Lexikon der Psychologie: Gruppenarbeit
Gruppenarbeit, Arbeitsgruppe in einem Unternehmen, ist durch verschiedene Faktoren bedingt: gestiegene Flexibilitätserfordernisse industrieller Produktion, positive Produktivitätseffekte, erhöhte Ansprüche an Arbeitsqualität aufgrund der veränderten Einstellung der Mitarbeiter zu ihrer Arbeit, Einsatz neuer Technologien und Konfrontation mit der neuen Industriemacht Japan seit Ende der 70er Jahre (Spieß & Winterstein, 1999). Der Arbeit in Gruppen kommt in der Arbeits- und Organisationspsychologie ein besonderer Stellenwert zu, da sie ein "ganzheitliches Arbeitserlebnis" vermitteln kann und durch die Zusammenfassung interdependenter Teilaufgaben ein größeres Ausmaß von Selbstregulation und sozialer Unterstützung ermöglicht.
Das Team gilt als eine Sonderform der Gruppe, in der die Aufgabenorientierung überwiegt. Wie in der Arbeitsgruppe gibt es eine gemeinsame Zielsetzung, mit der sich jedes Teammitglied identifizieren kann. Darüber hinaus gibt es intensive wechselseitige Beziehungen, einen ausgeprägten Gemeinschaftsgeist (Teamgeist) und eine relativ starke Gruppenkohäsion. Die wichtigsten Formen der Gruppenarbeit sind Qualitätszirkel, Projektgruppen, Teilautonome Arbeitsgruppen und Fertigungsinseln.
1) Qualitätszirkel sind sporadisch zusammenkommende Arbeitsgruppen, die die Qualität der Produkte verbessern sollen. Hierbei ist das Japan-Modell der Qualitätssicherung Vorbild gewesen. Qualitätszirkel setzen sich in der Regel aus 6 bis 10 Mitarbeitern zusammen – wobei die Mitgliedschaft freiwillig ist – und treffen sich regelmäßig für ein bis zwei Stunden ein bis zweimal pro Monat, auf Initiative der Gruppe auch außerhalb der Arbeitszeit. Die Leitung obliegt einem Moderator, der den Problemlöseprozeß vorantreibt und die Verbindung zum Koordinator, dem Bindeglied zwischen den einzelnen Qualitätszirkeln eines Betriebes aufrechterhält. Ein Steuerungskomitee initiiert, unterstützt und fördert das gesamte Qualitätszirkelsystem. Betriebliche Probleme werden nicht nur von Führungskräften und Experten verschiedenster Fachabteilungen gelöst, sondern auch von Mitarbeitern der ausführenden Ebene. Da sie den Arbeitsplatz und den Arbeitsablauf am besten kennen, sind sie selbst Experten für ihre Arbeit. Dies bedeutet, daß ihre berufliche Erfahrung für die Unternehmen nutzbar gemacht wird. Qualitätszirkel haben in der Regel nur ein Vorschlagsrecht, die Entscheidung über die Ausführung eines Vorschlags liegt beim Management. Die Einführung und Koordination der einzelnen Qualitätszirkel, ihre Betreuung in der Organisation und die Ausbildung und Beratung der Moderatoren sind Aufgaben der Koordinatoren, die häufig dem mittleren Management entstammen. Die häufigsten Probleme bei der Einführung und Durchführung der Qualitätszirkel sind die mangelnde Unterstützung durch das mittlere Management, fehlende Zeit für die Qualitätszirkelarbeit und eine zu lange Verzögerung bei der Rückmeldung von Verbesserungsvorschlägen und ihrer Umsetzung. Qualitätszirkel sollten in umfassendere Konzepte der Organisationsentwicklung eingebunden werden (Bungard & Antoni, 1993).
2) Bei Projektgruppen handelt es sich um Vorhaben, die im wesentlichen durch Einmaligkeit der Rahmenbedingungen, Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle oder andere Beschränkungen, Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben und durch eine projektspezifische Organisation gekennzeichnet sind. Die Teilnahme ist nicht freiwillig, sondern resultiert aus einem Arbeitsauftrag. Aus einer Umfrage bei den 100 umsatzgrößten deutschen Industrieunternehmen zeigte sich, daß Projektgruppen über weniger Entscheidungsspielraum bei der Ausgestaltung ihrer Arbeit verfügten als Qualitätszirkel oder teilautonome Arbeitsgruppen (Bungard & Antoni, 1993; S. 391). Das Projektmanagement steht oftmals vor der schwierigen Aufgabe, Leistungsvorteile von Gruppen mit den Notwendigkeiten der Hierarchie zu verbinden.
