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Metzler Lexikon Philosophie: Sinn

(1) Fähigkeit durch Sinnesorgane Reize aufzunehmen, die durch entsprechende Empfindungen beantwortet werden. Wahrnehmung.

(2) Die Frage nach dem S. eines Geschehens zielt zumeist auf die Angabe eines Zweckes, des Worumwillen als Ziel einer Handlung. Dabei ist die Fragestellung und ihre »sinnvolle« Beantwortung abhängig von Voraussetzungen und einem jeweils umgreifenderen Sinnhorizont. So kann z.B. die Frage nach dem S. der Ausübung eines bestimmten Berufes je nachdem durch den materiellen Gewinn, der wiederum andere Handlungsspielräume eröffnet, oder durch eine innere Befriedigung, die für den einzelnen in dieser Tätigkeit liegt, beantwortet werden. In diesem Kontext gelten bestimmte Mittel als sinnvoll, wenn sie dem Erreichen des Zieles dienen. Dabei lässt jede Antwort wiederum eine erneute Sinnfrage zu, was schließlich in der übergreifenden Frage nach dem »S. des Lebens«, dem »S. des Ganzen« seinen Abschluss findet. Damit zielt sie auf die klassische Frage nach dem »höchsten Gut« im aristotelischen Verständnis, als dasjenige um dessentwillen alles andere und das selbst nur um seinetwillen erstrebt wird. Ein unterschiedliches Sinnverständnis ergibt sich daraus, ob ein objektiver (d.h. vom Menschen unabhängiger) S. angenommen wird, der durch die Natur oder Gott vorgegeben ist, oder ob der Mensch selbst den S. seines Seins setzt. Letzteres wird in der Existenzphilosophie besonders herausgestellt. Die Verneinung eines transzendenten S. ergibt sich für Sartre aus der atheistischen Haltung und der Ablehnung eines vorgängigen Wesensbegriffs des Menschen. Der Mensch ist nur das, was er in der Folge seiner Handlungen aus sich machen wird. Camus sieht die objektive Sinnfrage an der Kluft zwischen dem Menschen, der fragt, und der Welt, die vernunftwidrig schweigt, scheitern. Um seiner eigenen Identität willen, muss der Mensch aber an seinem Sinnstreben festhalten. Indem er auf einen jenseitigen S. verzichtet, macht er das Leben zu einer menschlichen Angelegenheit, die unter Menschen geregelt werden muss und der Solidarität und dem Gedanken des Maßes verpflichtet ist. – Im sozialethischen Kontext meint die »Sinnforderung«, dass die gesellschaftlichen Lebens- und Handlungsbedingungen des Menschen so beschaffen sein sollen, dass die Erfüllung seiner grundlegenden Bedürfnisse, sein Streben nach Glück und Entfaltung seiner Person verwirklichbar sind. Die Umsetzbarkeit des eigenen Lebensentwurfes im Rahmen der sozio-kulturellen Gegebenheiten stellt ein wesentliches Moment für ein als sinnvoll empfundenes Leben dar. Andererseits kann die Erfahrung des Scheiterns und der Sinnentleerung dazu Anlass geben, bisherige Ziele im Hinblick auf neue Wertsetzungen zu überdenken.

(3) Die Sinnfrage kann analog auch an die Natur herangetragen werden. Vorausgesetzt ist dann, dass man die Natur selbst oder einen Schöpfer als bewusst Zwecke setzendes Wesen annimmt. In der modernen Naturwissenschaft spielt eine solche teleologische Betrachtungsweise keine Rolle mehr, hier kann S. als Beschreibungsgröße fungieren, die die Funktion eines Teiles im Hinblick auf das vorausgesetzte Ganze bestimmt, so kann z.B. eine bestimmte Organausstattung sinnvoll für das Überleben einer Art im Hinblick auf eine bestimmte Umwelt sein. – Wiederum analog stellt sich die Frage nach dem S. der Geschichte. Im Unterschied zum reinen Naturgeschehen prägt hier der Mensch als handelndes Subjekt und bewusst Ziele setzend den Ablauf der Geschichte. Welchen S. man im Geschichtsverlauf sehen kann, hängt aber wiederum von Voraussetzungen ab: ob die Geschichte gesehen wird als ein organisches Geschehen auf die Entfaltung der Humanität hin (Herder), als das Zu-sich-selbst- Kommen des Geistes im Verlaufe dessen sich die List der Vernunft nur des Menschen bedient, um ihre höheren Zwecke zu verwirklichen (Hegel), als durch die gesellschaftlichen Antagonismen vorangetriebener dialektischer Prozess (Marx), oder gar als eine »Sinngebung des Sinnlosen« (Th. Lessing).

(4) Im hermeneutischen Zusammenhang meint S. die verstehbare Bedeutung eines Textes, Kunstwerkes, einer Mitteilung oder Handlung, allgemein eines Kulturphänomens. Dabei ist die Rekonstruktion des S.es davon abhängig, dass der Interpret die verwendeten Bedeutungsträger (Zeichen, Symbole) kennt und den Kontext, in dem sie stehen. Das Sinnverständnis ist erreicht, wenn der Empfänger die Gegenstände, Erlebnisqualitäten, Handlungen mit der Aussage verbindet, die der Mitteilende intendiert hat. Die Interpretation komplexer Sinngebilde ist allerdings nie rein rekonstruktiv, sondern selbst sinnstiftend, da es sich dabei immer um die Übersetzung von einem Kontext in einen anderen handelt. Die Übertragung von einer Sprache in eine andere, von einem historischen Kontext, einer Kultur, einer subjektiven Lebenssituation in eine andere schafft jeweils neuen S., da dieser immer nur aufgrund bestimmter Voraussetzungen und innerhalb eines Kontextes konstituierbar ist. Hermeneutik, Verstehen.

