Atacama: Auch Menschen können sich an Arsen gewöhnen
Spätestens seit dem Film "Arsen und Spitzenhäubchen" hat das Halbmetall Arsen seinen Ruf als mörderischer Giftstoff weg. Doch Arsen ist für Millionen Menschen ein tägliches Problem, weil sie entsprechend kontaminiertes Wasser trinken müssen: Es wird aus arsenhaltigen Mineralen und Gesteinen ausgewaschen und gelangt damit in den Körper. Stark betroffen sind beispielsweise viele Menschen in Südasien, die in arsenhaltigem Wasser ihren Reis kochen müssen. Reis reichert das Metall jedoch deutlich stärker an als andere Getreidesorten. Kritisch ist eigentlich auch die Situation für die Bewohner von Quebrada Camarones in der Atacama-Wüste – einem der trockensten Plätze der Erde. Quellen liefern hier nur Wasser, das 100-mal stärker mit Arsen belastet ist, als die von der Weltgesundheitsorganisation festgelegte Obergrenze von zehn Mikrogramm pro Liter erlaubt. Im Lauf der Besiedlungsgeschichte haben die Menschen vor Ort aber zumindest teilweise eine genetische Anpassung daran entwickelt beziehungsweise begünstigte die Evolution Bewohner mit den entsprechenden Voraussetzungen, wie Mario Apata von der Universidad de Chile in Santiago und seine Kollegen bemerkt haben.
Seit 7000 Jahren siedeln demnach Menschen in Quebrada Camarones und müssen trinken, was die Quellen vor Ort liefern – und darin enthalten sind mit 1000 Mikrogramm pro Liter die stärksten Arsenspuren in Trinkwasser, die bislang in Südamerika festgestellt worden sind. Dennoch treten hier keine größeren Gesundheitsschäden auf – etwa schwere Durchblutungsstörungen oder Tumoren –, wie sie für chronische Arsenvergiftungen typisch sind. Um die Ursache hierfür herauszufinden, verglichen Apata und Co Blutproben der lokalen Bewohner mit jenen von Menschen aus dem Azapa-Tal im Norden Chiles sowie aus San Juan de la Costa ganz im Süden. Letztere Gemeinschaft weist praktisch keine Arsenbelastung im Wasser auf. Besonderes Interesse der Forscher galt bestimmten Varianten des Enzyms AS3MT, deren Träger höhere Arsenwerte im Körper tolerieren können, wie vorherige Studien bereits gezeigt hatten.
Dieses Enzym kann je nach vorhandener Genvariante Arsen in Monomethylarsonsäure oder Dimethylarsinsäure umwandeln, die unterschiedlich lang im Körper verweilen, bevor sie über die Nieren ausgeschieden werden. Mehr als zwei Drittel der Bewohner von Quebrada Camarones besitzen die Genvariante, die das Metall zu Dimethylarsinsäure abbauen, was sie relativ gut vor einer gefährlichen Anreicherung schützt. Zum Vergleich: Im "arsenfreien" San Juan de la Costa tragen nur acht Prozent der getesteten Menschen das Gen für diese Enzymvariante – Azapa lag zwischen beiden Varianten. Apato und Co betonen allerdings, dass die vorherrschenden Variante von AS3MT nur ein Teil der Antwort ist: Ein knappes Drittel der Bevölkerung kommt offensichtlich ohne das verantwortliche Gen aus und entwickelt dennoch kaum Vergiftungserscheinungen. Die Wissenschaftler wollen daher nach weiteren Abwehrmechanismen des Körpers fahnden.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben