Lexikon der Neurowissenschaft: Myelinscheide
Myelinscheidew [von griech. myelos = Mark], Axonscheide, Markscheide, Stratum myelini, Emyelin sheath, eine spiralförmige Umhüllung um Axone, seltener um Dendriten, welche durch Fortsätze von myelinbildenden Gliazellen gebildet wird (Myelin). Im Zentralnervensystem (ZNS) handelt es sich bei diesen um Oligodendrocyten, im peripheren Nervensystem (PNS) um Schwann-Zellen (daher wird die Myelinscheide im PNS auch Schwann-Scheide genannt). Das Myelin ermöglicht eine Steigerung der Nervenleitungsgeschwindigkeit bei relativ geringem Axondurchmesser durch die saltatorische Erregungsleitung. Die Axonmembran ist nur an den Ranvier-Schnürringen exponiert, und nur dort ist eine hohe Dichte von spannungsabhängigen Natriumkanälen zu finden. Transmembranströme sind im Bereich der myelinisierten Regionen des Axons (Internodien) in ihrer Ausbildung sehr eingeschränkt, so daß sich lokale Ausgleichsströme der Aktionspotentiale relativ weit, d.h. bis zum nächsten Ranvier-Schnürring, passiv ausbreiten können, um dort ein weiteres Aktionspotential zu induzieren. Die Internodienlänge (Abstand zweier Schnürringe) kann bei besonders schnell leitenden Fasern bis 1500 μm betragen; bei solch großen Fasern können mehr als 100 Myelinwindungen gefunden werden. Myelin ist vor allem bei höheren Vertebraten zu finden, d.h. bei Tierarten, bei denen besonders viele Axone auf kleinstem Raum besonders schnell leiten müssen. Obwohl bei einzelnen Invertebraten (Anneliden, Arthropoden) myelinscheidenähnliche Strukturen beschrieben wurden, wird bei den meisten Invertebraten eine Steigerung der Leitungsgeschwindigkeit durch Vergrößerung des Axondurchmessers erreicht (Riesenfasern). – Myelin entwickelt sich meist, nachdem die Axone ihr Zielgebiet innerviert haben. In peripheren Nerven werden zunächst ganze Bündel von Axonen von unreifen Schwann-Zellen kollektiv umgeben. Dickere Axone werden dann von proliferierenden Schwann-Zellen separiert und von einem Fortsatz der Schwann-Zelle spiralig umgeben. Nach einigen Windungen bildet sich sogenanntes kompaktes Myelin, indem das Cytoplasma der Schwann-Zelle aus den Windungen schwindet. Bei konventioneller Elektronenmikroskopie ( siehe Abb. 1 ) erscheinen dann die intrazellulären Halbmembranen der gegenüberliegenden Zelloberflächen fusioniert und bilden die Myelinhauptlinie(E major dense line). Auf der extrazellulären Seite der Schwann-Zell-Spirale nähern sich die Membranen bis auf 3-5 nm und bilden die Myelinnebenlinie(E intraperiod line). Der Abstand zwischen den Myelinhauptlinien beträgt ca. 15 nm. Nur an relativ wenigen Stellen, wie den paranodalen Schleifen (Ranvier-Schnürring) und den Schmidt-Lantermann-Inzissuren bleibt das Myelin unkompaktiert ( siehe Abb. 2 ). Strukturell unterscheidet sich das Myelin des ZNS von dem des PNS. So sind Myelinscheiden im ZNS meist weniger dick als im PNS. Ferner sind Schmidt-Lantermann-Inzissuren seltener. Auch ultrastrukturell gibt es einige subtile Unterschiede, wie z.B. der Abstand zwischen den Myelinhauptlinien, der im ZNS ca. 12 nm ausmacht, während er im PNS ca. 15 nm beträgt. Einige Myelinkomponenten (z.B. Myelinproteine) sind nur auf das PNS- oder ZNS-Myelin beschränkt, wie z.B. das P0-Protein, das nur im PNS vorkommt, oder das Myelin-Oligodendrocyten-Glykoprotein, das nur im Myelin des ZNS zu finden ist.
Ru.M.
Myelinscheide
Abb. 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme eines quergeschnittenen myelinisierten Axons einer Maus. Der Großteil des Myelins (M) ist kompaktiert und erscheint als breites, dunkles Band, das sich um das Axon (A) legt. Die in dieser Vergrößerung sehr feine Streifung der Myelinscheide entspricht der spiralig verlaufenden Myelinhauptlinie. Der Pfeil zeigt auf das innere Mesaxon, der Doppelpfeil auf das äußere. Die Pfeilspitzen markieren die innere und sehr dünne cytoplasmatische Windung, die direkt dem Axon anliegt. Die mit a gekennzeichneten Strukturen sind nichtmyelinisierte Axone. Balken: 500 nm.
Das kleine Bild rechts oben zeigt eine hohe Vergrößerung des kompakten Myelins. Die Pfeilspitzen weisen auf die Myelinhauptlinie, die Pfeile auf die Myelinnebenlinie. Balken: 50 nm.
Myelinscheide
Abb. 2: Schematische Darstellung eines Längsschnitts durch ein myelinisiertes Axon. Neben dem Zellkörper mit Kern enthalten die paranodalen Schleifen und die Schmidt-Lantermann-Inzissuren nicht-kompaktes Myelin (die innerste cytoplasmatische Windung ist nicht dargestellt); der Großteil der Myelinscheide besteht aus kompaktem Myelin.
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