Metzler Lexikon Philosophie: Quantenmechanik
Die Q. wird heute als allgemeinste Theorie des Verhaltens materieller Objekte angesehen. Ihre Anfänge gehen auf Schwierigkeiten der klassischen Physik des 19. Jh. mit spezifischen Eigenschaften elektromagnetischer Strahlung und atomarer Systeme sowie der Wechselwirkung zwischen beiden (Atomspektren, Strahlungsverteilung des schwarzen Körpers, Stabilität der Elektronenbahnen, Photoeffekt, Compton-Effekt, etc.) zurück. Der mathematische Formalismus der Q. wurde, nach Vorarbeiten von M. Planck (Quantenhypothese), N. Bohr (Atommodell) und A. Sommerfeld, ab 1925 entwickelt. Er lag zuerst in zwei verschiedenen, aber äquivalenten Versionen vor, der Schrödinger’schen Wellenmechanik und der Heisenberg’schen Matrizenmechanik. In der Q. wurde erstmals deutlich, dass die z.T. erstaunlichen Eigenschaften der Mikrowelt nur unter Einschränkung der klassischen Kausalität und des klassischen Bahnkonzeptes erfasst werden können. Die Grenzen der klassischen raumzeitlichen Beschreibung finden ihren Niederschlag in der Heisenberg’schen Unschärferelation. Die klassischen Konzepte der Welle und des Teilchens werden im Rahmen der Q. durch den Welle-Teilchen-Dualismus erweitert. Sie sind in der Sprache Bohrs zueinander »komplementär«. Der Formalismus der Q. beschreibt die Zustände eines physikalischen Systems durch Vektoren im mathematischen »Hilbert-Raum«. Messbare Größen werden durch Differential-Operatoren repräsentiert. Der Zustandsvektor unterliegt zwei qualitativ verschiedenen, dynamischen Gesetzen: Zwischen den Messungen entwickelt er sich gemäß einer deterministischen Gesetzmäßigkeit, der »Schrödinger-Gleichung«. Die Messung selbst führt zu einer indeterministischen, spontanen Änderung, die als »Zustandsreduktion« bezeichnet wird. Umstritten ist bis heute die physikalische Bedeutung des Zustandsvektors und der Zustandsreduktion: Es stellt sich die Frage, ob der Zustandsvektor den Zustand eines individuellen Mikroobjektes oder den eines statistischen Ensembles von Mikroobjekten oder etwa gar nur unsere Kenntnis über ein Mikroobjekt oder ein Ensemble von Mikroobjekten beschreibt? So hervorragend der Formalismus der Q. mit den empirischen Ergebnissen übereinstimmt, so ungeklärt sind diese Interpretationsfragen der Q. noch heute. – Auf Schwierigkeiten mit der raumzeitlichen Einbettung mikrophysikalischer Prozesse, die über die Unschärferelation hinausgehen, und auf die Notwendigkeit eines neuen Realitätsverständnisses, deuten das aus dem Kontext des Interpretationsproblems der Q. heraus entwickelte, aber theorieunabhängige »Bellsche Theorem« und die in quantenmechanischen Systemen auftretenden, holistischen »EPR-Korrelationen« hin.
Literatur:
- J. Audretsch/K. Mainzer (Hg.): Wieviele Leben hat Schrödingers Katze? Mannheim 1990
- K. Baumann/R. Sexl (Hg.): Die Deutungen der Quantenmechanik. Braunschweig 31987
- M. Jammer: The Philosophy of Quantum Mechanics. New York 1974
- F. Selleri: Die Debatte um die Quantenmechanik. Braunschweig 1983.
RH
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