne der Chordaten (Chordaten-Nervensystem) mit den Gehirnen der Arthropoden überhaupt nicht zu vergleichen seien, und daß sie eine ganz selbständige Linie der Hirnevolution darstellten. Vor allem folgende gravierende Unterschiede wurden von den Proponenten dieser Ansicht immer wieder ins Feld geführt: das Gehirn der Wirbeltiere bildet nie einen nervösen Schlundring, sondern liegt, ebenso wie das Rückenmark, stets zur Gänze über dem Schlund (die Wirbeltiere werden deshalb auch in die Gruppe der Notoneuralia gestellt); das Gehirn der Chordatiere ist nie solide, wie das der Arthropoden und aller Gastroneuralia, sondern enthält stets zentrale Hohlräume (Ventrikelsystem); das Gehirn der Chordatiere zeigt nie die Gliederung in zentrale Neuropile mit umgebender Zellrinde, wie sie für die Nicht-Chordaten typisch ist. Die These von der vollständigen Unvergleichbarkeit ist allerdings in jüngerer Zeit ins Wanken geraten. Zum einen konnte gezeigt werden, daß die Gehirne der Wirbeltiere ( siehe Abb. 3 ; siehe Abb. 4 ), ebenso wie die der Arthropoden, aus einer Reihe von longitudinal angeordneten Segmenten (den Neuromeren, weiter unterteilt in Rhombomere, Mesomere und Prosomere) bestehen. Überdies sind die genetischen Mechanismen, die diese Gliederung hervorbringen, bei Wirbeltieren und Arthropoden sehr ähnlich, ja teilweise identisch (Homöobox-Gene, Hox). Das Dilemma löst sich, wenn man in Betracht zieht, daß die genetischen Mechanismen, welche die Gehirne gliedern und regionalisieren, älter sind als die Gehirne selbst. Sie dienen nicht nur der Gliederung des Gehirns, sondern der Gliederung der Körperlängsachse insgesamt, und sie treten auch bei Tieren auf, die gar keine gegliederten Gehirne oder Körper besitzen. Es ist also möglich, daß das gleiche genetische Programm bei Wirbeltieren und bei Arthropoden unabhängig voneinander zur Konstruktion eines gegliederten Gehirns benutzt wurde. – Die vergleichende Anatomie des Gehirns bzw. der Cerebralganglien läßt kaum Zweifel daran aufkommen, daß Gehirne ursprünglich in engstem räumlichen Zusammenhang mit (Fern-)Sinnessystemen entstanden. Offenbar ist eine beträchtliche "Rechenleistung" notwendig, um die Information dieser Systeme zu verarbeiten und in sinnvolle motorische Aktionen umzusetzen. Diese "Rechenleistung" könnte zwar prinzipiell in jedem beliebigen Ganglion irgendwo im Körper vollbracht werden, jedoch liefern die Fernsinnesorgane, besonders die Augen, offensichtlich so große Datenmengen, daß es sich lohnt, den nervösen Apparat zu deren Aufarbeitung in der Nähe der Sinnesorgane zu konzentrieren, um die zahlreichen zur Datenübertragung benötigten Axone kurz halten zu können. Lange Übertragungswege in die Körperperipherie zu den dortigen Rezeptoren und Erfolgsorganen können dabei in Kauf genommen werden, da sie offenbar mit geringeren Datenmengen auskommen. Dort, wo solche großen Fernsinnesorgane fehlen, erfahren die Cerebralganglien keine besondere Entwicklung. Eine räuberische Lebensweise (und die damit einhergehende Entwicklung der Fernsinne) begünstigt ebenfalls die Entstehung komplexer Gehirne; fast wichtiger aber scheint eine soziale Lebensweise zu sein. Komplexe Sozialverhaltensweisen fördern die Entstehung hochkomplizierter, mitunter sehr großer assoziativer Hirnzentren (Pilzkörper der sozialen Insekten, Großhirnrinde der Säugetiere). Evolution der Nervensysteme und Gehirne, Geist und Gehirn, Leib-Seele-Problem (hierzu siehe Zusatzinfo ), Nervensystem.

H.W.

Lit.:Bullock, Th.H., Horridge, G.A.: Structure and Function in the Nervous System of Invertebrates (2 Vols.). San Francisco and London 1965. Thompson, R.E.: Das Gehirn. Heidelberg 1994.



