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Lexikon der Neurowissenschaft: Gliazellen

Gliazellen [von griech. glia = Leim], Gliocyten, Gliozyten, Eglial cells, übergreifende Bezeichnung für eine bedeutende heterogene Gruppe von nichtneuronalen Zelltypen des Nervensystems, die unter anderem Isolations- und Pufferfunktionen sowie Aufgaben während der Ontogenese des Nervensystems übernimmt. Obwohl Rudolf Virchow schon 1846 erkannte, daß das Nervensystem aus zwei grundsätzlich verschiedenen Zelltypen, Nervenzellen und Gliazellen, besteht, weiß man auch heute über Gliazellen im Vergleich zu Nervenzellen relativ wenig. Dies ist überraschend, da es im Nervensystem der Vertebraten schätzungsweise zehnmal bis fünfzigmal mehr Gliazellen als Nervenzellen gibt, und sie zudem mehr als die Hälfte des Nervensystemvolumens ausmachen. Dieser Informationsmangel hat zu einem Nervensystemkonzept geführt, in dem die Nervenzellen deutlich dominieren und die Rolle der Gliazellen unterbewertet ist. Gliazellen unterscheiden sich von Nervenzellen in vielerlei Hinsicht. Sie besitzen z.B. weder Axon noch Dendriten, sie können kein Aktionspotential bilden oder weiterleiten, ihnen kommen keine Funktionen in der Erregungsleitung und Informationsverarbeitung zu, und sie sind in der Lage, sich auch im erwachsenen Nervensystem unter bestimmten Umständen zu vermehren. Während die Klassifizierung von Gliazellen bei Invertebraten noch Schwierigkeiten bereitet, unterteilt man die Gliazellen der Vertebraten in Makrogliazellen und Mikrogliazellen. Mikrogliazellen sind nicht ektodermalen Ursprungs, sie leiten sich embryologisch gesehen von Makrophagen ab und sind deshalb mesodermal. Sie besitzen phagocytotische Aufgaben und werden bei Verletzungen des Nervensystems aktiviert. Damit grenzen sie sich sowohl embryologisch als auch physiologisch deutlich von den Makrogliazellen ab, welche ektodermalen Ursprungs sind und deshalb auch als Neuroglia bezeichnet werden. Makrogliazellen unterteilt man in drei Klassen: Astrocyten und Oligodendrocyten im Zentralnervensystem (ZNS) und Schwann-Zellen im peripheren Nervensystem (PNS). Die Astrocyten, die morphologisch und funktionell in weitere Untergruppen eingeteilt werden können, sind in der grauen Substanz die zahlenmäßig bedeutsamste Gruppe von Gliazellen. Astrocyten besitzen eine sehr unregelmäßige Form mit vielen, oftmals recht langen Fortsätzen und stellen einen sehr engen, fast die ganze Nervenzelloberfläche abdeckenden Kontakt zu Nervenzellen her. Der Spalt zwischen Nervenzellen und Astrocyten ist lediglich 20 nm breit. Dennoch gibt es bislang keine überzeugenden Beweise für eine direkte elektrische Verbindung (z.B. via gap junctions) zwischen den beiden Zelltypen. Im Gegensatz dazu sind Astrocyten untereinander elektrisch gekoppelt. Dabei verleihen verschiedene Varianten der gap junction-Proteine (Connexine, z.B. Cx43) den elektrischen Verbindungen eine gewisse Spezifität. Es gilt als sicher, daß Gliazellen von Nervenzellen Signale aufnehmen können. So führt z.B. das bei der Neurotransmission zwischen Nervenzellen frei werdende Kalium in den benachbarten Astrocyten zu einer Depolarisation. Außerdem besitzen Astrocyten (wie auch andere Gliazelltypen) Rezeptoren für Neurotransmitter. Astrocyten spielen unter anderem eine wichtige Rolle während der Entwicklung des ZNS, stellen die eigentliche Blut-Hirn-Schranke dar, bilden eine Isolationsschicht, die Gehirn und Rückenmark nach außen hin abschließen, besitzen Pufferkapazitäten sowohl für Neurotransmitter als auch für Ionen und übernehmen neurotrophische sowie neuroprotektive Funktionen. Astrocyten stellen im Ruhezustand und vermehrt bei pathologischen Veränderungen im Nervensystem (Astrogliose) das gliaspezifische Protein GFAP her. Oligodendrocyten besitzen im Gegensatz zu den Astrocyten nur wenige und kurze Fortsätze. Oligodendrocyten finden sich hauptsächlich in der weißen Substanz des ZNS, wo sie die Myelinscheide um größere Axone bilden. Diese Isolationsschicht ist für die saltatorische Erregungsleitung von fundamentaler Bedeutung. Darüber hinaus stellen Oligodendrocyten wachstumsblockierende Moleküle her, was vermutlich für die Inhibition von axonaler Regeneration im