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News: Angeknabberter Zellkern

Um bei guter Gesundheit zu bleiben, räumen einzellige Organismen regelmäßig fehlerhafte und überflüssige Bestandteile beiseite, indem sie diese einfach verdauen. Der Zellkern galt bislang als unantastbar. Doch die Ordnungsliebe der Bäckerhefe macht auch vor ihm nicht Halt.
Backhefe
Was machen eigentlich einzellige Organismen mit ihrem Zellmüll, der sich im Laufe der Zeit ansammelt? Da sie ihn nicht einfach auf die Straße stellen können, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ihn selbst zu entsorgen. Hierzu bedienen sie sich einer simplen aber eleganten Methode: Sie verdauen ihn selbst.

Fehlerhafte Strukturen und überflüssige Makromoleküle wandern hierbei in spezielle Verdauungsräume, die so genannten Lysosomen. In den kleinen Bläschen herrschen wahrhaft unfreundliche Bedingungen. Der pH-Wert ist aufgrund der vielen Säuren niedrig, und abbauende Enzyme warten nur darauf, mit ihrer Verdauungsarbeit zu beginnen. So könnte man die eigens für die Verdauung eingerichteten Kompartimente eines Einzellers mit unserem menschlichen Magen vergleichen.

Diesen Selbstverdau haben Forscher Autophagie getauft – der Begriff ist dem Griechischen entlehnt, wo er "selbst essen" bedeutet. Doch dachten sie bislang, das Wiederverwerten eigener Zellbestandteile schließe den Zellkern aus. Schließlich lagern hier alle essenziellen Informationen, die noch an die nachfolgenden Generationen unbeschadet weitergegeben werden sollen.

Aber dies scheint ein Irrglaube gewesen zu sein. David Goldfarb und seine Mitarbeiter von der University of Rochester überraschten die Hefe Saccharomyces cerevisiae dabei, wie sie ihren eigenen Zellkern anknabberte.

Immer wenn der Einzeller einige Makromoleküle seines Zellkerns recyclen will, sendet er ein Bläschen – eine Vakuole – auf den Weg dorthin. Ist sie am Ziel angelangt, stiehlt sie sich eine tropfenförmige Portion aus dem Zellkern und verdaut ihn. Dieser ungewöhnliche Vorgang, von den Forschern piecemeal microautophagy of the nucleus (PMN) genannt, kommt nur an speziellen Verbindungsstellen zwischen Vakuole und Kernmembran vor, die im Jahre 2000 zum ersten Mal von Wissenschaftlern der University of Rochester beschrieben wurden.

Während die Hefezelle sich Stück für Stück aus ihrem eigenen Zellkern klaut, entfernt sie dabei unwichtige Bereiche und lässt nur die wirklich wichtigen Komponenten wie die Chromosomen übrig. Welchen Nutzen die Zelle aus diesem merkwürdigen Verhalten hat, kann bislang kein Forscher beantworten. Spekulieren ist also erlaubt.

"Es ist möglich, dass durch PMN nicht nur beschädigte oder überflüssige Bestandteile des Zellkern recycelt werden", überlegt Goldfarb. "Es könnte sein, dass PMN die Lebensspanne von Hefezellen verlängert, die – genauso wie humane Zellen – altern und letztendlich sterben." Ob es sich hierbei also um eine alte Form der Entschlackung handelt?

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