Gehirn

Abb. 1: Cerebralganglion eines Plattwurmes (Strudelwurm, Turbellarie)



Gehirn

Abb. 2: Gehirn eines Vielborstenwurms



Gehirn

Abb. 3:
Bei Wirbeltieren einschließlich Mensch stellt das Gehirn zusammen mit dem Rückenmark das Zentralnervensystem dar. Es fungiert als übergeordnetes Steuerzentrum, indem es über Afferenzen Informationen aus der Umwelt aufnimmt, koordiniert, verrechnet und über Efferenzen den Erfolgsorganen zuleitet. Das Gehirn ist Zentrum für Assoziationen, Instinkt, Gedächtnis, Lernen, Intelligenz und Bewußtsein. Es füllt die gesamte Schädelkapsel aus (1) und ist vom Schädel selbst durch drei Hirnhäute isoliert. Zwischen den beiden inneren Häuten befindet sich ein flüssigkeitsgefüllter Hohlraum, der in Verbindung mit den ähnlich strukturierten Hohlräumen des Rückenmarks und den 4 Hirnventrikeln steht, in denen die Cerebrospinalflüssigkeit produziert wird. Trotz seines unterschiedlich erscheinenden Aufbaus besitzt das Gehirn des Menschen die gleiche Grundorganisation wie das der übrigen Wirbeltiere.
Das menschliche Gehirn läßt sich makroskopisch in drei Abschnitte gliedern, das Großhirn(Cerebrum), das Kleinhirn (Cerebellum) und den Hirnstamm(Truncus cerebri). Letzterer wird beim Menschen von den mächtig entwickelten Hemisphären des Groß- und Kleinhirns überdeckt, seine Bestandteile werden also erst an Schnitten durch das Gehirn (1 und 2 unten) sichtbar. Das verlängerte Mark (Myelencephalon, Medulla oblongata) stellt die Verbindung des Gehirns zum Rückenmark dar. Außerdem liegen hier lebenswichtige Reflexzentren. Vor dem verlängerten Mark liegt dieBrücke; Brücke und Kleinhirn zusammen werden auch als Metencephalon (Hinterhirn) bezeichnet. Im Inneren des Met- und Myelencephalons liegt der vierte Hirnventrikel, seitlich und unterhalb des Cerebellums trägt er Öffnungen, durch die die Cerebrospinalflüssigkeit aus den inneren Liquorräumen in die äußeren Liquorräume zwischen den Hirnhäuten übertritt. Oberhalb der Brücke findet sich das Mesencephalon, dessen Dach von der Vierhügelplatte gebildet wird. Über dem Mesencephalon liegt das Diencephalon (Zwischenhirn), das den Hirnstamm mit den Großhirnhemisphären verbindet. Die Epiphyse (Zirbeldrüse, Pinealorgan), die der Vierhügelplatte aufliegt, produziert Melatonin, ein Hormon, das der Regulation der circadianen Rhythmik dient. An der Basis des Diencephalons liegt die Hypophyse; sie ist mit dem Hypothalamus über den Hypophysenstiel verbunden. Im Zentrum des Zwischenhirns liegt der Thalamus.
Das Großhirn ist in zwei Hemisphären unterteilt, deren Oberfläche von der Großhirnrinde eingenommen wird. Die Oberfläche ist durch zahlreiche Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci) stark gegliedert und vergrößert. Man gliedert die Hemisphären in Frontallappen, Scheitellappen, Hinterhauptslappen und Schläfenlappen. Der Cortex selbst ist eine Schicht grauer Substanz, die unter der Oberfläche der Hemisphären liegt und unter der das mächtige Marklager (weiße Substanz) des Großhirns liegt (3). Die beiden Hemisphären sind durch den Balken miteinander verbunden. Bestimmte Cortexareale (Rindenfelder) in bestimmten Windungen haben bestimmte Funktionen (2). Die Hippocampusformation und die entorhinale Rinde gehören zusammen mit dem Gyrus cinguli zum limbischen System (3). In der Tiefe des Großhirns liegen der rechte und linke Seitenventrikel. In seiner Nähe finden sich große Massen grauer Substanz, die nicht cortical organisiert sind und die als Stamm- oder Basalganglien bezeichnet werden.
Das Kleinhirn gliedert sich in einen medianen, unpaaren Teil, der als Wurm (Vermis cerebelli, in 1 und 2 unten durchschnitten) bezeichnet wird, und in zwei seitlich davon gelegene Hemisphären. Die Schnittfläche des Wurms läßt erkennen, daß auch das Kleinhirn eine oberflächlich gelegene Rinde besitzt, die ein tiefer gelegenes Marklager umhüllt. Die Oberfläche des Wurms und der Hemisphären ist in zahlreiche feine Windungen gelegt, die als Foliae bezeichnet werden. Der Wurm und die sogenannte paravermalen (angrenzenden) Zonen der Hemisphären werden als Spinocerebellum zusammengefaßt. Die seitlichen Teile der Hemisphären werden als Pontocerebellum (Neocerebellum) bezeichnet. Die untersten Abschnitte der Hemisphären und des Wurms (die Pars nodulofloccularis cerebelli) werden auch Vestibulocerebellum (Archicerebellum) genannt.
1 Längsschnitt (sagittal) durch den menschlichen Kopf mit dem Gehirn
2 Seitenansicht (oben) einer linken Hirnhälfte; Medosagittalschnitt und Blick auf rechte Hirnhälfte (unten). Die Lage einiger der größeren funktionellen Rindenfelder ist mit Farben bezeichnet.
3 Querschnitt auf Höhe der Hypophyse