Zentralnervensystem verantwortlich ist. – Im peripheren Nervensystem übernehmen die Schwann-Zellen eine ähnliche Funktion wie die Oligodendrocyten im ZNS. Auch sie isolieren Axone mit einer Myelinschicht. Im Unterschied zu Oligodendrocyten, die mehrere Axone und sogar Axonbündel unabhängig voneinander umwickeln können, kann eine Schwann-Zelle nur ein Axon isolieren. Darüber hinaus stellen Schwann-Zellen keine wachstumshemmenden Moleküle her, was möglicherweise der Grund dafür ist, daß Axone im PNS regenerieren können. Ein weiterer Unterschied ist, daß Schwann-Zellen embryologisch gesehen von der Neuralrinne stammen, während sich Oligodendrocyten vom Neuralrohr ableiten. – Die Differenzierung von Gliazellen ist ein gutes Beispiel für die Bedeutung von Zell-Zell-Interaktionen für die Zelltypbestimmung im ZNS: Postnatal wirken verschiedene Wachstumsfaktoren auf die O-2A-Vorläuferzellen ein und bestimmen die Differenzierung zu den verschiedenen Gliazelltypen. Die Ursache mehrerer schwerer Erkrankungen des Nervensystems sind abnormale Veränderungen von Gliazellen. Die multiple Sklerose oder das Guillain-Barré-Syndrom sind z.B. die Folge von Demyelinisierungsprozessen. Die meisten Tumore des ZNS werden durch malignes Wachstum von Gliazellen (Gliom) verursacht.

T.L.

Im Zentralnervensystem (ZNS) der Säugetiere sind Gliazellen der häufigste Zelltyp und können die Zahl der Nervenzellen bei weitem übertreffen (um den Faktor zehn beim Menschen). Man unterscheidet Makrogliazellen, die sich wie Nervenzellen aus dem Ektoderm ableiten und mit ihnen gleiche Vorläuferzellen haben können, und Mikrogliazellen, die während der Entwicklung in das Nervensystem einwandern und mesodermalen Ursprungs (Monocyten-ähnlich) sind ( siehe Zusatzinfo ). Gliazellen haben nicht nur weitgefächerte physiologische Funktionen, sondern sind auch an fast allen pathologischen Veränderungen und Krankheiten der Nervensysteme beteiligt, insbesondere u.a. bei Entzündungen, Abwehr von Infektionen, Reparaturprozessen nach Verletzungen sowie bei multipler Sklerose, Alzheimer-Krankheit und Parkinson-Krankheit.
Makrogliazellen: Wieviele verschiedene Untertypen von Astrocyten, Oligodendrocyten und Schwann-Zellen, möglicherweise auch abhängig von der Entwicklungsphase und der Lage im Nervensystem, es gibt, ist noch weitgehend unbekannt. Einige morphologisch spezialisierte Gliazellen sind z.B. die Radialglia des Neuroepithels während der Frühentwicklung, die cilientragende Ependymglia, die die Hirnventrikel auskleidet, die Müller-Glia in der Netzhaut oder die Bergmann-Glia im Kleinhirn. Makrogliazellen besitzen wie Nervenzellen eine Reihe von Ionenkanälen, Rezeptoren für Neurotransmitter und Neuromodulatoren sowie Carrier in ihrer Zellmembran, meist aber in einer anderen Zusammensetzung und Dichte als Nervenzellen. Aufgrund einer relativ hohen Leitfähigkeit für Kalium generieren Astrocyten und Oligodendrocyten in der Regel keine schnellen elektrischen Impulse (Aktionspotentiale) wie die meisten Nervenzellen. Sie bilden vermutlich auch keine chemischen Synapsen, obwohl sie Signalstoffe freisetzen, möglicherweise auch Neurotransmitter (z.B. Glutamat), die der Kommunikation mit benachbarten Zellen dienen. Insbesondere Adenosintriphosphat (ATP) und ATP-Metabolite (ADP; Adenosin) scheinen wichtige gliale Signalstoffe sowohl für Glia-Neuron- als auch für Glia-Glia-Kommunikation zu sein. Makrogliazellen zeigen generell eine hohe elektrische Kopplung mittels Tunnelproteinen (Connexine der gap junctions) untereinander und zwischen den Fortsätzen derselben Zelle. Sie teilen sich im Gegensatz zu Nervenzellen über den gesamten Lebenszyklus; daher werden Tumore im Gehirn in der Regel von Gliazellen gebildet, die Gliome genannt werden. Makrogliazellen sind bei der Entwicklung und Regeneration des Nervensystems auch als Leitstruktur, so z.B. bei der Wanderung der Ventrikularschicht, bei der Wegfindung der Axone (axon guidance) sowie bei der Etablierung und Erhaltung von Synapsen beteiligt. Dabei spielen auch gliale Oberflächenmoleküle und Zelladhäsionsmoleküle sowie extrazelluläre Matrixmoleküle (z.B. Laminine, Fibronectin, Janusin, Tenascin) eine wichtige Rolle, die besonders von Astrocyten gebildet werden.
