Lexikon der Neurowissenschaft: Melatonin
Melatonin s [von griech. melas = dunkelfarbig, tonos = Spannung], melaninkonzentrierendes Hormon, 5-Methoxy-N-acetyltryptamin, Abk. MLT bzw. MEL, E melatonin,melanin concentrating hormone (Abk. MCH), Hormon, das in der Zirbeldrüse (Epiphyse; "Epiphysenhormon") der Wirbeltiere und des Menschen aus Serotonin durch N-Acetylierung und 5-Methoxylierung gebildet wird, aber auch bereits bei Evertebraten und Einzellern vorkommt. Die Biosynthese ( siehe Abb. 1 ) unterliegt einer circadianen Rhythmik (Chronobiologie, circadianer Rhythmus), gesteuert von den Nuclei suprachiasmatici des Hypothalamus und dem täglichen Hell-Dunkel-Wechsel. Das Schrittmacherenzym der Melatonin-Synthese, die N-Acetyl-Transferase, ist tagsüber weniger aktiv als nachts, aufgrund einer direkten Hemmung durch Licht sowie einer rhythmisch aktivierten Genexpression. Bei einigen Fischen und Amphibien induziert Melatonin als Gegenspieler des Melanotropins eine Konzentrierung des Melanins (dunkles Pigment) und verursacht damit bereits in sehr niedrigen Konzentrationen eine Aufhellung der Haut. Bei Vögeln und Säugern ist Melatonin bei der Steuerung der circadianen Rhythmik und jahreszeitlicher Anpassungsprozesse beteiligt. Über die Melatoninkonzentration (wenig Melatonin = Tag; viel Melatonin = Nacht) und über die Dauer des erhöhten Melatonin-Spiegels (kurze Dauer = kurze Nacht = Sommer; lange Dauer = lange Nacht = Winter) wird der Organismus über die Tageszeit und die Jahreszeit informiert und der gesamte Stoffwechsel sowie das Verhalten darauf eingestellt. Durch zeitlich abgestimmte Melatoningaben können Tagesrhythmen (z.B. Schlaf-Wach-Rhythmus) verschoben werden ( siehe Abb. 2 ) oder jahreszeitliche Anpassungen (z.B. Reproduktion, Fellwechsel, Körpergewicht) ausgelöst werden. Psychischer Streß und physische Überanstrengung können den Melatonin-Spiegel in der folgenden Nacht erhöhen, so daß es darüber zu einer psychischen Beeinflussung des Immunsystems kommt (Psychoneuroimmunologie). Chronobiologie, Chronopharmakologie, Melatoninrezeptor, Schlaf.
Melatonin
Abb. 1: Enzymatik der Melatoninsynthese (ausgehend vom Tryptophan)
Melatonin
Abb. 2: Die chronotherapeutische Wirkung von Melatonin als "Schlafhormon" wird sichtbar bei einer Patientin, die seit früher Kindheit unter einer Schlaf-Wach-Rhythmik mit einer Periodenlänge von 25 h leidet und dadurch keine normale soziale Einbindung hat. Ihr Organismus verhält sich so, als sei er unter Freilaufbedingungen, die sich beim Menschen in einer circadianen Rhythmik mit einer Periodenlänge von etwa 25 Stunden manifestieren (a). Eine Melatoninbehandlung im Alter von 17 Jahren, mit 5 mg Melatonin pro Nacht zwischen 21 h und 22 h gegeben, führte zur Ausprägung einer 24 h-Schlaf-Wach-Rhythmik und damit zu einer Frequenzsynchronisation mit dem täglichen Licht-Dunkel-Wechsel (b). Im Alter von 14 Jahren wurde bei der Patientin ein Gehirntumor diagnostiziert. Die Ergebnisse der Melatoninbehandlung sprechen dafür, daß der Nucleus suprachiasmaticus vermutlich aufgrund des Tumors keine Signale von den Augen bekam und damit die endogene Melatoninproduktion im Pinealorgan nicht mit dem täglichen Licht-Dunkel-Wechsel synchronisieren konnte.
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