Insektensterben: Auch ›Allerweltsarten‹ künftig massiv bedroht
2017 veröffentlichten Forscher dramatische Zahlen zum Insektensterben in Deutschland und Europa: Um teils mehr als 75 Prozent ist die Zahl der Insekten hier zu Lande gesunken. Betroffen sind dabei oft Arten, die an spezielle Lebensraumbedingungen gebunden sind – verschwindet ihre Nische, verschwinden sie ebenfalls. Doch künftig könnten auch die heute häufigen »Allerweltsarten« der Lebensraumzerstörung zum Opfer fallen.
Warum, erläutern Jan Christian Habel von der TUM School of Life Sciences Weihenstephan und Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut in Müncheberg in einem Hintergrundbeitrag für das Fachmagazin »Biological Conservation«. Demnach verdanken die »Generalisten« ihre große Verbreitung ihrer Anpassungsfähigkeit, die sich etwa in einer größeren genetischen Vielfalt ausdrückt. Die Verinselung des Lebensraums verhindere aber künftig immer stärker einen genetischen Austausch der einzelnen Populationen, so dass ebendiese Vielfalt schwinde. Dadurch »wird ihnen zukünftig die Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen fehlen«, sagt Habel voraus. Die beiden Wissenschaftler stützen sich dabei auch auf eigene Forschungen zur Populationsgenetik von Schmetterlingen.
»Für den praktischen Naturschutz heißt dieses Ergebnis, dass es zukünftig nicht mehr ausreichen wird, kleine, isolierte Schutzgebiete zu erhalten«, erläutert Schmitt. In den Schutzzonen könnten zwar die Spezialisten vor dem Aussterben gerettet werden, »die Masse an Arten, die auf einen Austausch zwischen lokalen Populationen angewiesen sind, werden wir so mittel- oder langfristig jedoch verlieren«.
Das Insektensterben wirkt seinerseits katastrophal auf das Ökosystem zurück, da die Sechsbeiner zahllose Funktionen einnehmen, etwa als Bestäuber, aber auch als Nahrung für andere Tiere. Als Ursachen werden Pestizideinsatz, die Intensivierung der Landwirtschaft, nächtliche Lichtverschmutzung und weitere Faktoren diskutiert. Der Zersplitterung von Lebensräumen kann jedoch auch der Einzelne ganz praktisch entgegenwirken, zum Beispiel durch die Gestaltung naturnaher Gärten und den Verzicht auf Insektengifte. Zu hoffen wäre, dass ausreichend viele solcher »Mikroschutzgebiete« die Verinselung der großen Naturschutzzonen abmildern und es den verbreiteten Arten erlauben, ihre genetische Vielfalt in die Zukunft zu retten.
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