Metzler Lexikon Philosophie: Grund
Aufgrund des Bedeutungsspektrums ist der Sache nach zu unterscheiden zwischen Erkenntnis-G. als logischer Voraussetzung eines Urteils, einer Überzeugung oder eines Arguments; Handlungs-G. als Motiv, Beweggrund einer Handlung und Kausal-G. als physikalischer Ursache eines Ereignisses. Nach Maßgabe des heutigen wissenschaftlichen Sprachgebrauchs fällt G. daher in seiner Bedeutung als Kausal-G. in die Begriffsfelder Erklärung, Kausalität; als logischer G., Beweis-G. in die Begriffsfelder Begründung, Argumentation und schließlich als Motiv in das Feld Handlung. – Unter Kausalgründen im Sinne von Ursachen von Ereignissen können diejenigen Tatsachen verstanden werden, die in den singulären Antezedensbedingungen der Kausalerklärung von Ereignissen angegeben werden. In der Verwendung als Kausal-G. dominiert die objektiv-deskriptive Komponente. Bei Argumentationen und insbesondere bei Handlungs-G. tritt, zumal im ethischen Sprachgebrauch, eine normative Komponente hinzu (Legitimation). – Sprachgeschichtlich verweist G. auf die Vorstellungen Tiefe, Ursprung, inneres Wesen. Dieser metaphorische Gehalt prägt auch seine Verwendung in der dt. Mystik des 14. und 15. Jh., wo G. z.T. synonym zu Geist, Seele gebraucht wird und zugleich Gott bezeichnet. Meister Eckhart verbindet beide Aspekte in seiner neuplatonisch geprägten Konzeption des Seelen-G.es und kennzeichnet damit die Gottähnlichkeit des Menschen. – Im »vorkritischen« dt. Rationalismus liegt im Satz vom G. (Principium rationis sufficientis) der Hauptakzent auf der kausalen Bedeutung. Der Satz vom G. hat jedoch einen logisch-ontologischen Doppelcharakter: Er enthält die Präsupposition einer durchgängigen objektiven Ereigniskausalität und kennzeichnet ebenso das logisch-argumentative Prinzip der universalen Begründbarkeit von Urteilen. So erscheint der Satz vom G. etwa bei Wolff und Leibniz als logisches und zugleich metaphysisches Erklärungsprinzip. Kant hingegen weist in seiner Kritik der traditionellen Metaphysik den metaphysischen Geltungsanspruch zurück und setzt den Satz vom G. als universales logisches Prinzip der Gegenstandserkenntnis voraus. Kant zufolge ist er »der G. möglicher Erfahrung, nämlich der objektiven Erkenntnis der Erscheinungen, in Ansehung des Verhältnisses derselben in Reihenfolge der Zeit« (KrV A 201/B246). Er gilt »ohne Ausnahme von allen Dingen als Erscheinungen im Raume und Zeit, aber keineswegs von Dingen an sich selbst« (Akad.-Ausg. 8, 213). Schopenhauer unterscheidet klar vier Bereiche: den physischen, mathematischen, logischen und ethischen G., deren jeder einer Klasse von Objekten entspricht. Als gemeinsame Grundlage aller apriorischen Formen ist der Satz vom G. für Schopenhauer das zentrale Konstituens der Vernunft und deshalb ebenfalls die »Grundlage aller Wissenschaft«.
Literatur:
- D. Follesdal u.a.: Rationale Argumentation. Berlin u.a. 1986
- Forum für Philosophie Bad Homburg (Hg.): Philosophie und Begründung. Frankfurt 1987
- A. Schopenhauer: Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grund (Sämtl. Werke 7). Wiesbaden 1950
- W. Stegmüller: Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie. Bd 1: Wissenschaftliche Erklärung und Begründung. Berlin u.a. 1974
- M. Wolff: Der Satz vom Grund, oder: Was ist philosophische Argumentation. In: Argumentation in der Philosophie, Neue Hefte für Philosophie 26 (1986). S. 89–114.
JH
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