3) Teilautonome Arbeitsgruppen sind kleine funktionale Einheiten der regulären Organisationsstruktur, die konstant zusammenarbeiten und denen die Erstellung eines kompletten Teilproduktes oder einer Dienstleistung mehr oder weniger eigenverantwortlich übertragen wird. Das Konzept geht zurück auf den soziotechnischen Systemansatz, der in den 50er Jahren am Londoner Tavistock Institute of Human Relations entwickelt wurde und vor allem in Skandinavien eine weite Verbreitung fand. Das Konzept vereinigt Gedanken der Arbeitserweiterung (job enlargement), der Arbeitsbereicherung (job enrichment) und des Arbeitswechsels (job rotation (Ulich, 1994; Bungard & Antoni, 1993). Die Einführung von teilautonomen Arbeitsgruppen erfordert zumindest eine partielle Abkehr von tayloristischen Arbeits- und Organisationsstrukturen. Die Funktionsvorteile teilautonomer Gruppen liegen in der Steigerung von Produktivität durch Selbstregulation und in der Flexibilität durch Gruppenarbeit. Leistungswirksame Motivationseffekte sind eine Folge der neuen Form der Arbeitsorganisation, da sich die Mitarbeiter stärker beteiligen. Koordination durch Selbstabstimmung in teilautonomen Arbeitsgruppen entlastet den klassischen Linienvorgesetzten von Anweisungs- und Kontrollaufgaben und den Stab von Informations- und Planungsaufgaben. Alle zur Aufgabenerfüllung notwendigen Ressourcen werden der Arbeitsgruppe zur eigenen Verwaltung übertragen. Dadurch ergibt sich eine Senkung der Personalkosten als Folge einer geringeren Abwesenheits- und Fluktuationsrate sowie durch die Einsparung von Stabs- und Vorgesetztenstellen. Hier liegen aber auch Probleme der Gruppenarbeit, denn durch die Delegation von Kontrollfunktionen der Hierarchie in die Gruppen können neue Machtpositionen entstehen. Ebenso kann eine Ausgrenzung von schwächeren Gruppenmitgliedern stattfinden.
4) In Fertigungsinseln werden die für die komplette Bearbeitung eines Produktes nötigen Maschinen und Mitarbeiter zusammengeführt. Dadurch wird eine technische Teilautonomie der einzelnen Produktionsbereiche angestrebt. Beim Fertigungsteamkonzept bleibt die "taktgebundene Fließfertigung" bestehen, jedoch wird das Fließband in Arbeitsteams mit ca. 10 Mitarbeitern pro Team eingeteilt. Von diesen Teammitarbeitern wird erwartet, daß sie mindestens drei Arbeitsschritte des vom Team zu leistenden Arbeitspensums beherrschen. Darüber hinaus sollen sie auch mehr Verantwortung für die Qualität ihrer Arbeit übernehmen. Fertigungsteams werden durch einen vom Meister ernannten Teamleiter betreut. Während Fertigungsteams ein streng hierarchisches, an Leistungsmaximierung orientiertes Modell darstellen, verfolgen teilautonome Arbeitsgruppen neben ökonomischen auch soziale Ziele.
E.S.
Literatur
Antoni, C. H. (1994). (Hrsg.), Gruppenarbeit in Unternehmen. Weinheim: Beltz.
Bungard, W. & Antoni, C. H. (1993). Gruppenorientierte Interventionstechniken. In H. Schuler (Hrsg.), Lehrbuch Organisationspsychologie. (S.377-404). Göttingen: Huber.
Spieß, E. & Winterstein H. (1999). Verhalten in Organisationen. Stuttgart: Kohlhammer.
Ulich, E. (1994). Arbeitspsychologie (3. Auflage). Stuttgart: Poeschel.
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