Metzler Lexikon Philosophie: Konfuzianismus
in China einflussreichste Philosophenschule (chin. Ru Jia), die sich auf Kong Zi (Konfuzius, 551–479 v.Chr.) beruft. Zentrales Anliegen des K. ist die Realisation einer umfassenden Ordnung der Welt, speziell der sozialen Welt. Der K. ist als eine philosophische Anthropologie (Tu Wei-ming) bezeichnet worden, die durch den Neokonfuzianismus eine ontologische Fundierung erhielt. Mehrere historische Richtungen lassen sich unterscheiden. – (1) Im klassischen K. (5.-3.Jh.v.Chr.) bestimmen Kong Zi, Meng Zi (Mencius ca. 371–289 v.Chr.) und Xun Zi (ca. 298–238 v.Chr.) in ihrem Denken, das in den Schriften Lunyu (Gespräche des Konfuzius), dem Buch Mencius und dem Buch Xunzi von den jeweiligen Schülern aufgezeichnet wurde, die Begrifflichkeit der Lehre. Zentrale Begriffe sind Sittlichkeit, bzw. Ritualität (Li), die eine Haltung einer sozial verbindlichen hierarchischen Struktur (Fünf Beziehungen: Herrscher-Untertan, Vater-Sohn, Brüder, Mann-Frau, Freunde) definiert; Mitmenschlichkeit (Ren), die für das Denken von Konfuzius grundlegende innerliche Befähigung zur Sozialität; Weisheit (Zhi); Angemessenheit (Yi) und Vertrauen (Xin). Die qualitative Bestimmung des von Mencius eingeführten immanenten Wesens (Xing) des Menschen sollte zu einem der Hauptstreitpunkte der chinesischen Philosophie werden. – (2) In der Han-Zeit (206 v.Chr.-220 n.Chr.) wird der K. zur staatstragenden Theorie. Werke des frühen K. werden kanonisiert, und zu den Klassikern entsteht eine reiche Kommentarliteratur. Dong Zhongshu (179–104 v.Chr.) bindet in die ethische Lehre eine umfassende Kosmologie und Numerologie ein, die ein imperiales Staatsgebilde legitimiert. Gegen die kosmologischen Spekulationen der sogenannten Neutextschule wandten sich die Vertreter der Alttextschule, v.a. Wang Chong (27-ca.100). – (3) Vom 3. Jh. bis ins 10. Jh. verliert der K. den Rang der intellektuell bestimmenden Philosophie an den Neodaoismus und den Buddhismus. In der Auseinandersetzung mit dem Buddhismus und dem religiösen Daoismus treten kulturelle und religiöse Fragestellungen in den Vordergrund. Die klassischen Werke werden im staatlichen Auftrag neu ediert und kommentiert. Mit Han Yu (768–824) und Li Ao (gest. 798) leitet sich die Erneuerung des K. ein. – (4) Mit dem Neokonfuzianismus (11.–16. Jh.) wird der K. wieder zur beherrschenden philosophischen Schule in China. Die Wiederentdeckung der Klassiker unter epistemologischen und kosmogenetischen Gesichtspunkten erhält ihre entscheidende Ausprägung in der Synthese von Zhu Xis (1130–1200) Philosophie. Von 1313 bis 1905 hatte diese Auslegung des K. den Charakter einer staatlichen Orthodoxie. Wang Yangming (1472–1529), der den ethischen Charakter menschlicher Erkenntnistätigkeit betont, begründet die zweite bedeutende Schulrichtung des Neok. – (5) Als Gegenströmung zum Neok. entsteht ab dem ausgehenden 17. Jh. die textkritische Schule (Kao Zheng), die eine philologische Methodologie zur Verifizierung der klassischen Schriften entwickelt. – (6) In der zweiten Hälfte des 19. Jh. ist, unter dem Eindruck der europäischen Expansion, die Integration westlichen und konfuzianischen Denkens ein bestimmendes Moment der gesamten philosophischen Entwicklung in China. Daraus entwickelt sich im 20. Jh. der Neukonfuzianismus. In Ländern des von China beeinflussten Kulturraumes, wie Korea, Japan oder Vietnam entstanden ebenfalls konfuzianische Schulen.
Literatur:
- Wing-tsit Chan: A Source Book in Chinese Philosophy. Princeton 1963
- A. Forke: Geschichte der chinesischen Philosophie. Hamburg 21964
- D. Hall/R. Ames: Thinking through Confucius. Albany 1987
- J. Legge: The Chinese Classics. Hong Kong 1960
- R. Moritz: Die Philosophie im alten China. Berlin 1990.
MLE
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