Gehirn

Abb. 4: Seitenansicht von Gehirnen verschiedener Säugetierarten. 1 Beutelratte (Metachirus spec., Beuteltiere), 2 Igel (Erinaceus europaeus, Insektenfresser), 3 Silbergibbon (Hylobates moloch, Primaten), 4 Feldhase (Lepus capensis, Hasentiere), 5 Eisbär (Thalarctos maritimus, Raubtiere), 6 Mähnenspringer (Ammotraguslervia, Paarhufer). Ansicht (von oben) 7 des Gehirns eines Schimpansen (Pan troglodytes, Masse etwa 400 g) und 8 eines Menschen (Homo sapiens sapiens, Masse etwa 1210 g); man beachte die unterschiedliche Anzahl der Hirnfurchen.

Gehirn

Gehirn und Subjekt:
Durch die Einsicht, daß das (menschliche) Gehirn das materielle, objektive Korrelat der immateriellen, subjektiven Bewußtseinsereignisse (= Vorstellungen, mentale Ereignisse) ist (cephalozentrische These) ergibt sich eine Sonderstellung dieses Organs unter allen anderen materiellen Objekten dieser Welt. Das Gehirn wird zu einer Art von "Bindeglied" zwischen den gemeinhin für verschieden gehaltenen Welten des Objektiven (der Materie, aus der auch das Gehirn besteht und den Naturgesetzlichkeiten, denen auch das Gehirn unterworfen ist) und des Subjektiven (der mentalen Ereignisse, die das Gehirn hervorbringt). In aller Schärfe tritt dies als das Leib-Seele-Problem in strikt dualistischen Ideologien auf. Wiefern man, in der Folge René Descartes', an die Existenz zweier unabhängiger Substanzen glaubt (denkende Substanz/res cogitans vs. materielle Substanz/res extensa), stellt sich augenblicklich das Problem der Verursachung und Wechselwirkung: Wie sind Erkenntnisvorgänge oder Willensakte der res cogitans mit materiellen Vorgängen in der res extensa des Gehirns verbunden? Auf dem Hintergrund der cephalozentrischen These lautet die Frage: wo im Gehirn ist der Interaktionsort von materieller und mentaler Welt, und wie interagieren sie? Wie ist eine solche Interaktion überhaupt vorstellbar, ohne das (naturwissenschaftliche) Postulat von der kausalen Geschlossenheit der physikalischen Welt (Energieerhaltungssätze der Thermodynamik) zu verletzen? Descartes selbst schlug kaum merkliche Bewegungen der Epiphyse als Interaktionsmechanismus und -ort vor, in jüngerer Zeit versuchte Sir John Eccles nachzuweisen, daß (nicht-materielle, abstrakte) "Wahrscheinlichkeitsfelder", wie sie die Quantenmechanik kennt, einen ursächlichen Einfluß auf die Neurotransmitter-Freisetzung (also ein materielles Ereignis) im Cortex haben könnten. Wirklich überzeugende experimentelle Ergebnisse oder logische Beweise für solche Interaktionen stehen allerdings aus. – Das dualistische Problem der Interaktion kann auf verschiedene Weise umgangen werden. Abgeschwächte Formen des Dualismus (Epiphänomenalismus) interpretieren die mentalen Ereignisse zwar als Gehirnprodukte und als real, leugnen aber, daß mentale Ereignisse (etwa im Sinne von willentlichen Handlungen) kausal auf das Gehirn zurückwirken können. Extremer ist der Standpunkt jener Reduktionisten, die die Substantialität mentaler Ereignisse bestreiten – diesen Standpunkt kann man als materialistischen Monismus (Materialismus) bezeichnen. Seinen logischen Gegenpol bildet der idealistische Monismus, demzufolge allein die mentalen Ereignisse substantiell sind, alle Materie hingegen ein kognitives Konstrukt. – Einen dritten Weg zwischen Monismen und Dualismus hat Baruch Spinoza vorgezeichnet; in Form der "Identitätshypothese" hat seine Idee einer dritten Substanz Eingang in das Leib-Seele-Problem gefunden. Die Identitätshypothese interpretiert mentale Ereignisse als die "Innenansichten" von Hirnvorgängen, deren materielle, naturwissenschaftliche Beschreibung die "Außenansicht" derselben Vorgänge darstellt. Die Lösung ist elegant, fordert jedoch eine dritte und "eigentliche" Substanz, die weder naturwissenschaftlich noch geisteswissenschaftlich zu erfassen ist.

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