Lexikon der Optik: asphärische Fläche
asphärische Fläche, Asphäre, eine zur Reflexion oder Brechung eines Lichtbündels dienende optische Fläche, die weder kugelförmig (sphärisch) noch eben ist. Weicht die a. F. nur gering von einer Kugel ab, so wird sie auch deformierte Fläche und ihre Abweichung von der Kugel Deformation genannt. Während eine Kugel nur einen einzigen Formparameter, ihren Radius, hat, kann eine a. F. beliebig viele besitzen. Ein einfaches Beispiel für eine a. F. mit zwei Formparametern wird durch eine Fläche gebildet, die durch Rotation eines Kegelschnittes (Ellipse, Parabel, Hyperbel) um eine seiner Hauptachsen entsteht. Diese Achse – bei einer Hyperbel ihre reelle Achse – ist im allgemeinen die optische Achse. Dabei umfaßt die a. F. einen mehr oder weniger großen Bereich in der Scheitelumgebung. In kartesischen Koordinaten (x, y, z) und mit der Abkürzung h2=x2+y2 kann die erwähnte a. F. in der Form dargestellt werden:
d.h.
wobei h2<R2/(1+b). Als Formparameter dieser a. F. können ihr Scheitelkrümmungsradius R und die Größe b angesehen werden, wobei sich je nach dem Wert von b ein Rotationsellipsoid, -paraboloid oder -hyperboloid ergibt (b=0: Kugel).
Die durch (1a) und (1b) dargestellten Flächen sind Beispiele für kartesische Flächen. Diese bilden einen Achsenpunkt stigmatisch (vollkommen scharf) in einen anderen Achsenpunkt ab (Abb. 1). Sie sind von zweiter Ordnung, und einer oder beide der erwähnten Achsenpunkte sind die Brennpunkte des Rotationskegelschnitts. Ihre stigmatische Abbildung ist nicht nur in Reflexion möglich, sondern bei passendem Brechzahlverhältnis auch durch Brechung. Allgemeine kartesische Flächen sind Flächen vierter Ordnung; sie bilden bei beliebigem Brechzahlverhältnis zwei beliebige Achsenpunkte stigmatisch ineinander ab.
Die obigen Flächen sind Spezialfälle von Rotationsasphären, den am häufigsten verwendeten a. F. Eine allgemeine Rotationsasphäre entsteht mathematisch durch Rotation einer achsensymmetrischen Kurve um ihre Achse, die meist optische Achse ist. Die Kurve ist die Meridionalkurve, d.h. der Schnitt der a. F. mit der Meridionalebene x=0 (Abb. 2). Allgemeine Rotationsasphären werden oft in der Form
z=a2h2+a4h4+a6h6+... (2)
dargestellt. In Scheitelumgebung, oder wenn die nach a4 noch folgenden Koeffizienten genügend klein sind, kann man schreiben:
z≈a2h2+a4h4,
wobei a2=1/(2R) und a4=(1+b)/(8R3). Hier wird b zuweilen auch Deformationskoeffizient genannt.
Neben (2) werden auch eine Reihe anderer Darstellungsformen verwendet, z.B. Mischformen aus (1b) und (2) sowie Darstellungen in Parameterform oder unter Verwendung von Polarkoordinaten. Viele dieser Darstellungen sind einander rein mathematisch äquivalent, aber nicht rechentechnisch. Hier kommt es darauf an, Asphären durch Ausdrücke darzustellen, die genügend einfach sind. Die günstigste Darstellungsform hängt somit von dem zu lösenden Problem ab. Daher werden auch Darstellungen verwendet, die im Gegensatz zu (2) nicht überall beliebig oft differenzierbar sind. Insbesondere kann die Meridionalkurve der Asphäre durch eine Anzahl von Punkten (Stützpunkten) definiert werden, durch die sie hindurchgeht. Dies kann z.B. mittels kubischer Spline-Funktionen erfolgen. Hierbei wird jedes Meridionalkurvenstück zwischen zwei benachbarten Stützpunkten durch ein Polynom dritten Grades beschrieben. Dessen Koeffizienten müssen die Nebenbedingung erfüllen, daß die Meridionalkurve und ihre ersten und zweiten Ableitungen überall stetig sind. Die dritten Ableitungen dagegen springen im allgemeinen in den Stützpunkten.
Einfache Beispiele für a. F., die in bezug auf die optische Achse nicht rotationssymmetrisch sind oder liegen, sind torische Flächen und Zylinderflächen. Eine torische Fläche (Abb. 3) entsteht durch Rotation eines Kreises um eine Achse AA, die in der Ebene des Kreises liegt, aber nicht durch seinen Mittelpunkt geht. Optisch genutzt wird nur ein Teil einer solchen Fläche, z.B. für eine Linsenfläche die Umgebung des Koordinatenursprungs O. Wenn der Radius R1 des erwähnten Kreises kleiner als der Rotationsradius R2 ist, spricht man von einer wurstförmigen, bei R1>R2 von einer tonnenförmigen torischen Fläche. Die beiden Hauptkrümmungen in Abb. 3 haben in O gleiches und in P verschiedenes Vorzeichen (Sattelpunkt). Im Grenzfall R2→∞ entsteht eine Zylinderfläche.
A. F. wurden schon im 17. Jh. diskutiert, z.B. von Kepler und Descartes, und ihre ersten Anwendungen fanden sie in Teleskopen. Aber erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ergeben sich ständig wachsende Anwendungen auf den verschiedensten Gebieten (Asphärenanwendungen), nachdem ihre Berechnung (Asphärenberechnung) durch die Entwicklung der Computertechnik und ihre Herstellung durch moderne Technologien ermöglicht oder erleichtert wurden.
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