Astrocyten haben zahlreiche Fortsätze, die vom Zellsoma ausgehen (strahlenförmig), und bilden ein funktionelles Syncytium. Sie sollen sich von der Radialglia ableiten und werden mitunter phänomenologisch in protoplasmatische und fibröse Astrocyten unterteilt; wahrscheinlich gibt es aber weit mehr Untertypen. Sie exprimieren einige gliatypische Proteine, wie z.B. das GFAP (glial fibrillar acidic protein, ein Intermediärfilament des Zellskeletts), S-100, ein calciumbindendes Protein, die Glutamin-Synthetase, die Pyruvatdecarboxylase, und ihr Stoffwechsel besitzt einige Besonderheiten. Eine der wichtigsten Funktionen ist die hochaffine Aufnahme von Neurotransmittern, auch aus dem synaptischen Spalt, um die synaptische Übertragung rascher zu beenden. Dies ermöglicht oft erst einen erneuten Übertragungsvorgang, es verhindert Überreaktionen oder Inaktivierung (Desensibilisierung) des postsynaptischen Neurons. Astrocyten reagieren auf den erregenden Neurotransmitter Glutamat mit einer Aktivierung von Transportproteinen (EAAT, Abk. für E excitatory amino acid transporter), die das Glutamat mit hoher Geschwindigkeit aufnehmen. Das aufgenommene Glutamat wird dann mit Hilfe des Enzyms Glutamin-Synthetase über eine Amidierung in Glutamin überführt, welches dann über Aminosäure-Transporter wieder an die Neurone zurückgegeben wird, wo es erneut zu Glutamat umgebildet wird (Glutamat-Glutamin-Zyklus). Astrocyten reagieren auch über metabotrope und ionotrope Rezeptoren auf Glutamat. Die Aktivierung von metabotropen Rezeptoren kann z.B. zu einer Freisetzung von intrazellulärem Calcium führen oder zu Bildung anderer sekundärer Boten wie cAMP, cGMP und Stickoxid (NO). Es wurde zudem gezeigt, daß Astrocyten auf erregende Neurotransmitter, die bei neuronaler Reizung freigesetzt werden, auch via ionotrope Rezeptoren reagieren. Dies führt meist zu einer starken Depolarisation der Gliazellen, kann aber auch zum Einstrom von Calcium führen. Eine Membrandepolarisation der Gliazellen wirkt sich besonders auf elektrogene Transporter aus, wie z.B. die Glutamat-aufnehmenden EAATs, die Natrium-Kalium-Pumpe, den Natrium-Calcium-Austausch und den Natrium-Bicarbonat-Cotransport. So interagieren Signalfunktionen und sogenannte homöostatische Funktionen von Neurotransmittern in Astrocyten in komplexer Weise miteinander. – Astrocyten sind auch wesentlich an der Regulation extrazellulärer Ionen und Osmolyte, wie z.B. Kalium, Wasserstoff (pH) und organische Säuren, beteiligt. Daher spielen sie bei der Verteilung der Ionen sowie durch passive und aktive Volumenänderungen auch bei der Volumen- und Druckregulation des Gewebes eine zentrale Rolle. Bei der Entsorgung von Kalium aus der Umgebung der Neurone scheinen sowohl Ionenkanäle als auch die Transportproteine (Natrium-Kalium-Pumpe, Natrium-Kalium-Chlorid-Cotransport etc.) beteiligt zu sein. Die pH-Regulation, die auch mit Neurotransmitter- und Metabolittransportern gekoppelt ist, wird in Astrocyten hauptsächlich über Natrium-Protonen-Austausch (NHE) und Natrium-Bicarbonat-Cotransport (NBC) bewerkstelligt. Als Energielieferant für die Neurone könnten Astrocyten durch Bereitstellung von Lactat an der Aufrechterhaltung wichtiger neuronaler Funktionen