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Intelligenz: Genetisches Gehirntuning

Forscher haben bereits mehr als 30 Stämme von Mäusen gezüchtet, die mit ver­besserten kognitiven Fähigkeiten aufwarten. Von solchen Nagern erhoffen sie sich wichtige Erkenntnisse darüber, wie sich auch das menschliche Gehirn auf Trab bringen lässt. Doch möglicherweise hätte derlei IQ-Tuning einen hohen Preis.
Heikle Balance
Vor zehn Jahren setzte Joe Tsien eine braune Maus in ein Becken mit trübem Wasser. Kaum losgelassen, schwamm sie in einem großen Bogen, wobei sie sich an den farbigen Formen orientierte, die über dem Wasser aufgehängt waren. Nach nur wenigen Sekunden rettete sie sich auf eine kleine Plattform, die dicht unter der Wasseroberfläche verborgen lag. Die meisten Mäuse benötigen mindestens sechs Versuchsdurchgänge, bevor sie sich an die Po­sition der Plattform in einem Morris-Wasser­labyrinth erinnern können. Diese Maus brauch­te lediglich drei.
Tsien, der damals an der Princeton Univer­sity im US-Bundesstaat New Jersey forschte, nannte seine Schöpfung Doogie, nach einem genialen Teenager in der amerikanischen Fernsehserie "Doogie Howser, M.D.". Seine Arbeit ist eines der ersten Beispiele für Versuche von Wissenschaftlern, mit Hilfe gentechnischer Verfahren superschlaue Tiere zu züchten, die die neuronalen Grundlagen des Lernens besser zu verstehen helfen.
Forscher haben mittlerweile 33 Mäusestämme gezüchtet oder identifiziert, die wie Doogie über gesteigerte kognitive Fähigkeiten verfügen. Diese Tiere lernen im Allgemeinen schneller, erinnern sich länger und finden sich in ­Labyrinthen besser zurecht als gewöhnliche ­Mäuse. Die molekularen Vorgänge im Gehirn, die mit dem Langzeitgedächtnis zusammenhängen, sind bei Mensch und Nagetier nahezu identisch. Daher können diese Untersuchungen möglicherweise die Suche nach Therapieansätzen für viele verschiedene Lern- und Gedächtnisstörungen beflügeln: von Legasthenie bis zur Demenz.
Ein Großteil der Forschungen zielt darauf ab, das ausgereifte Gehirn anpassungsfähiger zu machen – es quasi in eine jüngere, flexiblere Version seiner selbst zu verwandeln. Dadurch ließen sich vielleicht bestimmte kognitive Probleme beheben, die man bisher für entwicklungsbedingt unwiderruflich hielt. Darüber hinaus könnte es aber theoretisch auch möglich werden, normal funktionierende menschliche Gehirne zu verbessern ...

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Gehirn&Geist – Licht - Wie es unser Denken beflügelt

Wenn die dunkle Jahreszeit beginnt, machen wir es uns gern mit Lichterketten und Kerzen gemütlich. Dabei hellt Licht nicht nur die Stimmung auf: Dank seines Einflusses auf die Hirnfunktion kann das Denken profitieren. Daneben berichten wir, wie Einzelkinder wirklich sind, oder wie Blase und Gehirn beim Urinieren zusammenarbeiten und was es mit dem Harndrang auf sich hat. Unser Artikel über Sigmund Freund widmet sich der unrühmlichen Geschichte der Psychologie und Psychotherapie unterm Hakenkreuz. Im Interview gibt die Psychologin Gilda Giebel Einblicke in den Alltag in der Sicherungsverwahrung. Sie behandelte dort als systemische Therapeutin die brutalsten Männer Deutschlands.

Spektrum - Die Woche – Putzig, aber unerwünscht

Waschbären haben sich in Europa rasant verbreitet – die einen finden sie niedlich, andere sind nur noch genervt, weil die Tiere den Müll plündern oder in den Dachboden einziehen. Dazu kommen Risiken für Gesundheit und Natur. Wie stark schaden sie der heimischen Tierwelt und uns Menschen?

Gehirn&Geist – Aus Fehlern lernen

Missgeschicke gehören zum Leben dazu. Unser Gehirn bemerkt sie oft blitzschnell. Wie registriert unser Gehirn, wenn wir uns irren, wie reagiert es darauf und warum lernt das Gehirn nicht immer aus den Fehlern? Daneben berichten wir, aus welchen Gründen manche Kinder den Kontakt zu ihren Eltern abbrechen und wie eine Annäherung vielleicht gelingen kann. Therapien von Morbus Alzheimer konzentrierten sich auf die Bekämpfung der Amyloid-Plaques. Doch man sollte dringend die Ablagerungen des Tau-Proteins stärker in den Blick nehmen. Die Folgen des hybriden Arbeitens rücken zunehmend in den Fokus der Forschung. Es führt zu einer höheren Zufriedenheit bei den Angestellten. Allerdings gibt es auch Nachteile. Bremst das Homeoffice die Kreativität? Daneben gehen wir der Frage nach, ob Tiere empathisch sind.

  • Quellen
Originalquelle

Lehrer, J.:Small, Furry ... and Smart. In: Nature 461(7266), S. 862-864, 2009.


Weitere Quellen

Alarcón, J. M. et al.:Chromatin Acetylation, Memory, and LTP Are Impaired in CBP+/- Mice. In: Neuron 42, S. 947-959, 2004.

Bourtchouladze, R. et al.:A Mouse Model of Rubinstein-Taybi Syndrome: Defective Long-Term Memory is Ameliorated by Inhibitors of Phosphodiesterase 4. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 100, S. 10518-10522, 2003.

Ehninger, D. et al.:Reversing Neurodevelopmental Disorders in Adults. In: Neuron 60, S. 950-960, 2008.

Hawasli, A. H. et al.:Cyclin-Dependent Kinase 5 Governs Learning and Synaptic Plasticity via Control of NMDAR Degradation. In: Nature Neuroscience 10, S. 880-886, 2007.

Korzus, E. et al.:CBP Histone Acetyltransferase Activity Is a Critical Component of Memory Consolidation. In: Neuron 42, S. 961-972, 2004.

Kushner, S. A. et al.:Modulation of Presynaptic Plasticity and Learning by the H-ras/Extracellular Signal-Regulated Kinase/Synapsin I Signaling Pathway. In: Journal of Neuroscience 25, S. 9721-9734, 2005.

Maher, B.:Poll Results: Look Who's Doping. In: Nature 452, S. 674-675, 2008.

Malleret, G. et al.:Inducible and Reversible Enhancement of Learning, Memory, and Long-Term Potentiation by Genetic Inhibition of Calcineurin. In: Cell 104, S. 675-686, 2001.

McClelland, J. L. In: Schacter, D. L. (Hrsg.): Memory Distortion: How Minds, Brains, and Societies Reconstruct the Past, S. 69-90, Harvard University Press 1995.

Tang, Y.-P. et al.:Genetic Enhancement of Learning and Memory in Mice. In: Nature 401, S. 63-69, 1999.

Yin, J. C. P. et al.:CREB as a Memory Modulator: Induced Expression of a dCREB2 Activator Isoform Enhances Long-Term Memory in Drosophila. In: Cell 81, S. 107-115, 1995.

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