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Lexikon der Neurowissenschaft: Tumor

Tumorm [latein., = Geschwulst], Neoplasma,Etumor, Gewebswucherung (Geschwulst) infolge krankhafter übermäßiger Zellvermehrung. Handelt es sich dabei um dem Muttergewebe homologe Zellen, so ist der Tumor in der Regel gutartig (benigner Tumor), sind die Zellen heterolog (weniger differenziert als die Zellen des Muttergewebes bzw. entartet) und neigen sie zu Metastasen (Tochtergeschwülsten; Absiedelung verschleppter Zellen), ist der Tumor bösartig (malignerTumor). Im Nervensystem finden sich Tumoren sowohl im Zentralnervensystem als auch im peripheren Nervensystem. – Hirntumoren: Man unterscheidet hirneigene Tumoren von metastatischer Tumoraussaat ins Gehirn. Hirneigene Tumoren metastasieren nie außerhalb des Zentralnervensystems (ZNS). Aufgrund der raumfordernden Wirkung können selbst histologisch gutartige Tumoren lebensbedrohlich sein. Klinisch können Kopfschmerz, epileptische Anfälle, diverse fokale neurologische Ausfälle (je nach Lokalisation) und eine Erhöhung des Hirndrucks auftreten. Die größte Gruppe der hirneigenen Tumoren sind die Gliome, neuroepitheliale Tumoren (Neuroepithel) mit Wucherungen von Gliazellen. Man unterscheidet hierbei Astrocytome (von Astrocyten ausgehend), Oligodendrogliome (von Oligodendrocyten ausgehend), Glioblastome (Glioblastoma multiforme, mit 28% häufigster hirneigener Tumor), Ependymome (vom Ependym der Hirnventrikel oder des spinalen Zentralkanals ausgehend) sowie die aus embryonalen Zellen stammenden Medullo- und Spongioblastome. Eine Sonderform stellt die Gliomatosis cerebri dar, bei der die Tumorzellen diffus große Teile des gesamten Hirngewebes durchsetzen, ohne daß größere Tumorknoten auftreten. Weitere neuroepitheliale Tumoren kommen unter anderem im Adergeflecht und der Epiphyse in unterschiedlicher histologischer Form vor. Selten sind Tumoren, die primär von Nervenzellen ausgehen (Gangliome, die als Gangliocytom, Ganglioneurom oder Gangliogliom vorkommen). Mesodermaler Herkunft sind die Meningeome (22% der hirneigenen Tumoren). Sie gehen von Deckzellen der Arachnoidea aus und sind eigentlich Tumoren der Hirnhaut, die verdrängend ins Gehirn vorwachsen. Andere mesenchymale Tumoren sind seltener (z.B. das Hämangiopericytom). Ektodermaler Herkunft sind Hypophysenadenome, ein Teil der Pinealistumoren (Pinealocytom) und Craniopharyngeome. Im Kindesalter spielen neben dem Medulloblastom des Kleinhirns das Retinoblastom und das Neuroblastom des sympathischen Grenzstrangs eine Rolle; diese stellen embryonale Tumoren dar. Die hirneigenen Tumoren werden nach der WHO-Klassifikation in Grade von I-IV eingeteilt (Grad I als benigne mit über 5 Jahren Überlebenszeit nach Operation, Grad II als semimaligne mit 3-5 Jahren, Grad III mit 2-3 Jahren und IV mit 6-15 Monaten Überlebenszeit als maligne; siehe Tab. ). Das primäre ZNS-Lymphom findet sich vorwiegend bei immunsupprimierten Patienten, neuerdings ist jedoch das Auftreten auch bei Nicht-Immunsupprimierten ansteigend. Solide Hirnmetastasen treten bei 10-20% aller Tumoren auf. Sie stammen von bösartigen Tumoren der Lunge, der weiblichen Brust u.a. ZNS-Befall ist weiterhin bei systemischen Lymphomen möglich. Liegt eine diffuse Aussaat von Tumorzellen in die Hirnhäute vor, spricht man von Meningeosis neoplastica (je nach Primärtumor als Meningeosis carcinomatosa, lymphomatosa, sarkomatosa, melanomatosa oder leukaemica). Ein Teil der genannten Tumoren bilden sich gelegentlich auch im Rückenmark aus. Diagnostisch kommen Computertomographie, Kernspinresonanztomographie und Angiographie zum Einsatz. Die Therapie erfolgt mittels Operation (Neurochirurgie) sowie gegebenenfalls Bestrahlung (Strahlentherapie) und/oder Chemotherapie. – Tumoren peripherer Nerven oder ihrer Wurzeln gehen von den Schwann-Zellen der Perineuralscheide aus und finden sich als Neurinom (häufig z.B. am Acusticus) oder als Neurofibrom (multiples Auftreten an Haut und Nervensystem findet sich bei der von Recklinghausen´schen Neurofibromatose). Die maligne Variante ist das Neurofibrosarkom.

S.M.

Tumor

WHO-Klassifikation der intracraniellen Tumoren

I. neuroepitheliale Tumoren
A. astrocytäre Tumoren
B. oligodendrogliomatöse Tumoren
C. Tumoren des Ependyms
D. gemischte Gliome
E. Tumoren des Plexus chorioideus
F. neuroepitheliale Tumoren ungeklärten Ursprungs
G. neuronale und gemischt neuronalgliale Tumoren
H. parenchymatöse Pinealistumoren
I. embryonale Tumoren
II. Tumoren der Hirn- und Spinalnerven
A. Schwannom (Neurilemmon, Neurinom)
B. Neurofibrom
C. maligner Tumor der peripheren Nervenscheiden (MPNST: neurogenes Sarkom, anaplastisches Neurofibrom, "malignes Schwannom")
III. Tumoren der Meningen
A. Tumoren der meningothelialen Zellen
B. mesenchymale, nichtmeningotheliale Tumoren
C. primäre melanotische Prozesse
D. Tumoren ungeklärter Histogenese
IV. Lymphome und hämopoietische Neoplasmen
V. Keimzelltumoren
VI. Cysten und tumorähnliche Läsionen
VII. Tumoren der Sellaregion
VIII. lokale Ausweitungen von regionalen Tumoren
IX. metastatische Tumoren
X. unklassifizierte Tumoren

  • Die Autoren
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