beteiligt sein, wie z.B. der elektrischen und synaptischen Aktivität, die bei Energiemangel nachläßt. Fortsätze von Astrocyten bilden sog. Endfüßchen an den Endothelzellen der Blutkapillaren, die Blut-Hirn-Schranke, und nehmen dort u.a. Glucose auf. Astrocyten können Glykogenvorräte anlegen, und ihre Glykolyse kann durch neuronale Aktivität beeinflußt werden. Über eine spezielle Lactatdehydrogenase wird die Bildung von Lactat begünstigt, das mit Hilfe von Monocarboxylattransportern im Cotransport mit Protonen in den Extrazellulärraum und von dort in die Neuronen transportiert werden kann. – Astrocyten stellen eine Reihe von Wachstumsfaktoren und Cytokine her, die das Überleben von Nervenzellen sowie anderer Gliazellen beeinflussen; ferner können über diese Substanzen Gestalt, Teilungsrate und Differenzierung neuronaler wie nichtneuronaler Zellen gesteuert werden. Aktuell diskutiert werden die vielfältigen Wechselwirkungen astrocytärer Zellfortsätze mit neuronalen Zellkompartimenten, insbesondere an den chemischen Synapsen mit den prä- und postsynaptischen Elementen der Neurone. Dort greifen Astrocyten über die oben erwähnten Funktionen möglicherweise direkt in den neuronalen Dialog ein und beeinflussen so die Informationsverarbeitung im Nervensystem. Eine besondere Form der Erregung stellen cytosolische Calciumsignale in Astrocyten dar, die über Bildung des intrazellulären Botenstoffs Inositoltriphosphat (IP3) und Freisetzung aus intrazellulären Calciumspeichern (z.B. endoplasmatisches Reticulum) entstehen. Diese Calciumsignale können von einer Vielzahl von Neurotransmittern und Neuromodulatoren ausgelöst werden. Die Calciumanstiege sind entweder monophasisch oder biphasisch, können oszillieren und unmittelbar Kaliumströme an der Zellmembran aktivieren. Durch Diffusion von IP3 oder eventuell auch Calcium durch gap junctions oder über Freisetzung von ATP, das dann an benachbarten Zellen über purinerge, metabotrope Rezeptoren wiederum zur IP3-Bildung führt, überschreiten die glialen Calciumsignale die eigenen Zellgrenzen und werden so, zumindest in Kultur, auf benachbarte Zellen fortgeleitet ( siehe Abb. ). Diese glialen Calciumwellen breiten sich relativ langsam aus (10-25 μm/s) und stellen möglicherweise einen eigenen Modus von Informationsfortleitung innerhalb des Gliazellverbundes dar. Sie sind nur einige millionstel Mal so schnell wie die schnellste Fortleitung von Aktionspotentialen in unserem Nervensystem (bis 120 m/s) und laufen wahrscheinlich auch nur über Wegstrecken von weniger als 150 μm vom Ort der Entstehung aus. Calciumwellen konnten eindrucksvoll auch in retinalen Gliazellen in situ gezeigt werden, wo sie die neuronale Aktivität zu modulieren scheinen. Für die Ausbreitung der Calciumwellen über die Zellgrenzen von kultivierten Astrocyten hinaus scheinen mehrere Faktoren wichtig zu sein ( siehe Abb. ). Es wurde gezeigt, daß die Freisetzung von ATP, funktionale Connexine (Cx43) sowie ein Teil des Zellskeletts an der Fortleitung der Calciumwellen von einem Astrocyten zum anderen beteiligt sind. Es ist interessant, daß sich der ATP-Spiegel und die ATP-Freisetzung einerseits und die Expression von Cx43 gegenseitig zu beeinflussen scheinen und darüber