Situative Faulenzerei: Auch Wespen kennen ihren Marktwert
Auch Wespen sind natürliche Faulenzer: Sie lassen die Arbeit für ihre Kolonie gerne einmal schleifen, sobald sie meinen, sich das erlauben zu können. Zum Beispiel dann, wenn sie sich jederzeit anderswo selbstständig machen könnten, berichten die Zoologen Lena Grinsted und Jeremy Field am Beispiel der Gallischen Feldwespe Polistes dominula: Die Arbeiterinnen dieser Art bringen nur dann die volle Leistung beim Nahrungssammeln für die Kolonie und den Nachwuchs der ansässigen Königin, wenn ihre Chancen auf eigenen Nestbau in der Nachbarschaft eher schlecht sind. Dagegen furagieren sie viel vorsichtiger und schonen ihr eigenes Leben, sobald sich Möglichkeiten bieten, notfalls auch eine eigene Kolonie in der Nachbarschaft gründen zu können.
Die Weibchen der Feldwespen-Spezies haben prinzipiell die Wahl, sich als nicht fortpflanzungsberechtigte Arbeiterin der Kolonie einer dominanten Königin zu unterwerfen und dafür die Vorteile der Gruppe zu genießen – oder zu versuchen, einen eigenen Staat mit eigenem Nachwuchs zu gründen. Und offenbar ist das auch bei den Insekten keine reine Schwarz-Weiß-Entscheidung, so Grinsted und Field nach ihren Experimenten, bei denen sie die Wespen einer Kolonien mit Farbkodes individuell markiert und anschließend überwacht hatten. Dabei zeigte sich: Je nach Umweltsituation binden sich die Tiere offenbar mehr oder weniger fest, und die schwankende Solidarität einzelner Wespen lässt sich gut daran ablesen, wie intensiv sie sich an den anfallenden Koloniearbeiten wie der gefährlichen und mühsamen Nahrungssuche beteiligen.
Im Prinzip ließe sich die Arbeitsleistung der Wespen demnach als Gut in einer Marktsituation behandeln: Ihr Preis oder Kurswert steigt und fällt mit Angebot und Nachfrage. Das Angebot verknappt sich allerdings auch durch äußere Umstände wie eine Ressourcenknappheit, die eine Alternative zum Verkauf der eigenen Leistung verteuert. Ein solcher Umstand wäre etwa das Angebot an Nistmöglichkeiten in der Umgebung: Je weniger davon verfügbar sind, desto eher ist es für einzelne Wespen attraktiv, einer Kolonie treu zu dienen – unter anderem auch deshalb, weil die Anzahl der Arbeit suchenden Wespen in der lokalen Umgebung ansteigt. Diesen Umstand machten sich die Forscher im Experiment zu Nutze, indem sie künstlich die Zahl von möglichen Nestplätzen und Alternativen in der Nähe der überwachten Kolonie mal erhöhten, mal senkten und dann die Reaktionen der Arbeiterinnen analysierten. Eindeutig zeigt sich dabei tatsächlich: je höher der Wert der eigenen Leistung, desto weniger schufteten die Wespenarbeiterinnen für eine Königin.
Wie die sozialen Insekten ihre komplexe Entscheidungsfindung bei dynamischen Umweltbedingungen eigentlich abwickeln, ist im Übrigen noch unklar. Offenbar einkalkuliert werden – auf welchem Weg auch immer – dabei wohl aggressive Sanktionen, die Faulenzer von anderen Koloniemitgliedern erfahren können. Zusätzlich verkompliziert wird die Marktsituation durch weitere Faktoren: So könnten dominante Koloniebewohner als Arbeitgeber im Markt auch die Attraktivität ihres Standortes situationsbedingt erhöhen – wie man es etwa bei den dominanten Tieren in Kolonien von Erdmännchen (Suricata suricatta) kennt, die besonders hart arbeitende Untergebene mit Leckerbissen belohnen; oder von Schnurrbarttamarinen-Klanchefs (Saguinus mystax), die fleißige Gruppenmitglieder bevorzugt lausen und kraulen. Auch bei Wespen muss dies in Zukunft genauer untersucht werden, so die Naturökonomen Grinsted und Field.
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