Moral und Ernährung: »Wer nur nett ist, bewegt nichts«
Frau Dr. Schmitz, laut einer »ProVeg«-Umfrage von 2021 lehnen bis zu 70 Prozent der Menschen in Deutschland Massentierhaltung ab, doch nur etwa zwei Prozent leben tatsächlich vegan. Wie kommt dieser Kontrast zu Stande?
Wir sind alle in einer Esskultur groß geworden, in der Fleisch als besonders wertvoll, lecker und kraftspendend galt. Das hat lange Zeit die Kochtradition und unser Geschmacksempfinden geprägt. Zugleich wollen aber die allermeisten Menschen nicht, dass Tiere unnötig leiden und sterben. Um trotzdem weiter Produkte von Tieren essen zu können, muss man das damit verbundene Leid verdrängen. Oder man legt sich Gründe zurecht, warum es doch in Ordnung sein soll. Am Ende sind das allerdings Scheinargumente, man macht sich damit selbst etwas vor. Der Zweck ist das, was Psychologen als Dissonanzreduktion bezeichnen.
Hat es nicht vor allem mit Bequemlichkeit zu tun?
Sicher, eigene Gewohnheiten und gesellschaftliche Normen haben einen großen Einfluss. Fleisch, Wurst, Milchprodukte und Eier zu essen ist einfach, günstig und meist der Weg des geringsten Aufwands. Aber genau das muss sich ändern. Denn wer die Realität wirklich mal an sich heranlässt, sieht sofort, dass es so nicht weitergehen kann. Den meisten Menschen ist auch klar, dass Fleischkonsum dem Klima schadet und dass Millionen Rinder, Schweine und Hühner unter grausamen Bedingungen gehalten und »verwertet« werden. Deshalb kommt ja so ein Arsenal an Abwehrmechanismen zum Einsatz: ignorieren, verdrängen, Fleischessen für lebensnotwendig oder »natürlich« erklären, die Tragweite des Problems herunterspielen oder sich mit Ausreden wie einem Bioetikett beruhigen…
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