Lexikon der Optik: Sehbahn
Sehbahn, Nervenbahn, die der Übertragung der elektrischen Erregungen von den Rezeptoren der Netzhaut bis zur primären Sehrinde dient. Die S. ist aus vier Arten von Neuronen aufgebaut: Rezeptoren, Bipolarzellen (Netzhaut), Ganglienzellen und Neurone der Sehstrahlung.
Die visuelle Information wird vom Auge über ca. 1,2 Millionen Axone der retinalen Ganglienzellen, die in ihrer Gesamtheit den Sehnerv bilden, weitergeleitet. Die retinalen Ganglienzellen lassen sich in drei Klassen einteilen: Die Y-Neurone des magnozellulären Systems haben schnell leitende, dicke Axone. Diese Neurone sind farbunempfindlich. Die X-Neurone des parvozellulären Systems bilden dünnere, markhaltige Axone. Sie übertragen chromatische Informationen. Im magnozellulären und parvozellulären System gibt es gleich viele ON- und OFF-Zentrum-Ganglienzellen (rezeptives Feld). W-Neurone des koniozellulären Systems bestehen überwiegend aus dünnen, markarmen Zellen. Die ON-OFF-Ganglienzellen sowie die Neurone der Pupillenbahn gehören überwiegend zu dieser Neuronengruppe. An der Schädelbasis vereinigen sich die Sehnerven beider Augen zum Chiasma opticum. Die Nervenfasern, die von den nasalen Netzhauthälften herstammen, ziehen sich zur gegenüberliegenden Hirnhälfte. Auf der linken (rechten) Hirnhälfte verlaufen, nachdem die Nervenfasern das Chiasma verlassen haben und nun als Tractus opticus bezeichnet werden, die Nervenfasern von den linken (rechten) Netzhauthälften (Abb.). Rund 1 Million Nervenfasern laufen im Tractus opticus bis zum seitlichen Kniehöcker (Corpus geniculatum laterale), wo das 3. Neuron der Sehbahn endet. Vom seitlichen Kniehöcker ziehen sich die Fasern des 4. Neurons als Sehstrahlung zur primären Sehrinde. Diese Fasern dienen der Objekterkennung, dem Farbensehen, der Bewegungs- und Raumwahrnehmung sowie dem Tiefensehen.
Vom Tractus opticus laufen zahlreiche Nervenbahnen zu verschiedenen Bereichen des Gehirns:
a) Nervenfasern, die zum Hypothalamus gehen, wirken auf das Hormonsystem des Körpers ein. Sie steuern den Schlaf-Wach-Rhythmus und synchronisieren die innere Uhr.
b) Nervenfasern, die zur Zirbeldrüse (Epiphyse) laufen, steuern die Melatoninsynthese. Sie wirken auf die Pigmentierung der Haut sowie die Keimdrüsen ein.
c) Nervenfasern, die zur Area praetectalis des Mittelhirns gehen, dienen der Steuerung der Pupillenbewegung. Sie sind an der Auslösung vertikaler Augenbewegungen sowie der Vergenzbewegungen beteiligt.
d) Nervenfasern ziehen sich zu den Colliculi superiores. Sie stehen im Dienste der reflektorischen Blickbewegungen (Sakkaden) und Kopfbewegungen. Ein Teil der Nervenfasern erreicht das parietale visuelle Assoziationszentrum.
e) Bewegungsspezifische ON-OFF-Neurone stehen mit den Vestibulariskernen im Hirnstamm in Verbindung. Diese Verbindung mit dem Gleichgewichtsorgan (Vestibulum) und dem Kleinhirn dient der Wahrnehmung der Eigenbewegung im Raum.
Sehbahn: Sehbahn und typische Gesichtsfeldausfälle nach Läsionen der Sehbahn (CGL Corpus geniculatum laterale, seitlicher Kniehöcker). 1 Schädigung der Peripherie des Sehnervs, 2 vollständige Schädigung des Sehnervs, 3 partielle Schädigung der rechten Chiasmaseite, 4 Schädigung des Chiasmas, 5 Schädigung des rechten Tractus opticus, 6 Schädigung der Sehstrahlung rechts, 7 Schädigung der rechten Sehrinde. Die schwarzen Felder geben die jeweiligen Gesichtsfeldausfälle des rechten und linken Auges an (nach Berke und Münschke, Screening, DOZ-Verlag, Heidelberg 1996).
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