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Alkoholkonsum: Wo man sich wie betrinkt

Lieber ein Glas Wein zum Mittagessen oder ein paar Schnäpse am Abend? Die Antwort hängt unter anderem von den landestypischen Gepflogenheiten ab. Eine Typologie der europäischen Trinkvorlieben.
Ein paar Leute stoßen mit Biergläsern an, im Hintergrund ein Holztisch
Deutschland, einig Hopfenland

Deutsche mögen Bier, Franzosen bevorzugen Wein: Diese Klischees haben einen wahren Kern. In Europa gibt es verschiedene Trinkkulturen, berichtet ein Forschungsteam um den Psychologen Jürgen Rehm vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf in der Fachzeitschrift »Addiction«. Die Gruppe hatte Konsumkennzahlen von 30 Ländern mit Umfragedaten der Weltgesundheitsorganisation aus den Jahren 2000, 2010, 2015 und 2019 verbunden. Die gesammelten Daten wertete sie mit einer Cluster-Analyse aus, um Länder mit ähnlichen Trinkvorlieben und -gewohnheiten zu identifizieren.

So entstanden sechs Gruppen (»Cluster«). Deutschland zählt mit Österreich, Belgien, den Niederlanden und Dänemark sowie Spanien und Norwegen zu den Ländern, in denen viel Bier und wenig Hochprozentiges getrunken wird. Zwar dominiert auch im Cluster mit Polen und anderen osteuropäischen Ländern der Bierkonsum, doch dort neigt man obendrein den harten Spirituosen und dem Rauschtrinken zu. In einem weiteren Cluster wird sogar mehr Hochprozentiges als Bier oder Wein konsumiert: im Baltikum, wo überdies der Pro-Kopf-Konsum am höchsten ist. Am wenigsten Alkohol trinken Länder mit hoher Abstinenzrate – Bulgarien und die Ukraine – sowie die typischen Wein-Nationen: Frankreich, Italien, Portugal, Griechenland und Schweden.

Das Konsumverhalten war über den beobachteten Zeitraum mehrheitlich stabil. Zwei von drei Ländern blieben über 20 Jahre hinweg im gleichen Cluster. »Die verschiedenen Trinkmuster in Europa scheinen tief in der Kultur verankert zu sein und deshalb schwer zu verändern«, sagt der Suchtforscher Jürgen Rehm. Für die größte Veränderung dürfte die Politik verantwortlich gewesen sein, wie die Forschenden vermuten: Ein Cluster mit geringem Alkoholkonsum, das im Jahr 2000 noch existierte, verschwand bis 2010 und tauchte nicht mehr auf. Die meisten der betreffenden Länder – Norwegen, Schweden, Island und Polen – hatten in der Zwischenzeit ihre zuvor strenge Alkoholpolitik gelockert.

Der Gesundheit zuliebe sollte die Entwicklung allerdings eher in die andere Richtung gehen. Entscheidend für alkoholbedingte Langzeitschäden sei die Gesamtmenge an Alkohol, erklären die Forschenden. Die meisten verlorenen Lebensjahre gab es in Ländern, die zum Rauschtrinken und zum Spirituosenkonsum neigten. Die Wein-Nationen dagegen verzeichneten am wenigsten gesundheitliche Schäden. Das dürfte jedoch weniger dem Wein zu verdanken sein als dem mediterranen Lebensstil, in Verbindung mit einem vergleichsweise geringen Alkoholkonsum.

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