Metzler Lexikon Philosophie: Physik
die empirische Wissenschaft, die sich mit dem gesetzmäßigen Verhalten (Naturgesetz) der materiellen Welt und vor allem dessen fundamentalen Aspekten beschäftigt. Die Ph. begann in der griechischen Antike als allgemeine Lehre von der Natur. Zur Naturphilosophie bestand keine eindeutige Trennung. Die neuzeitliche Ph., die sich zunehmend auf experimentelle Vorgehensweisen stützte und zu einem erheblichen Maße auf mathematischen Methoden aufbaute, fand mit I. Newton im späten 17. Jh. ihren ersten großen Höhepunkt. Der Hauptstützpfeiler der Ph. war zu dieser Zeit die Mechanik, auf die man im Rahmen eines umfassenden Mechanizismus alle Phänomene zu reduzieren versuchte. In den folgenden zwei Jh.en wurde die Ph. um Gebiete wie die Wärmelehre und die Lehre von Elektrizität und Magnetismus erweitert. Auf theoretischer Seite war eine immer stärkere Ausrichtung auf die Methoden der Infinitesimalrechnung und der Extremalprinzipien zu beobachten. Die fundamentalen Gesetze der Ph. wurden in Form von Differentialgleichungen formuliert; mögliche Verhaltensweisen physikalischer Systeme entsprachen den Lösungen dieser Gleichungen. Der Determinismus physikalischer Modelle war unumstritten. Eine wichtige Rolle spielte die zunehmende Vereinheitlichung der physikalischen Grundgesetze: So wie Newton erstmals irdische Mechanik und Himmelsmechanik einheitlich beschreiben konnte, vereinigte J. C. Maxwell zu Beginn der 2. Hälfte des 19. Jh. Elektrizität, Magnetismus und Optik. Unzulänglichkeiten und Ungereimtheiten innerhalb dieser »klassischen Ph.« führten zu Beginn des 20. Jh. zu entscheidenden Umbrüchen. Zwischen 1905 und 1916 formulierte A. Einstein zuerst die spezielle, dann die allgemeine Relativitätstheorie, die noch heute als adäquate Beschreibung des globalen Verhaltens der Raum-Zeit-Struktur angesehen wird. Um 1925 kristallisierte sich aufgrund von Schwierigkeiten bei der Beschreibung der materiellen Mikrostruktur die Quantenmechanik heraus. Als Erweiterung der Quantenmechanik sind die Quantenfeldtheorien und die Elementarteilchenphysik zu nennen, die Ansätze zur Vereinheitlichung in der Beschreibung der fundamentalen Wechselwirkungen bieten. Die elektromagnetische, die schwache und die starke Wechselwirkung lassen sich heute in einem einheitlichen Ansatz erfassen. Eine Vereinheitlichung mit der allgemeinen Relativitätstheorie, d.h. mit der gravitativen Wechselwirkung, zeigte bisher erhebliche Probleme. In neuester Zeit kam zum Spektrum der Ph. noch ein weiterer interessanter Zweig hinzu: die Ph. komplexer Systeme, die v.a. für den mesoskopischen Bereich Bedeutung besitzt. Zu ihr zählen z.B. die Chaostheorie und die Ph. der Selbstorganisation und Strukturbildung.
Literatur:
- J. T. Cushing: Philosophical Concepts of Physics. Cambridge 1988
- W. Kuhn: Ideengeschichte der Physik. Braunschweig/Wiesbaden 2001
- K. Simonyi: Kulturgeschichte der Physik. Thun/Frankfurt 1990.
RH
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