Metzler Lexikon Philosophie: Kognitivismus/on-Kognitivismus
(1) In erkenntnistheoretischer Hinsicht tritt der K. in zwei gegensätzlichen Positionen auf: Der Logische Empirismus legt ein empirisches Signifikanzkriterium zugrunde, wonach all diejenigen Begriffe als sinnlos zu gelten haben, über deren berechtigte Anwendung nicht in jedem konkreten Fall mit Hilfe von Beobachtungen entschieden werden kann. Die als »critical cognitivism« bezeichnete Position von Chisholm vertritt dagegen die Ansicht, dass es Sachverhalte in der innneren oder äußeren Erfahrung gibt, die Kriterien für die Geltung von Sätzen über die Außenwelt, die mentalen Vorgänge in anderen Menschen, vergangene Ereignisse und ethische Sachverhalte darstellen. Eine weitere Variante des K. vertreten Apel und Habermas im Anschluss an Peirce und Austin. Der pragmatischen Bedeutungstheorie von Peirce liegt die Unterscheidung zwischen der handlungsbezogenen Organisation der Erfahrung und dem argumentativen Prozess der Klärung von Geltungsansprüchen (des Wahren und Richtigen) zugrunde. Austin und Searle behaupten im Gegensatz zu jenen semantischen Wahrheitstheorien, für die einzig Sätze als wahr oder falsch beurteilbar sind, dass Behauptungen und Aussagen und die darin implizierten Geltungsansprüche die Grundlage der Wahrfalsch-Beurteilung darstellen. Piagets Untersuchungen zur kognitiven Entwicklung bestätigen jene Beziehungen zwischen kognitiven Schemata und Handlungssystemen: Das Kind lernt die denotativen Ausdrücke im praktischen Bezug zu physikalischen Gegenständen und nicht unmittelbar mit grammatischen Funktionen. Habermas vertritt dementsprechend die Thesen, dass Wahrheit in einem pragmatischen Zusammenhang als Geltungsanspruch, den wir in Aussagen behaupten, betrachtet werden muss, und dass es zwischen den Wahrheitskriterien und den Kriterien zur argumentativen Klärung von Wahrheitsansprüchen keine Trennung geben kann. (2) Der moralphilosophische K. vertritt die These, dass der mit moralischen Urteilen verbundene Anspruch als Objektivitätsanspruch zu verstehen sei. Demgegenüber behauptet der Non-K., dass moralischen Urteilen kein Erkenntnischarakter zugesprochen werden kann. Hinsichtlich der Bestimmung, worin die Eigenart der moralischen Sachverhalte bestehe, bieten sich dem K. mehrere Möglichkeiten an: (a) Es sind empirische Sachverhalte, die in den moralischen Urteilen zum Ausdruck gebracht werden, dementsprechend sind moralische Urteile als empirische Urteile zu verstehen. Spezifische Begriffe der moralischen Urteile wie »gut« und Ausdrücke wie »sollte« sind als einfache oder definierbare empirische Begriffe zu verstehen. Diese Auffassung vertritt der moralphilosophische Naturalismus.
(b) Moralische Urteile bringen Sachverhalte einer völlig eigenständigen Art zum Ausdruck. Deren charakteristische Begriffe wie »gut« und »sollte« sind auf keinen Fall auf empirische Begriffe rückführbar. Diese Auffassung wird als Intuitionismus (Moore, Ross) bezeichnet. Eine andere Form des K. belässt es nicht bei Versuchen der Bestimmung moralischer Sachverhalte, sondern vertritt gegen den Dezisionismus und Emotivismus die Auffassung, dass für die praktischen Grundsätze auf argumentative Weise Begründungen erbracht werden können (Lorenzen, Kambartel, Schwemmer, Apel, Habermas). Habermas beansprucht auch für Fragen der normativen Richtigkeit die Möglichkeit rationaler Entscheidung. So wie die Wahrheitskriterien auf Kriterien zur argumentativen Klärung von Wahrheitsansprüchen zurückgeführt werden, kann auch für die Richtigkeit von Normen ein argumentativ einlösbarer Geltungsanspruch erhoben werden.
Die Position des Non-K. verdankt sich in hohem Maße den Grundannahmen des Logischen Empirismus (d.i. Sinntheorem und Basistheorem), aufgrund derer all jene Aussagen und Begriffe ohne deskriptiven Gehalt als kognitiv sinnlos anzusehen sind. Der Forderung, über die Anwendung der Begriffe müsse in jedem konkreten Fall mit Hilfe von Beobachtungen entschieden werden können, kann die Ethik für ihre spezifischen Ausdrücke nicht entsprechen. Von mehreren Autoren wurde daraus die bedeutungstheoretische Konsequenz gezogen, die moralischen Urteile als Imperative zu deuten, denen der instrumentelle Sinn zukommt, andere Personen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Ayer und Stevenson gestalten den Non-K. zur Position des Emotivismus aus: Die emotive Bedeutung moralischer Ausdrücke zeigt sich in der mit ihnen verbundenen Tendenz, mit ihrer Äußerung bestimmte Einstellungen und affektive Reaktionen auf Seiten des Hörers hervorzurufen.
Literatur:
- A. J. Ayer: Sprache, Wahrheit und Logik. Stuttgart 1970. S. 135 ff
- K. Baier: Der Standpunkt der Moral. Düsseldorf 1974
- R. Chisholm: Erkenntnistheorie. München 1979. S. 178–180
- J. Habermas: Wahrheitstheorien. In: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns. Frankfurt 1984. S. 127 ff
- F. Kambartel: Moralisches Argumentieren – Methodische Analysen zur Ethik. In: Ders. (Hg.): Praktische Philosophie und konstruktive Wissenschaftstheorie. Frankfurt 1974. S. 54 ff
- P. Lorenzen: Szientismus versus Dialektik. In: F. Kambartel (Hg.): Praktische Philosophie und konstruktive Wissenschaftstheorie. Frankfurt 1974. S. 34 ff
- G. E. Moore: Principia Ethica. Stuttgart 1970
- O. Schwemmer: Grundlagen einer normativen Ethik: In: F. Kambartel (Hg.): Praktische Philosophie und konstruktive Wissenschaftstheorie. Frankfurt 1974. S. 73 ff
- L. Stevenson: Ethics and Language. New Haven 1944
- S. E. Toulmin: An Examination of the Place of Reason in Ethics. Cambridge 1960
- R. Wimmer: Kognitivismus. In: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 2. Mannheim/Wien/Zürich 1984.
PP
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.