hinaus das Auswachsen von Fortsätzen der Gliazellen wie auch cokultivierter Nervenzellen fördern. Erhöhte Expression von Cx43 verursacht zudem eine Reorganisation des Actin- und Myosin-Zellskeletts und vergrößert den Radius der Calciumwellen. Dies zeigt einen bisher noch nicht ganz verstandenen funktionellen Zusammenhang zwischen ATP-Freisetzung, Zellskelett und Connexinen. Möglicherweise werden die glialen Calciumwellen auch von neuronalen Faktoren moduliert. Es ist allerdings noch weitgehend unbekannt, wie die Calciumwellen über eine einzelne Zelle, d.h. von einem zum anderen Fortsatz jenseits des Zellkörpers fortgeleitet werden, was ihren Ausbreitungsmodus reguliert und was eine Calciumwelle letztendlich aufhält oder unterbricht. Zudem ist über die Bedeutung dieser Calciumsignale noch wenig bekannt; sie könnten bei der Aktivierung von bestimmten Zellfunktionen (z.B. über Calcium-Calmodulin-abhängige Kinasen) und auch bei zellulären Wechselwirkungen mit Nervenzellen eine Rolle spielen; diskutiert wird auch eine calciumabhängige Freisetzung von Neurotransmittern (wie z.B. Glutamat, s.o.). – Unter pathologischen Bedingungen, wie z.B. Ischämie oder Verletzungen, können Astrocyten erheblich anschwellen und dadurch den Extrazellulärraum im Gewebe verkleinern. Als volumenregulatorische Maßnahme können dann Aminosäuren abgeben werden, was wiederum Schädigungen des Gewebes bewirken oder verstärken kann. Astrocyten können allerdings auch einen Beitrag zur Verhinderung großer Schäden im Nervengewebe durch verstärkten Transport von Ionen und Neurotransmittern leisten. Auch bei der Entgiftung (z.B. von Metallen oder Toxinen) im ZNS sind Astrocyten beteiligt und können bei Infektionen, Entzündungen oder neurodegenerativen Krankheiten (z.B. multipler Sklerose, Alzheimer-Krankheit, Creutzfeld-Jakob-Krankheit) hypertrophieren und proliferieren. Diese auch als Astrogliose bekannte Reaktion ist gekennzeichnet durch Vergrößerung der Zellkörper und Vermehrung der Fortsätze, verstärkte Expression von GFAP, Vimentin und Glutamin-Synthetase sowie erhöhten DNA-Gehalt.
Oligodendrocytenund Schwann-Zellen besitzen weniger und kürzere Fortsätze als Astrocyten und sind für die Myelinisierung der neuronalen Fortsätze (Neurite), vor allem der Axone, verantwortlich (Myelinscheide). Mit Oligodendrocyten-Vorläuferzellen scheinen Neurone glutamaterge Synapsen ausbilden zu können, die einen sehr schnellen Signaltransfer ermöglichen. An der motorischen Endplatte findet ein Signalaustausch zwischen präsynaptischen Motoneuronen und den benachbarten Schwann-Zellen statt. Dabei scheint der von den Nervenendigungen der Motoneurone ausgeschüttete neuromuskuläre Transmitter Acetylcholin, der die Erregung über nicotinische Acetylcholinrezeptoren an der postsynaptischen Endplatte auf den Muskel überträgt, über muscarinische Acetylcholinrezeptoren Signale an die Schwann-Zellen zu übermitteln, die daraufhin ihrerseits Signale an die Nervenendigung abgeben. An der motorischen Endplatte konnte die Hochregulation von GFAP in perisynaptischen Schwann-Zellen, die durch Unterdrückung der synaptischen Aktivität induziert wurde, durch Aktivierung von muscarinischen Acetylcholinrezeptoren rückgängig gemacht werden.
