Lexikon der Neurowissenschaft: Hormone
Hormone [von griech. hormon = antreibend], E hormones, von anderen Wirkstoffen nicht streng zu trennende Gruppe von Substanzen, die bei Tieren – häufig in spezifischen endokrinen Drüsen(Hormondrüsen) gebildet (glanduläre Hormone) - in sehr niedrigen Konzentrationen ins Blut oder in die Hämolymphe abgegeben werden (zu ihrem Nachweis siehe Zusatzinfo ) und an Organen, die über entsprechende Rezeptoren (Hormonrezeptoren) verfügen, spezifische Wirkungen entfachen. Werden Hormone nicht in spezialisierten Drüsen gebildet, sondern in einzelnen Zellen, bezeichnet man sie als Gewebshormone oder Zellhormone (aglanduläre Hormone), wobei die letztere Bezeichnung, die auf die Bildungsstätte der Hormone abhebt, die zutreffendere ist. Sie wirken dann im Gegensatz zu den Hormonen im engeren Sinne oft direkt in der Nachbarschaft ihres Produktionsorts im Gewebe (parakrine Wirkung). Andere hingegen (z.B. das Cholecystokinin des Duodenums) wirken als "echte" Hormone auf weiter entfernte Organe (in diesem Fall Pankreas und Galle), so daß die Bezeichnung "Gewebshormone" unscharf ist. Von einigen Ausnahmen abgesehen ist die chemische Zugehörigkeit der Hormone im engeren Sinne (d.h. in endokrinen Drüsen gebildet) auf Aminosäure-Abkömmlinge, auf Peptide bis hin zu echten Proteinen (Peptidhormone, Proteohormone) und auf Steroide (Steroidhormone) beschränkt. – Der Metazoenorganismus verfügt über zwei verschiedene Informationssysteme: eines, in dem Sender und Empfänger direkt verschaltet sind (neuronale Koordination über das Nervensystem), und eines, in dem nur spezielle Empfänger eine "an alle" gerichtete Information empfangen können (humorale oder hormonale Koordination über das Hormonsystem). In der Technik stehen Telefon und Rundfunkempfänger für die beiden Prinzipien. Wirkstoffe spielen aber auch bei der neuronalen Koordination eine wichtige Rolle (als Neurotransmitter). Darüber hinaus können diese Neurotransmitter teilweise gleichzeitig Hormonwirkung (Neurohormone) besitzen (z.B. Adrenalin und Noradrenalin). Außerdem können nervöse Zentren efferent über Blut- oder Hämolymphbahnen in Kontakt mit endokrinen Drüsen treten (Hypothalamus-Hypophysen-System, Neurohämalorgane). Umgekehrt beeinflussen im Blut zirkulierende Hormone zentralnervöse Aktivität. Von einer strikten Trennung beider Informationssysteme kann daher nicht die Rede sein. Im Gegenteil weist die enge Verknüpfung auf eine gemeinsame phylogenetische Wurzel hin. Ebenfalls von Nervenzellen gebildet und funktionell zwischen reinen Neurotransmittern und "echten" Hormonen angesiedelt sind die sogenannten Neuromodulatoren, zu denen die meisten Peptidhormone zählen, die als Neuropeptide Neurotransmitterfunktionen innerhalb des Nervensystems erfüllen. – Schon bei Hohltieren kann man die Tätigkeit von neurosekretorischen Zellen beobachten. Sie liegen bei diesen wie auch bei Plattwürmern und Schlauchwürmern vereinzelt im Nervensystem – das noch wenig konzentriert ist – und geben ihre Sekrete, die innerhalb der Axone transportiert werden, direkt an die Hämolymphe oder Blut transportierenden Gefäße ab. Die phylogenetische Weiterentwicklung der neurosekretorischen Zellen besteht zum einen darin, daß sie zu Zentren zusammengefaßt werden (bereits bei Saugwürmern), und zum anderen in der Ausbildung von Neurohämalorganen, in denen die sekretausscheidenden Nervenendigungen gruppiert, von Bindegewebe umgeben und in Kontakt mit kapillarartig verzweigten Gefäßen auftreten. Wohl ausgebildete Neurohämalorgane finden sich als Cerebraldrüsen bei Hundertfüßern, Sinusdrüsen bei Krebstieren, Corpora cardiaca bei Insekten und Neurohypophyse bei Wirbeltieren. In den letzteren drei Gruppen wirken sie zusammen mit echten (vom Nervensystem unabhängigen) endokrinen Drüsen (Insektenhormone, Hypothalamus-Hypophysen-System). – Eine Evolution von endokrinen Drüsen, deren Hormone auf längere Distanz wirken, bedingt zwangsläufig eine entsprechende Evolution von Rezeptoren, die die Signale der Hormone empfangen können. Die Spezifität der Hormonwirkung ist nicht zuletzt auf eine Spezifität der Rezeptoren zurückzuführen. Bei Tieren mit einer hochentwickelten humoralen Koordination ist das Hormonsystem