News: Angespornte Axone
Erst kürzlich wiesen Solon Thanos und seine Kollegen von der Universität Münster nach, dass Zellen des Gehirns und des Rückenmarks generell in der Lage sind sich zu regenerieren. Ihnen gelang es durch eine mikrochirurgische Nervenzelltransplantation, einen durchtrennten Sehnerv bei Affen und Ratten zum Wachstum zu veranlassen. Die Fasern der Nervenzellen verlängerten sich und wuchsen in das transplantierte Ischiassegment hinein – allerdings nur über kurze Distanzen.
Nun aber konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass sich Axone auch über lange Distanzen hinweg regenerieren können. Dies gelang den Forschern, indem sie zwei unkomplizierte chirurgische Eingriffe miteinander kombinierten. Zunächst durchtrennten die Wissenschaftler den Sehnerv ausgewachsener Ratten direkt hinter dem Auge. Darüber hinaus verletzten sie die Nervenendigungen mit einer Zange so, dass eine Narbenbildung in Gang gesetzt wird. Narben stellen normalerweise das eigentliche Wachstumshindernis von Axonen dar. Nun banden die Forscher die beiden Nervenendigungen so zusammen, dass keine Lücke zwischen den beiden Nervenendigungen vorhanden war und verletzten gleichzeitig die Augenlinse. Damit lösten sie eine sekundäre zelluläre Kaskade aus, die bekannterweise das Überleben von retinalen Ganglienzellen und die axonale Regeneration unterstützt.
Die Forscher beobachteten, dass kurz nach der Verletzung der Nervenzellen ein Wachstumskegel an der Verbindungsstelle der Wundnähte entstand, bevor die Gliazellen – also die nichtneuronalen Zellen des Nervensystems – und extrazelluläre Matrixproteine in der Lage waren eine Narbe zu bilden. Von diesem Kegel aus wuchs tatsächlich ein neues Axon bis zur Gehirnrinde und stellte eine funktionstüchtige Leitung zwischen dem Auge und dem Gehirn her. Insgesamt konnten etwa 30 Prozent der retinalen Ganglienzellen Axone über eine Strecke von etwa 25 Millimetern entlang des gesamten visuellen Pfades ausbilden.
Diese vielversprechende Technik wollen die Wissenschaftler nicht nur auf andere Nervengewebe übertragen – vielmehr wollen sie die Mechanismen, die an den Reparaturvorgängen beteiligt sind, genau erforschen und diese Erkenntnis eventuell in neuen Behandlungsmethoden verwerten.
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