Lexikon der Neurowissenschaft: Cadherine
Cadherine, E cadherins, multifunktionelle Familie von Ca2+-abhängigen, transmembranären Glykoproteinen, welche homophile Zell-Zell-Adhäsion vermitteln (Zelladhäsion). Die Cadherin-Superfamilie kann in drei Unterfamilien eingeteilt werden: die klassischen Cadherine (E-Cadherin, N-Cadherin), die Protocadherine und die Cadherin-verwandten neuronalen Rezeptoren (CNR). Während der Embryonalentwicklung spielen die Cadherine bei der Gewebebildung eine wichtige Rolle. Im Nervensystem sind die Cadherine an der Weg- und Zielfindung von Axonen, an der Synapsenbildung (Synapsen) und im erwachsenen Organismus an synaptischer Plastizität beteiligt. Strukturell sind die Cadherine aus extrazellulären Cadherin-Domänen (EC-Domänen, bestehend aus ca. 110 Aminosäureresten), einer Transmembrandomäne und einer intrazellulären Domäne aufgebaut ( siehe Abb. 1 ). Diejenige Cadherin-Domäne, welche extrazellulär am weitesten von der Transmembrandomäne entfernt ist (EC1-Domäne), ist hauptsächlich an der Bindung zwischen Cadherin-Molekülen benachbarter Zellen verantwortlich. Die EC1-Domäne enthält die konservierte Tripeptidsequenz Histidin-Alanin-Valin (HAV-Sequenz), welche für die Dimerisierung von Cadherinmolekülen notwendig ist. Die intrazelluläre Domäne, die eine regulatorische Rolle spielt, interagiert mit mehreren cytoplasmatischen Proteinen (α-Catenin, β-Catenin, γ-Catenin [Plakoglobin], die Fyn-Rezeptor-Tyrosin-Kinase und das Tyrosinkinase-Substrat p120cas). Die Catenine besitzen sogenannte Armadillo-Wiederholungen, die Protein-Protein-Interaktionen vermitteln, und dienen als Verbindungsmoleküle. Sie binden intrazellulär die klassischen Cadherine an das Actin-Zellskelett und modulieren den Adhäsionszustand des extrazellulären Teils dieser Cadherine ( siehe Abb. 2 ). So führt beispielsweise die Deletion der cytoplasmatischen Domäne von klassischen Cadherinen zu Adhäsions-unfähigen Molekülen, die mit dem Zellskelett nicht mehr interagieren können. Zudem sind einige Mutationen entweder in den klassischen Cadherinen oder den Cateninen mit veränderten Adhäsionseigenschaften in einigen Tumorzellen in Zusammenhang gebracht worden. Jedes Mitglied der Cadherin-Superfamilie hat ein charakteristisches Expressionsmuster während der Differenzierung wie auch im erwachsenen Organismus. Dabei bindet jedes Cadherin vor allem Cadherinmoleküle desselben Typs. Dadurch können Nervenzellen, welche eine bestimmte Kombination an Cadherinmolekülen exprimieren, nur mit solchen Zielneuronen in Verbindung treten, die einen überlappenden oder identischen Satz an Cadherinen exprimieren. Durch Hemmung der Adhäsion von N-Cadherin (neuronales Cadherin) und E-Cadherin (epitheliales Cadherin) konnte gezeigt werden, daß dadurch die Langzeitpotenzierung (LTP) unterbunden werden kann. Bei der Langzeitpotenzierung handelt es sich um eine aktivitätsabhängige, langandauernde Erhöhung der synaptischen Übertragung, was als zelluläre Form einiger Arten von Lernen und Gedächtnis angesehen wird; daher scheinen diese Cadherine für die Gedächtnisbildung von Bedeutung zu sein.
Cadherine
Abb. 1:schematische Darstellung des strukturellen Aufbaus der drei Cadherin-Unterfamilien
1 klassische Cadherine, 2 Protocadherine, 3 Cadherin-verwandte neuronale Rezeptoren
S Signalsequenz, PRE Pre-Sequenz, EC extrazelluläre Domäne, TM Transmembrandomäne, CP cytoplasmische (intrazelluläre) Domäne, RGD RGD-Sequenz (Integrin-Bindungsstelle)
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