(5) In spezifischer Weise hat Frege Bedeutung und S. unterschieden. Die Bedeutung eines Zeichens ist der bezeichnete Gegenstand, der S. dagegen die Weise, wie dieser gegeben ist. Freges bekanntes Beispiel: »Morgenstern« und »Abendstern« haben die gleiche Bedeutung (der Planet Venus), aber nicht den gleichen S. Die beiden Begriffe werden allerdings in der Sprachphilosophie nicht einheitlich verwendet. – S. im Rahmen der analytischen Philosophie Bedeutung, Intension/Extension, Sinnkriterium.

Literatur:

  • G. Frege: Über Sinn und Bedeutung. In: Funktion, Begriff, Bedeutung. Göttingen 1980
  • R. Lauth: Die Frage nach dem Sinn des Daseins. München 1953
  • Th. Lessing: Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen. München 1919, Neuausgabe München 1983
  • M. Schramm: Natur ohne Sinn? Das Ende des teleologischen Weltbildes. Graz u. a. 1985
  • K. Spinner (Hg.): Zeichen, Text, Sinn. Göttingen 1977
  • R. Wisser (Hg.): Sinn und Sein. Tübingen 1960.
  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
BES Bettina Schmitz, Würzburg
BG Bernward Gesang, Kusterdingen
BI Bernhard Irrgang, Dresden
BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
BS Berthold Suchan, Gießen
BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
CJ Christoph Jäger, Leipzig
CK Christian Kanzian, Innsbruck
CL Cornelia Liesenfeld, Augsburg
CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
CM Claudius Müller, Nehren
CO Clemens Ottmers, Tübingen
CP Cristina de la Puente, Stuttgart
CS Christian Schröer, Augsburg
CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
CT Christian Tewes, Jena
CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
DGR Dorit Grugel, Münster
DH Detlef Horster, Hannover
DHB Daniela Hoff-Bergmann, Bremen
DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
DKÖ Dietmar Köhler, Witten
DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
EWL Elisabeth Weisser-Lohmann, Bochum
FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
GOS Gottfried Schwitzgebel, Mainz
GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
HDH Han-Ding Hong, Düsseldorf
HG Helmut Glück, Bamberg
HGR Horst Gronke, Berlin
HL Hilge Landweer, Berlin
HND Herta Nagl-Docekal, Wien
HPS Helke Pankin-Schappert, Mainz
HS Herbert Schnädelbach, Berlin
IR Ines Riemer, Hamburg
JA Johann S. Ach, Münster
JC Jürgen Court, Köln
JH Jörg Hardy, Münster
JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
JK Jörg Klawitter, Würzburg
JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
JS Joachim Söder, Bonn
JSC Jörg Schmidt, München
JV Jürgen Villers, Aachen
KDZ Klaus-Dieter Zacher, Berlin
KE Klaus Eck, Würzburg
KG Kerstin Gevatter, Bochum
KH Kai-Uwe Hellmann, Berlin
KHG Karl-Heinz Gerschmann, Münster
KHL Karl-Heinz Lembeck, Würzburg
KJG Klaus-Jürgen Grün, Frankfurt a.M.
KK Klaus Kahnert, Bochum
KRL Karl-Reinhard Lohmann, Witten
KS Kathrin Schulz, Würzburg
KSH Klaus Sachs-Hombach, Magdeburg
LG Lutz Geldsetzer, Düsseldorf
LR Leonhard Richter, Würzburg
MA Mauro Antonelli, Graz
MB Martin Beisler, Gerbrunn
MBI Marcus Birke, Münster
MBO Marco Bonato, Tübingen
MD Max Deeg, Cardiff
MDB Matthias Bloch, Bochum
ME Michael Esfeld, Münster
MFM Martin F. Meyer, Koblenz/Landau
MK Matthias Kunz, München
MKL Martin Kleinsorge, Aachen
MKO Mathias Koßler, Mainz
ML Mark Lekarew, Berlin
MLE Michael Leibold, Würzburg
MM Matthias Maring, Karlsruhe
MN Marcel Niquet, Frankfurt a.M.
MQ Michael Quante, Köln
MR Mathias Richter, Berlin
MRM Marie-Luise Raters-Mohr, Potsdam
MS Manfred Stöckler, Bremen
MSI Mark Siebel, Hamburg
MSP Michael Spang, Ellwangen
MSU Martin Suhr, Hamburg
MW Markus Willaschek, Münster
MWÖ Matthias Wörther, München
NM Norbert Meuter, Berlin
OB Oliver Baum, Bochum
OFS Orrin F. Summerell, Bochum
PE Peter Eisenhardt, Frankfurt a.M.
PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
RE Rolf Elberfeld, Hildesheim
REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
RL Rudolf Lüthe, Koblenz
RLA Rolf-Jürgen Lachmann, Berlin
RM Reinhard Mehring, Berlin
RP Roland Popp, Bremen
RS Regina Srowig, Würzburg
RTH Robert Theis, Strassen
RW Raymund Weyers, Köln
SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
SP Stephan Pohl, Dresden
SZ Snjezana Zoric, Würzburg
TB Thomas Bausch, Berlin
TBL Thomas Blume, Dresden
TF Thomas Friedrich, Mannheim
TG Thomas Grundmann, Köln
TH Thomas Hammer, Frankfurt a.M.
TK Thomas Kisser, München
TM Thomas Mormann, Unterhaching
TN Thomas Noetzel, Marburg
TP Tony Pacyna, Jena
TW Thomas Welt, Bochum
UB Ulrich Baltzer, München
UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
VM Verena Mayer, München
VP Veit Pittioni, Innsbruck
VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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