Archäobotanik: Von wegen Paläodiät
An klaren Tagen reicht die Sicht von den Ruinen des Göbekli Tepe bis hin zur 50 Kilometer entfernten syrischen Grenze. Die archäologische Stätte im Süden der Türkei, die auf dem höchsten Punkt einer Bergkette liegt, wird oft als der »älteste Tempel der Welt« bezeichnet. 11 600 Jahre reichen die T-förmigen Säulen und kreisförmigen Einfriedungen zurück. Sie sind damit älter als die frühesten Tongefäße im Vorderen Orient.
Die Erbauer der Monumente lebten zu einer Zeit, als ein bedeutender Moment in der Menschheitsgeschichte nahte: die neolithische Revolution. Damals begannen Menschen, allmählich Ackerbau zu betreiben sowie Nutzpflanzen und Tiere zu züchten. Doch nicht so auf dem Göbekli Tepe. An dem Fundplatz fand man bisher keine Spuren von domestiziertem Getreide. Offenbar waren die »Tempelbesucher« noch nicht zum Feldbau übergegangen. Vielmehr lebten sie von der Jagd, wie zahlreiche Tierknochen belegen. Auf dem Göbekli Tepe kamen vermutlich Gruppen von Jägern und Sammlern aus der weiteren Umgebung zusammen und begingen üppige Feste – mit reichlich gebratenem Fleisch. Und vielleicht gaben derartige Gelage erst den Anlass, die beeindruckende Architektur zu errichten.
In der Archäologie hat diese These seit Langem Bestand. Aber vor einigen Jahren begann sich die Beweislage zu ändern – dank Forscherinnen und Forschern wie Laura Dietrich vom Deutschen Archäologischen Institut in Berlin. Über die letzten vier Jahre hinweg hat sie herausgefunden, dass sich die Erbauer vom Göbekli Tepe bottichweise von Brei und Eintopf ernährten und das Getreide dafür in fast industriellem Maßstab gemahlen und verarbeitet haben. Demnach standen reichlich Körner schon viel früher auf dem Speiseplan als bislang vermutet – zu einer Zeit, als noch kein Mensch Getreide anbaute …
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