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Krebs verstehen: Kann man Krebs im Blut erkennen?

Blutuntersuchungen können Hinweise auf viele Erkrankungen liefern. Ob sie sich auch für die Früherkennung von Krebs eignen, erklärt Ärztin Marisa Kurz in »Krebs verstehen«.
Person mit blauen Handschuhen hält ein Probenröhrchen mit einer Blutprobe.
Beim kleinen Blutbild wird die Zahl und Gestalt der Blutzellen sowie die Konzentration des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin bestimmt. Beim großen Blutbild werden zusätzlich die weißen Blutkörperchen nach ihren verschiedenen Zelltypen differenziert. Cholesterin, Entzündungsmarker oder Hormone werden also auch nicht im großen Blutbild bestimmt, wie viele meinen (Symbolbild).

Statistisch gesehen erkrankt fast jeder zweite Mensch im Lauf seines Lebens an irgendeiner Art von Krebs. Weil man selbst betroffen ist oder eine betroffene Person kennt, geht das Thema damit alle etwas an. Gleichzeitig wissen viele Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen sehr wenig über die Erkrankung. Was passiert dabei im Körper? Warum bekommt nicht jeder Krebs? Und wie individuell läuft eine Krebstherapie eigentlich ab? Diese und weitere Fragen beantwortet die Ärztin Marisa Kurz in ihrer Kolumne »Krebs verstehen«.

»Neulich war ich doch noch beim Arzt. Das Blutbild war in Ordnung«, höre ich manchmal von Patienten, wenn sie überraschend die Diagnose Krebs erhalten. Viele Menschen nehmen an, dass eine Blutuntersuchung alle möglichen Erkrankungen ausschließen kann – aber leider ist das ein weit verbreiteter Irrtum. Viele Krebserkrankungen verändern die Laborergebnisse nicht. Bei anderen können zwar abnorme Werte auftreten – jedoch ist Krebs dann nur eine von vielen möglichen Ursachen, und weitere Untersuchungen sind notwendig.

Gesundheits-Check-up ist kein gezieltes Krebsscreening

Beim so genannten Gesundheits-Check-up, einer Vorsorgeuntersuchung, die Versicherte ab 35 Jahren alle drei Jahre wahrnehmen können, stehen vor allem Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Typ II im Fokus. Dazu werden im Blut Zucker- und Fettwerte bestimmt, der Urin auf Eiweiß untersucht und der Blutdruck kontrolliert. Für Männer ab 65 Jahren gehört eine Ultraschalluntersuchung dazu, mit der erkannt werden kann, ob die Bauchschlagader erweitert ist. Ab 35 können sich Versicherte außerdem einmalig auf Hepatitis B und C testen lassen, eine chronische Infektion kann das Risiko für Leberzellkrebs erhöhen.

Für die meisten Krebserkrankungen sind diese Tests allerdings nicht aussagekräftig. Wichtiger sind die beim Check-up durchgeführte körperliche Untersuchung und das Gespräch, in dem neben Risikofaktoren wie Rauchen und Alkoholkonsum auch Beschwerden abgefragt werden. Stellt der Arzt hier Auffälligkeiten fest – etwa unklare Schmerzen, Schwellungen oder einen ungewollten Gewichtsverlust – kann er weitere Untersuchungen durchführen, beispielsweise einen Ultraschall.

Krebs macht sich in regulären Bluttests nur selten bemerkbar

Auch mit erweiterten Blutuntersuchungen wie dem kleinen oder großen Blutbild lassen sich Krebsdiagnosen nicht zuverlässig stellen. Das kleine Blutbild erfasst die Anzahl der weißen und roten Blutkörperchen sowie der Blutplättchen. Das große Blutbild geht weiter ins Detail und untersucht welche Arten der weißen Blutzellen, beispielsweise Lymphozyten, vorkommen. Es gibt also lediglich Aufschluss darüber, wie sich die Blutzellen zusammensetzen. Abweichungen, etwa deutlich zu wenige oder zu viele Blutzellen, können auf eine gestörte Blutbildung im Knochenmark hinweisen – Blut- oder Lymphdrüsenkrebs können die Ursache dafür sein. Doch hier braucht es weitere Untersuchungen, um mögliche Erkrankungen zu diagnostizieren.

»Ich behandle viele Krebspatienten, deren Blutwerte unauffällig sind«

Häufige Krebserkrankungen wie Brust-, Prostata-, Lungen- oder Darmkrebs zeigen in frühen Stadien meist keine auffälligen Blutwerte. Ein Tumor in der Brust etwa schränkt die Arbeit der Leber oder Niere nicht ein – also sind die entsprechenden Laborergebnisse nicht verändert. Erst wenn die Erkrankungen weiter fortgeschritten ist, beispielsweise sich in der Leber Metastasen gebildet haben, können bestimmte Leberwerte erhöht sein. Aber selbst dann gibt es viele andere mögliche Erklärungen für abnorme Werte wie etwa die Einnahme bestimmter Medikamente, übermäßiger Alkoholkonsum, Gallensteine oder Infektionen.

Standardlaboruntersuchungen eignen sich also leider nicht, um eine Krebserkrankung mit Sicherheit zu diagnostizieren oder auszuschließen. Ich behandle viele Krebspatienten, deren Blutwerte unauffällig sind.