hierarchisch gegliedert. Es wird kontrolliert über Neurosekrete bzw. Freisetzungshormone (auch als Releasing-Hormone bezeichnet) höherer zentralnervöser Zentren und wirkt auf diese im Sinne eines Regelkreises zurück (Augenstiel-Y-Organkomplexe [Augenstielhormone, Y-Organ] der Krebstiere; das System Protocerebrum [Pars intercerebralis] – Corpora cardiaca – Corpora allata – Prothoraxdrüsenkomplex der Insekten; Hypothalamus-Hypophysen-System mit den entsprechenden Zielorganen bei Wirbeltieren). Generell kann die Funktion von Hormonen als kybernetisches Modell in der abstrakten Form von Regelkreisen beschrieben werden (Regelung). Häufig ist jedoch das Zusammenspiel mehrerer Hormone zu komplex, um es in einem überschaubaren Regelkreis veranschaulichen zu können. Hinzu kommt, daß die Freisetzung vieler Hormone in Pulsen erfolgt und damit nicht streng an ein bestimmtes Feedbacksignal gekoppelt erscheint. – Die Primärwirkung der Hormone läßt sich drei verschiedenen Mechanismen zuordnen, die allerdings nicht in jedem Fall scharf zu trennen sind: 1) Aktivierung einer in die Zellmembran integrierten Adenylatcyclase (Adrenalin, Noradrenalin, Glucagon, Parathormon, Thyreotropin, Vasopressin, luteinisierendes Hormon, hypothalamische Releasing-Hormone); 2) Induktion (Stimulation) der Synthese spezifischer (meist Enzym-)Proteine durch Aktionen am Zellkern (Steroidhormone, Schilddrüsenhormone); 3) Regulation der Zellmembranpermeabilität (Insulin, Vasopressin – über cAMP-Mechanismus). Ein wesentliches Kriterium der Hormonwirkung besteht in der Begrenzung ihrer Wirkzeit, gemessen über die Halbwertszeit. Diese kann sich zwischen Tagen (Thyroxin), Stunden (Cortisol) und Minuten (Insulin, Vasopressin) bewegen. Für die Beseitigung von Hormonen sorgen direkte Abbauprozesse oder Konjugationsreaktionen (in der Leber oder entsprechenden Organen). Die Endprodukte werden als Exkrete ausgeschieden und können so z.B. im Harn nachgewiesen werden (z.B. beim Schwangerschaftsnachweis). Die beschriebenen Primärwirkungen der Hormone führen über zahlreiche, in ihrer kausalen Abfolge nicht generell verstandene Zwischenstufen zu so hochintegrativen Leistungen wie Verhaltenssteuerungen (Nahrungsaufnahme, Brutpflege, Balz, sexuelle Aktivitäten) und beim Menschen zu psychischen Veränderungen (Pubertät, Klimakterium). Endokrinologie, glandotrope Hormone, Pheromone, Sexualhormone, Signaltransduktion.
J.B./K.G.C.
Lit.:Felig, Ph., Baxter, J.D., Frohman, L.A. (Hrsg.): Endocrinology and Metabolism. McGraw Hill 1995. Kostyo, J., Goodman, H.M. (Hrsg.): Handbook of Physiology : A Critical, Comprehensive Presentation of Physiological Knowledge and Concepts. Section 7: The Endocrine System. Oxford Univ. Press 1999.
Hormone
Hormonnachweis:
Hormone lassen sich mit Hilfe chemischer, biologischer, immunologischer und radiologischer oder einer Kombination dieser Methoden nachweisen. Die Gaschromatographie eignet sich zum Nachweis von Steroidhormonen und Prostaglandinen. Bei der radioimmunologischen Hormonbestimmung wird Kaninchen das zu bestimmende Hormon in möglichst reiner Form injiziert, damit sich Antikörper bilden können. Zum anderen wird dieses Hormon mit radioaktivem 125Iod markiert. Zum Nachweis wird 125I-Hormon mit Hormonantikörpern gemischt. Es bildet sich ein 125I-Hormonantikörperkomplex. Gibt man dazu die zu untersuchende Körperflüssigkeit, so reagiert das nicht markierte Hormon darin mit dem Komplex und verdrängt das markierte Hormon aus dieser Bindung. Trennt man das freie und komplexgebundene Hormon und mißt die Radioaktivität des freien und des gebundenen markierten Hormons, so kann man aus diesem Verhältnis die Menge des gesuchten Hormons errechnen. Bei der Hormonrezeptormethode reagieren in einem ersten Schritt aus tierischen Organen isolierte Hormonrezeptoren mit dem zu messenden Hormon. Damit kann das Hormon isoliert werden. In einem zweiten Schritt wird 125Iod-markiertes Hormon hinzugegeben und belegt alle am Rezeptor noch nicht besetzten Stellen. Mißt man die Radioaktivität des Hormonrezeptorkomplexes, ist die Aktivität um so höher, je weniger natives Hormon sich in der zu untersuchenden Flüssigkeit befand.
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