Gliazellen in den Nervensystemen wirbelloser Tiere: In den Nervensystemen von Wirbellosen sind (Makro-)Gliazellen weniger einheitlich klassifiziert und können auch als Stützzellen, Satellitenzellen oder assoziierte Zellen bezeichnet sein. Bisher sind Gliazellen von wirbellosen Tieren vor allem im Nervensystem verschiedener Insekten, des Blutegels sowie des Tintenfischs näher untersucht worden. Sie zeigen hier viele der Funktionen, die für Makrogliazellen in Wirbeltieren gefunden wurden. Meist gibt es weniger Gliazellen als Nervenzellen, dafür manchmal sehr große Gliazellen mit zahlreichen Fortsätzen in den Ganglien. Bei der Entwicklung von Nervensystemen sind sie an der Strukturierung und Kompartimentierung des Nervensystems beteiligt. Sie scheinen auch bei der Wegfindung der Axone eine bedeutende Rolle zu spielen. Gliazellen können Axone und andere zelluläre Kompartimente der Nervenzellen mehrfach umhüllen, bilden aber in der Regel kein Myelin. In Schwann-Zellen, z.B. solche, die die Riesenfasern der Tintenfische umhüllen, sind auf axonale Impulse hin Membranpotentialänderungen gemessen worden, ausgelöst durch eine Signalkaskade, die durch Freisetzung von Glutamat aus dem Axon eingeleitet wird. In der Netzhaut des Komplexauges der Biene werden Alanin und Ammonium zwischen Gliazellen und den Photorezeptoren ausgetauscht. Im ZNS des Blutegels wurde in der Riesengliazelle im Ganglienneuropil ein elektrogener Natrium-Bicarbonat-Cotransport nachgewiesen, der an Protonen- und Metabolittransport sowie an der pH-Regulation im Nervengewebe beteiligt ist. Zudem lösen Neurotransmitter wie Glutamat und Serotonin über ionotrope wie metabotrope Rezeptoren Calciumsignale in verschiedenen subzellulären Kompartimenten der Riesengliazelle aus. In Gliazellen, die neuronale Zellkörper in Ganglien von Schnecken umhüllen, konnten durch Aktionspotentiale in den Neuronen Kaliumkanäle aktiviert werden. Alle diese Befunde sprechen für einen intensiven Signalaustausch zwischen Gliazellen und Neuronen, wie er auch bei Gliazellen von Wirbeltieren vermutet und z.T. auch schon gezeigt wurde. Vielversprechend sind auch molekularbiologische Untersuchungen am Wildtyp und an Mutanten von Drosophila melanogaster, wo Gene für spezifische gliale Proteine gefunden wurden, die eine Rolle bei der Zelldifferenzierung spielen, wie z.B. das glial cell missing-Gen (gcm).

J.D.

Gliazellen

Mikrogliazellen wirken als zelluläres Abwehrsystem der Nervensysteme von Wirbeltieren wie Wirbellosen und stellen eine Verbindung zwischen neuralem Gewebe und dem Immunsystem dar. Sie können lokal aktiviert werden (reaktive Mikroglia), z.B. durch Entzündungen, Infektionen, Verletzungen, Toxine, Sauerstoffmangel oder auch während neurodegenerativer Vorgänge, und werden dann zu motilen Freßzellen (makrophagenähnlich), die sterbende Zellen erkennen und wegräumen können. Sie besitzen ein großes Repertoire von Reaktionen, wie z.B. Bildung von Molekülen (z.B. Cytokine), Erkennung von fremden Eiweißen, erhöhte Teilungsrate u.a., um bei Bedarf in das zellpathologische Geschehen eingreifen zu können. Mikrogliazellen sind selbst auch mit einer Reihe von Rezeptoren, z.B. für Cytokine und Wachstumsfaktoren, ausgestattet. Auch bei Regenerationsvorgängen spielen Mikrogliazellen eine herausragende Rolle, u.a. durch Freisetzung von Wachstumsfaktoren und Neuromodulatoren.



Gliazellen

Modell des Glia-neuronalen Signaltransfers im Bereich einer Synapse. Die calciumabhängige Neurotransmitterfreisetzung löst über metabotrope Rezeptoren in benachbarten Gliazellen über IP3 Calciumsignale aus, welche zu Calciumwellen, die über Zellgrenzen hinweg fortgeleitet werden, führen. Als Mechanismen werden dafür diskutiert: ATP-Freisetzung mit nachfolgender Aktivierung von P2Y-Rezeptoren an benachbarten Gliazellen, die wiederum über IP3 zur Calciumfreisetzung aus intrazellulären Speichern führt; Diffusion von IP3 oder von Calcium durch gap junctions. Die Erhöhung des Calciumspiegels in den Gliazellen könnte wiederum einen Transmitter freisetzen, der auf benachbarte Nervenzellen einwirkt.

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