Tumormarker dienen als Verlaufsparameter einer Krebserkrankungen

Bei manchen Krebspatienten lassen sich im Blut so genannte Tumormarker nachweisen. Dabei handelt es sich um bestimmte Proteine, die von Krebszellen gebildet werden. Nur für einige Krebserkrankungen sind solche Marker bekannt – beispielweise für Darm-, Prostata-, Brust-, Bauchspeicheldrüsen- oder Eierstockkrebs. Doch nicht bei allen Erkrankten sind die Marker erhöht, und sie können ebenso durch andere Prozesse im Körper ansteigen, etwa Infekte. Wenn bei einem meiner Patienten Krebs diagnostiziert wird und es einen bekannten Tumormarker für die Erkrankung gibt, lasse ich ihn bestimmen. Ist er erhöht, kontrolliere ich den Wert im weiteren Therapieverlauf immer wieder – er kann mir einen Hinweis darauf geben, ob eine Krebserkrankung sich unter Therapie zurückbildet oder fortschreitet.

Als Beweis reicht das aber nicht – dazu muss ich weitere Untersuchungen wie eine Computertomografie durchführen lassen. Weil Tumormarker nur bei einigen Krebserkrankungen und bei manchen Menschen erhöht und störanfällig sind, eignen sie sich in der Regel nicht als Screening-Test für Krebs. Eine Ausnahme ist der so genannte PSA-Wert, der bei Prostatakrebs eingesetzt werden kann. Allerdings sollten Patienten wissen, dass sich mit diesem Screening zwar Krebsfälle früher entdecken und Todesfälle vermeiden lassen, jedoch auch droht, dass wenig aggressive Tumore behandelt werden, die man zunächst hätte beobachten können.

Forschung zu Bluttests auf Krebs läuft auf Hochtouren

Häufig werden Krebserkrankungen erst entdeckt, wenn sie sich bereits ausgebreitet haben. Dann verursachen sie Beschwerden, die man mit Untersuchungen wie Ultraschall oder Computertomografie abklären kann. Je weiter ausgebreitet ein Krebs ist, desto schlechter ist er zu behandeln. Nur für eine Hand voll Tumorerkrankungen gibt es spezielle Früherkennungsuntersuchungen – beispielsweise die Darmspiegelung.

Forscherinnen und Forscher weltweit versuchen deshalb Bluttests zu entwickeln, mit denen mehrere Krebsarten gleichzeitig diagnostiziert werden können. Einige private Firmen und Versicherungen bieten bereits Bluttests auf Krebs an. Sie sollen Proteine oder DNA aufspüren können, die von Krebszellen ins Blut abgegeben werden. Auf Grund der fehlenden wissenschaftlichen Evidenz für ihren Nutzen werden die Kosten in Deutschland nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet.

Der Bluttest einer der bekanntesten Anbieter auf dem Markt soll laut eigener Aussage 50 verschiedene Krebsarten erkennen können. Dazu werden mit Hilfe künstlicher Intelligenz krebstypische Marker anhand von DNA-Schnipseln im Blut erkannt. Laut einer klinischen Studie erkennt er ungefähr doppelt so viele Krebserkrankungen wie die empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen. Grundsätzlich denke ich, dass das eine viel versprechende Technologie ist.

Doch in Großbritannien steht der Test gerade massiv in der Kritik: Neuere Studien haben erhebliche Zweifel an der Genauigkeit des Tests ergeben. Die Quote der Krebserkennung im frühesten Krebsstadium I lag lediglich bei 16,8 Prozent. Dabei investierte der Britische National Health Service (NHS) offenbar bereits rund 175 Millionen Euro in weitere Studien.

Screening-Test auf Krebs sollten vor allem Frühstadien erkennen – denn dann stehen noch viele Therapieoptionen zur Verfügung und die Heilungschancen steigen. Eine Herausforderung für die Forscher: Je fortgeschrittener eine Krebserkrankung ist, desto mehr Stoffe geben die Tumoren ans Blut ab und desto leichter sind sie aufzuspüren. Die Untersuchungen müssen jedoch so gut sein, dass sie selbst kleinste Spuren von Krebs finden. Gleichzeitig müssen sie verlässliche Ergebnisse liefern. Tun sie das nicht, droht nicht nur ein finanzieller Schaden: Sie können Patienten in falscher Sicherheit wiegen, wenn ein Test nicht anschlägt, tatsächlich aber eine Krebserkrankung vorliegt. Auf der anderen Seite können falsch positive Tests dazu führen, dass Menschen unnötig psychisch belastet werden und sich durch Folgeuntersuchungen wie Biopsien Blutungs- oder Infektionsrisiken aussetzen. Außerdem werden damit knappe medizinische Kapazitäten gebunden, die andere Menschen vielleicht dringender bräuchten.

Viele meiner Patienten hätten geheilt werden können, wäre ihre Erkrankung früher entdeckt worden. Ich freue mich immer, wenn eine Krebserkrankung besonders früh diagnostiziert wird. Und ich hoffe, dass Bluttests auf Krebs weiterentwickelt werden und in der Zukunft so genau sind, dass sie als sinnvolles Screening dienen können. Bis dahin rate ich, die wenigen bewährten Krebsfrüherkennungsuntersuchungen wie Darmspiegelungen und Mammografien, die es heute schon gibt, unbedingt wahrzunehmen.

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