Organoide: Bewusstsein in der Petrischale
Hunderte Miniaturgehirne, jedes von ihnen gerade mal so groß wie ein Sesamkorn, schwimmen in Petrischalen in Alysson Muotris Labor. In vielen Forschungseinrichtungen, die Eigenschaften des Gehirns untersuchen, sind solche »Hirnorganoide« zu einer vertrauten Erscheinung geworden. Muotri, ein Neurowissenschaftler an der University of California, San Diego (UCSD), testet sie manchmal auf ungewöhnliche Weise: Er hat sie bereits mit Laufrobotern verbunden, Neandertaler-Gene in ihre DNA eingeschleust, sie in den Orbit geschossen und als Modell für die Entwicklung künstlicher Intelligenzsysteme verwendet.
Eines seiner Experimente erregte aber noch mehr Aufmerksamkeit als die anderen. 2019 veröffentlichte Muotris Team eine Studie an Hirnorganoiden aus menschlichen Stammzellen. Die Forscher hatten die Strukturen zehn Monate lang wachsen lassen und ihre elektrische Aktivität beobachtet. Nach einiger Zeit begannen die Zellklumpen, Hirnwellen zu produzieren, die jenen im Gehirn von Frühgeborenen ähnelten. Die Muster blieben monatelang bestehen, bevor das Team das Experiment abbrach.
Eine derartige koordinierte neuronale Aktivität gilt als ein Merkmal bewussten Erlebens. Die Beobachtung wirft deshalb eine Vielzahl moralischer und philosophischer Fragen auf. Ist es ethisch vertretbar, Organoide ein solch fortgeschrittenes Entwicklungsstadium erreichen zu lassen? Haben empfindungsfähige Zellklumpen Anspruch auf eine Sonderbehandlung und zusätzliche Rechte? Und ist es überhaupt möglich, Bewusstsein von Grund auf neu zu schaffen?…
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